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XLVII

Wie die Michael-Kräfte in die erste Entfaltung

der Bewusstseinsseele wirken.

Zweite Betrachtung.

In der Zeit während des Einschlages der Bewusstseinsseele in die Erdenentwicklung der Menschheit war es für die Wesen der dem Erdendasein nächsten geistigen Welt schwierig, an die Menschheit heranzukommen. Die Erdenereignisse nehmen eine Form an, die zeigt, dass Verhältnisse ganz besonderer Art notwendig sind, um dem Geistigen den Weg in das physische Leben der Menschheit möglich zu machen. Aber es zeigt andererseits diese Form auch wieder in oftmals klärendster Art, wie das eine Geistige da, wo die Mächte der Vergangenheit noch wirken und die Mächte der Zukunft schon zu wirken beginnen, sich energisch gegen ein anderes Geistiges seinen Weg in das Erdenleben der Menschheit sucht.

Da entwickelt sich zwischen 1339 und 1453 ein mehr als hundertjähriger verwirrender Krieg zwischen Frankreich und England. In dieser von einer gewissen, der Menschenentfaltung ungünstigen geistigen Strömung herrührenden Verwirrung finden Ereignisse ihre Hemmungen, die schneller die Bewusstseinsseele in die Menschheit eingeführt hätten, wenn die Hemmungen nicht dagewesen wären. Chaucer (der vierzehnhundert gestorben ist) hat die englische Literatur begründet. Man braucht nur daran zu denken, was von dieser Literaturbegründung für geistige Folgen in Europa ausgegangen sind, und man wird es bedeutsam finden, dass das Ereignis nicht frei sich gestalten konnte, sondern dass es in eine Kriegsverwirrung hineinfiel. Dazu kommt, dass schon vorher (1215) in England dasjenige politische Denken begonnen hatte, das durch die Bewusstseinsseele seine rechte Ausprägung erhalten kann. Auch die weitere Entwicklung dieses Ereignisses fällt in die Kriegshemmungen hinein.

Man hat es da mit einer Zeit zu tun, in der die geistigen Kräfte, die den Menschen so entwickeln wollen, wie er von ihnen übergeordneten göttlich-geistigen Mächten von Anfang an veranlagt ist, ihre Widersacher finden. Diese Widersacher wollen den Menschen in andere Bahnen einlenken, als die ihm vom Anbeginne gewiesenen sind. Er würde dann die Kräfte seines Anfangs für seine spätere Entwicklung nicht anwenden können. Seine kosmische Kindheit bliebe für ihn unfruchtbar. Sie würde zum verdorrenden Teile seiner Wesenheit. Die Folge davon wäre, dass der Mensch die Beute der luziferischen oder ahrimanischen Mächte werden könnte und ihm seine selbsteigene Entfaltung entfiele. Hätten es die Menschheits-Widersacher mit diesen ihren Bestrebungen nicht bloss bis zu Hemmungen, sondern bis zu einem vollen Erfolg gebracht, so hätte der Einschlag der Bewusstseinsseele unterbunden werden können.

Ein Ereignis, in dem das Einströmen des Geistigen in die Erdenereignisse besonders helleuchtend sich offenbart, ist das Auftreten und Schicksal der Jeanne d’Arc (der Jungfrau von Orleans 1412‒1431). Was sie tut, hat für sie selbst die Impulse tief in den unterbewussten Untergründen der Seele. Sie folgt den dunklen Eingebungen der geistigen Welt. Auf der Erde herrscht Verwirrung, durch die das Bewusstseinszeitalter verhindert werden soll. Michael muss seine spätere Mission von der Geistwelt her vorbereiten. Er kann es da, wo seine Impulse in Menschenseelen aufgenommen werden. Die Jungfrau hat eine solche Seele. Er wirkt, wenn dies auch nur in minderem Grade möglich und für das äussere geschichtliche Leben weniger sichtbar ist, auch durch viele andere Seelen. In solchen Ereignissen, wie in dem Kriege zwischen England und Frankreich, findet er seine ahrimanische Gegnerschaft.

Von dem luziferischen Widersacher, den er in dieser Zeit gefunden hat, ist in der vorigen Betrachtung gesprochen. Aber dieser Widersacher zeigt sich ja auch ganz besonders darinnen, wie die Ereignisse sich abspielten, die dem Auftreten der Jungfrau von Orleans folgten. Man sieht an diesen Ereignissen, dass die Menschen keine Stellung mehr gewinnen konnten gegenüber einem Eingreifen der Geistwelt in die Geschicke der Menschheit, das begriffen und auch von den Menschen in ihren Willen aufgenommen werden konnte, als noch imaginatives Verstehen vorhanden war. Die Stellung zu solchem Eingreifen ist mit dem Aufhören des Wirkens der Verstandes- oder Gemütsseele unmöglich geworden; die Stellung, die der Bewusstseinsseele entspricht, war damals noch nicht gefunden; sie ist auch heute noch nicht errungen.

So ist es denn gekommen, dass damals die Gestaltung Europas von der geistigen Welt aus zustandegekommen ist, ohne dass die Menschen ein Verständnis für das hatten, was geschieht, und ohne dass, was sie vermochten, einen nennenswerten Einfluss auf diese Gestaltung hat haben können.

Man braucht ja nur sich vorzustellen, was im fünfzehnten Jahrhundert geschehen wäre, wenn es keine Jungfrau von Orleans gegeben hätte, und man wird die Bedeutung dieses aus dem Geiste bedingten Ereignisses wohl einsehen. ‒ Es gibt ja auch Persönlichkeiten, die eine solche Erscheinung materialistisch erklären wollen. Mit ihnen ist eine Verständigung deshalb unmöglich, weil sie das offenbar Geistige im materialistischen Sinne willkürlich umprägen.

Deutlich zeigt sich nun auch in gewissen geistigen Bestrebungen der Menschheit, wie diese den Weg zum Göttlich-Geistigen nicht mehr ohne Schwierigkeiten findet, auch wenn sie ihn intensiv sucht. Es sind Schwierigkeiten, die in den Zeitaltern nicht vorhanden waren, in denen noch mit Imaginationen Einsicht geschaffen werden konnte. Man hat, um das hier Gemeinte richtig zu beurteilen, nur nötig, die als philosophische Denker auftretenden Persönlichkeiten im klaren Lichte zu sehen. Ein Philosoph kann nicht nach seiner Wirkung auf sein Zeitalter allein betrachtet werden, nicht darnach, wie viele Menschen seine Ideen aufgenommen haben. Er ist vielmehr der Ausdruck, die offenbare Wesenheit für sein Zeitalter. Was der grosse Teil der Menschheit unbewusst als Seelenverfassung, als unbewusste Gefühle und Lebensantriebe in sich trägt, das bringt der Philosoph in seine Ideen. Er zeigt, wie das Thermometer den Wärmezustand seiner Umgebung, so den Seelenzustand seines Zeitalters an. Die Philosophen sind ebenso wenig die Ursachen der Seelenverfassung ihrer Zeitalter wie die Thermometer die der Wärmeverfassung ihrer Umgebung.

Man sehe unter diesen Voraussetzungen auf den Philosophen René Descartes, der wirkte, als das Bewusstseinszeitalter schon im Gange war. (Er lebte 1596 bis 1650.) Die schmale Stütze seiner Verbindung mit der Geistwelt (dem wahren Sein) ist das Erlebnis »Ich denke, also bin ich«. Im Zentrum des Selbstbewusstseins, des Ich, sucht er die Realität zu empfinden; und zwar nur so viel, als ihm die Bewusstseinsseele sagen kann.

Und über alles übrige Geistige sucht er auf dem intellektualistischen Wege sich klar zu werden, indem er untersucht, wieviel Bürgschaft die Gewissheit des eigenen Selbstbewusstseins über die Gewissheit von anderem gibt. Er fragt überall gegenüber den Wahrheiten, die ihm geschichtlich überliefert sind: sind sie so klar wie das »Ich denke, also bin ich«. Und kann er das bejahen, so nimmt er sie an.

Ist bei einem solchen menschlichen Denken nicht aller Anschauung, die auf die Dinge der Welt orientiert ist, der Geist ausgetrieben? Die Offenbarung dieses Geistes hat sich auf die kleinste Stütze im Selbstbewusstsein zurückgezogen; alles andere erweist sich unmittelbar ohne Geistesoffenbarung. Es kann auf das ausser dem Selbstbewusstsein liegende nur mittelbar durch den Intellekt in der Bewusstseinsseele ein Licht dieser Geistesoffenbarung geworfen werden.

Der Mensch dieses Zeitalters lässt gewissermassen den noch fast leeren Inhalt seiner Bewusstseinsseele in intensiver Sehnsucht nach der Geistwelt strömen. Ein dünner Strahl geht dahin.

Die Wesen der an die Erdenwelt unmittelbar angrenzenden Geistwelt und die Menschenseelen auf Erden kommen schwer zueinander. Michaels übersinnliche Vorbereitung seiner späteren Mission wird nur unter den grössten Hemmungen von der Menschenseele miterlebt.

Man vergleiche, um das Wesen der Seelenstimmung zu erfassen, die in Descartes zum Ausdrucke kommt, diesen Philosophen mit Augustinus, der der äusseren Formulierung nach dieselbe Stütze für das Erleben der geistigen Welt geltend macht wie Descartes. Nur geschieht es bei Augustinus aus der vollen imaginativen Kraft der Verstandes- oder Gemütsseele. (Er lebte 354 bis 430.) Man findet Augustinus mit Descartes mit Recht verwandt. Nur ist der Intellekt des Augustinus noch der Rest des Kosmischen, der bei Descartes der schon in die einzelne Menschenseele einziehende. Gerade an dem Fortgang des Geistesstrebens von Augustinus zu Descartes kann man sehen, wie der kosmische Charakter der Gedankenkräfte sich verliert, und wie dieser dann in der Menschenseele wieder auftritt. Man schaut aber zugleich, wie Michael und die Menschenseele unter Schwierigkeiten sich so zusammenfinden, dass Michael im Menschen leiten kann, was er einst im Kosmos geleitet hat.

Es sind gegen dieses Zusammenfinden die luziferischen und ahrimanischen Kräfte am Werke. Die luziferischen wollen am Menschen nur das zur Entfaltung kommen lassen, was ihm in seiner kosmischen Kindheit eigen war; die ahrimanischen als Gegner und doch mit ihnen zusammenwirkend möchten die in späteren Weltaltern erlangten Kräfte allein entwickeln und die kosmische Kindheit verdorren lassen.

Unter solchen gesteigerten Widerständen wurde von den Menschenseelen Europas das verarbeitet, was an geistigen Impulsen durch die Kreuzzüge an alten Weltanschauungsideen vom Osten nach dem Westen geströmt war. Die Michael-Kräfte lebten ja ganz stark in diesen Ideen. Die kosmische Intelligenz, deren Verwaltung das alte geistige Erbgut Michaels war, beherrschte diese Weltanschauungen.

Wie konnten sie aufgenommen werden, da eine Kluft lag zwischen den Kräften der Geist-Welt und den Menschenseelen? Sie fielen in die erst leise werdende Bewusstseinsseele. Einerseits begegneten sie dem Hindernis, das in der noch schwach entwickelten Bewusstseinsseele gegeben war. Sie übertönten deren Wirksamkeit, lähmten sie. Aber anderseits auch auf ein noch von Imagination getragenes Bewusstsein stiessen sie nicht mehr. Die Menschenseele konnte sie nicht mit voller Einsicht mit sich verbinden. Man nahm sie entweder ganz oberflächlich, oder abergläubisch auf.

In diese Geistesverfassung muss geschaut werden, wenn die Gedankenbewegungen, die an Namen von Wicliff, Huss u. a. einerseits, an die Bezeichnung »Rosenkreuzerwesen« andrerseits sich anschliessen, verstanden sein wollen. ‒ Davon soll im weiteren gesprochen werden.

 

Leitsätze mit Bezug auf das Vorangehende aus der zweiten Betrachtung über die Michaelskräfte in der ersten Entfaltung der Bewusstseinsseele.

127. Die Menschenseele entwickelt im Beginne des Bewusstseinszeitalters noch in geringem Masse ihre intellektuellen Kräfte. Es entsteht eine Zusammenhanglosigkeit zwischen dem, was diese Seele in ihren unbewussten Untergründen ersehnt, und dem, was ihr die Kräfte aus der Region, in der Michael ist, geben können.

128. In dieser Zusammenhanglosigkeit besteht eine gesteigerte Möglichkeit für die luziferischen Mächte, den Menschen bei den kosmischen Kindheitskräften zurückzuhalten und ihn zur weiteren Entfaltung nicht auf den Wegen der göttlich-geistigen Mächte, mit denen er vom Anfang an verbunden war, sondern auf den luziferischen kommen zu lassen.

129. Es besteht die weitere gesteigerte Möglichkeit für die ahrimanischen Mächte, den Menschen von den kosmischen Kindheitskräften abzuschnüren und ihn für die weitere Entfaltung in ihren eigenen Bereich zu ziehen.

130. Beides ist nicht geschehen, weil die Michael-Kräfte doch tätig waren; aber die Geistesentwicklung der Menschheit musste unter den durch diese Möglichkeiten entstandenen Hemmungen geschehen und wurde dadurch, was sie bis jetzt geworden ist.

 

 

 

XLVIII

Hemmung und Förderung der Michael-Kräfte im

aufkommenden Zeitalter der Bewusstseinsseele.

Fortsetzung der zweiten Betrachtung.

Die Einverleibung der Bewusstseinsseele bewirkte durch ganz Europa hindurch auch eine Störung in den religiösen Bekenntnis- wie in den Kultuserlebnissen. Man sieht um die Wende des elften und zwölften Jahrhunderts eine deutliche Ankündigung dieser Störung in dem Auftauchen des »Gottesbeweises« (besonders durch Anselm von Canterbury). Die Existenz Gottes sollte durch Verstandesgründe bewiesen werden. Eine solche Sehnsucht konnte nur eintreten, als die alte Art, »Gott« mit den Kräften seiner Seele zu erleben, im Schwinden war. Denn, was man so erlebt, das beweist man nicht logisch.

Die vorige Art war, die wesenhaften Intelligenzen ‒ bis zur Gottheit hinauf ‒seelisch wahrzunehmen; die neue Art wurde die, auf intellektuelle Art über die »Urgründe« des Weltalls sich Gedanken auszubilden. Für die erstere Art hatte man in dem an den Erdbereich unmittelbar angrenzenden geistigen Bereich die Kräfte Michaels, welche die Seele hinter den auf das Sinnliche gerichteten Gedankenkräften mit Fähigkeiten ausrüsteten, das wesenhaft Intelligente im Weltall wahrzunehmen; für die zweite Art musste erst der Zusammenschluss der Seele mit den Michael-Kräften ausgebildet werden.

Im Kultgebiet kam von Wiclif in England (vierzehntesJahrhundert) bis zu Huss in Böhmen auf weiten Bereichen menschlichen religiösen Erlebens eine solche Mittelpunkts-Lehre, wie die Abendmahlslehre, ins Wanken. Im Abendmahl konnte der Mensch seine Verbindung mit der Geistwelt finden, die ihm durch Christus eröffnet war, denn er konnte mit dem Christus in seiner Wesenheit sich so vereinigen, dass die Tatsache der sinnlichen Vereinigung zugleich eine geistige war.

Vorstellen konnte das Bewusstsein der Verstandes- oder Gemütsseele diese Vereinigung. Denn diese Seele hatte sowohl von dem Geiste wie von der Materie noch Ideen, die sich nahe standen, so dassdie Eine (Materie) in den Andern (Geist) im Uebergange gedacht werden konnte. Solche Ideen dürfen aber nicht solch intellektualistische sein, die auch Beweise für das Dasein Gottes verlangen; es müssen solche sein, die noch etwas von der Imagination haben. Dadurch wird in der Materie der in ihr tätige Geist, in dem Geiste das Streben nach der Materie empfunden. Ideen dieser Art haben hinter sich die kosmischen Kräfte Michaels.

Man bedenke nur, wieviel in dieser Zeit für die Menschenseele ins Wanken kam! Wieviel von dem, was mit ihrem innersten heiligsten Erleben zusammenhing! Persönlichkeiten, in denen das Wesen der Bewusstseinsseele am hellsten aufstrahlte, die von einer Seelenverfassung waren, die sie mit den Michaelkräften in einer Stärke verband, die für die Andern erst nach Jahrhunderten kommen sollte, Huss, Wicliff u. a., traten auf. Sie machten aus der Michael-Stimme in ihrem Herzen heraus das Reifeder Bewusstseinsseele geltend, sich aufzuschwingen zum Ergreifen der tiefsten religiösen Geheimnisse. Sie fühlten: die Intellektualität, die mit der Bewusstseinsseele heraufzog, muss fähig sein, in den Bereich ihrer Ideen das einzubeziehen, was in alten Zeiten durch Imagination zu erreichen war.

Demgegenüber stand, dass die alte, geschichtlich überbrachte Stellung der Menschenseele in den weitesten Kreisen alle innere Kraft verloren hatte. Was man in der Geschichte die Uebelstände des Bekenntnislebens nennt, womit sich die grossen Reformkonzilien in dem Zeitalter der beginnenden Wirksamkeit der Bewusstseinsseele beschäftigten, das hängt alles mit dem Leben derjenigen Menschenseelen zusammen, die in sich die Bewusstseinsseele noch nicht fühlten, aber die in der überkommenen Verstandes- oder Gemütsseele auch nicht mehr etwas haben konnten, das ihnen innere Kraft und Sicherheit gab.

Man kann wirklich sagen, solche geschichtliche menschliche Erlebnisse, wie sie auf den Konzilien zu Konstanz, zu Basel, zutage traten, zeigen oben in der Geistwelt das Herabströmen der Intellektualität, die zu den Menschen will, und unten den Erdbereich mit der nicht mehr der Zeit entsprechenden Verstandes- oder Gemütsseele. Dazwischen schweben die Michael-Kräfte, zurückblickend auf ihre vergangene Verbindung mit dem Göttlich-Geistigen und hinunterblickend nach dem Menschlichen, das ebenso diese Verbindung hatte, das aber jetzt in eine Sphäre übergehen musste, in der ihm Michael vom Geiste aus helfen soll, das er aber selbst innerlich nicht mit sich vereinigen soll. In diesem Bestreben Michaels, das in der kosmischen Entwicklung notwendig ist, das aber zunächst doch eine Störung des Gleichgewichts im Kosmos bedeutet, liegt begründet, was die Menschheit in diesem Zeitalter auch in bezugauf die heiligsten Wahrheiten erleben musste.

Man schaut tief in das Charakteristische dieser Zeit hinein, wenn man den Kardinal Nicolaus Cusanus ins Auge fasst. (Man lese über ihn in meinem Buche: »Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens«.) Seine Persönlichkeit ist wie eine Merksäule der Zeit. Er möchte Ansichten zur allgemeinen Geltung bringen, die die Missstände der physischen Welt nicht in schwarmgeistigen Tendenzen bekämpfen, sondern durch den gesunden Menschensinn das, was aus dem Geleise gekommen ist, wieder in dieses zurückführen. Man sehe sein Wirken auf dem Basler Konzil und auch sonst innerhalb seiner kirchlichen Gemeinschaft,und man wird dieses bemerken.

Ist der Cusaner damit dem Umschwung der Entwicklung mit der Entfaltung der Bewusstseinsseele voll zugeneigt, so sieht man ihn andrerseits Anschauungen offenbaren, die Michaels Kräfte in leuchtender Art an sich zeigen. Er stellt in seine Zeit die guten alten Ideen hinein, die den Menschenseelensinn zur Entfaltung von Fähigkeiten für das Wahrnehmen der wesenhaften Intelligenzen im Kosmos führten, als Michael noch die Welt-Intellektualität verwaltete. Die »gelehrte Unwissenheit«, von der er spricht, ist ein über dem auf die Sinneswelt gerichteten Wahrnehmen gelegenes Begreifen, das das Denken über die Intellektualität ‒ das gewöhnliche Wissen ‒ hinaus in eine Region führt, wo ‒ im Unwissen ‒ dafür aber im erlebenden Schauen das Geistige erfasst wird.

So ist der Cusaner diejenige Persönlichkeit, die,in dem eigenen Seelenleben die Störung des kosmischen Gleichgewichtes durch Michael empfindend,intuitiv möglichst viel dazu beitragen möchte, dass diese Störung zum Heile der Menschheit hin orientiert werde.

Zwischen dem, was auf diese Art geistig zutagetrat, lebte im Verborgenen ein Anderes. Einzelne Persönlichkeiten, die Sinn und Verständnis für die Stellung der Michael-Kräfte im Weltenall hatten, wollten die Kräfte ihrer Seele so zubereiten, dass sie den bewussten Zugang zu dem an den Erdbereich angrenzenden Geistbereich fanden, in dem Michael seine Anstrengungen für die Menschheit macht.

Sie suchten sich die Berechtigung zu diesem geistigen Unterfangen dadurch zu erwerben, dass sie äusserlich im Leben beruflich und auch sonst sich so verhielten, dass ihr Dasein von dem anderer Menschen nicht zu unterscheiden war. Dadurch, dass sie so gegen das Irdische im ganz gewöhnlichen Sinne ihre Pflichten in Liebe vollführten, konnten sie das Innere ihres Menschentums frei dem gekennzeichneten Geistigen zuwenden. Was sie nach dieser Richtung taten, war ihre und derjenigen Sache, mit denen sie sich »im Geheimen« verbanden. Die Welt wurde mit Bezug auf das, was im Physischen geschah, zunächst scheinbar gar nicht von diesem Geiststreben berührt. Doch war dies alles notwendig, um die Seelen in die nötige Verbindung mit der Michael-Welt zu bringen. Es handelte sich nicht um »Geheimgesellschaften« in irgend einem schlimmen Sinne, nicht um irgend etwas, das das Verborgene aufsucht, weil es das Licht des Tages scheut. Es handelte sich vielmehr um das Zusammenfinden von Menschen, die in diesem Zusammenfinden sich überzeugen, dass, wer zu ihnen gehört, ein rechtes Bewusstsein der Michael-Mission hat. Die so Zusammenarbeitenden sprechen dann nicht von ihrer Arbeit vor denen, die durch Verständnislosigkeit nur ihre Aufgaben stören könnten. Diese Aufgaben lagen ja zunächst in dem Wirken in Geistesströmungen, die nicht innerhalb des irdischen Lebens verlaufen, sondern in der angrenzenden Geist-Welt, die aber in das irdische Leben ihre Impulse hineinwerfen.

Es ist damit auf die Geist-Arbeit von Menschen verwiesen, die innerhalb der physischen Welt stehen; aber die mit Wesen der Geist-Welt zusammenwirken; mit Wesen, die selbst nicht die physische Welt betreten, sich nicht in derselben verkörpern. Was ‒ recht wenig tatsachengemäss ‒ als die »Rosenkreutzer« vor der Welt genannt wird, darauf ist hier verwiesen. Das wahre Rosenkreutzertum liegt durchaus in der Linie der Wirksamkeit der Michael-Mission. Es half auf der Erde vorzubereiten, was er als seine Geistarbeit für ein späteres Zeitalter vorbereiten wollte.

Was damit geschehen konnte, wird man ermessen, wenn man den Sinn auf das Folgende lenkt.

Die Schwierigkeiten, ja Unmöglichkeiten Michaels in Menschenseelen hineinzuwirken, die charakterisiert worden sind, hängen damit zusammen, dass er selbst mit seinem Wesen in keinerlei Berührung mit der physischen Gegenwart des Erdenlebens kommen will. Er will in den Kräftezusammenhängen verbleiben, die für Geister seiner Art und für Menschen in der Vergangenheit bestanden haben. Jede Berührung mit dem, womit als im gegenwärtigen physischen Erdenleben der Mensch in Berührung kommen muss, könnte Michael nur als eine Verunreinigung seiner Wesenheit betrachten. Nun wirkt ja im gewöhnlichen Menschenleben das geistige Erleben der Seele in das physische Erdenleben herein, und umgekehrt,dieses wirkt auf jenes zurück. Ein Zurückwirken, das sich namentlich in der Stimmung des Menschen und in der Orientierung auf irgend etwas Irdisches hin zum Ausdruck bringt. Ein derartiges Ineinanderwirken ist in der Regel ‒ nicht immer ‒ insbesondere bei den Persönlichkeiten der Fall, die in der Oeffentlichkeit stehen. Daher waren die Hemmungen für Michaels Wirken bei manchen Reformatoren wirklich sehr gross.

Das Schwierige von dieser Seite bezwangen die Rosenkreutzer dadurch, dass sie ihr äusseres Leben im Sinne der Erdenpflichten ganz abseits hielten von ihrem Arbeiten mit Michael. Wenn dieser mit seinen Impulsen auf das aufstiess, was ein Rosenkreuzer in seiner Seele für ihn zubereitete, so fand er sich in keiner Weise der Gefahr ausgesetzt, auf Irdisches aufzutreffen. Denn dies ward ja eben von dem, was den Rosenkreutzer mit Michael verband, durch die besonders hergestellte Seelenverfassung ferngehalten.

Dadurch bildete für Michael das echte Rosenkreuzerwollen den auf der Erde befindlichen Weg zu seiner kommenden Erden-Mission.

 

Weitere Leitsätze die sich auf das Vorangehende beziehen.

131. Im beginnenden Zeitalter der Bewusstseinsseele will sich die im Menschen emanzipierte Intellektualität mit den Bekenntnis- und Kultuswahrheiten beschäftigen. Das menschliche Seelenleben muss dadurch ein Schwanken erleben. Man will Wesenhaftes, das vorher seelisch erlebt worden ist, logisch beweisen. Man will Kultusinhalte, die in Imaginationen ergriffen werden müssen, mit der logischen Schlussfolgerung ergreifen; ja sie nach dieser gestalten.

132. Das alles ist damit zusammenhängend, dass Michael unter allen Umständen jede Berührung mit der gegenwärtigen Erdenwelt, die der Mensch betreten muss, vermeiden will, dass er aber dennoch die kosmische Intellektualität, die er in der Vergangenheit verwaltet hat, weiter im Menschen geleiten soll. Dadurch entsteht durch die Michael-Kräfte eine dem Fortgang der Welt-Entwicklung notwendige Störung des kosmischen Gleichgewichtes.

133. Erleichtert wird Michael dadurch seine Mission, dass gewisse Persönlichkeiten ‒ die echten Rosenkreutzer ‒ ihr äusseres Erdenleben so einrichten, dass es mit gar nichts in ihr inneres Seelenleben hineinwirkt. Sie können dadurch in ihrem Innern Kräfte ausbilden, durch die sie im Geistigen mit Michael zusammenwirken, ohne dass dieser in die Gefahr kommt, in das gegenwärtige Erdengeschehen verstrickt zu werden, was ihm unmöglich wäre.

 

 

 

XLIX

Michaels Leid über die Menschheitsentwicklung vor der Zeit

seiner Erdenwirksamkeit.

Dritte Betrachtung.

Im weiteren Fortschritt des Bewusstseinszeitalters hört immer mehr die Möglichkeit der Verbindung Michaels mit der allgemeinen Menschenwesenheit auf. In dieser hält die vermenschlichte Intellektualität ihren Einzug. Aus dieser schwinden imaginative Vorstellungen, die wesenhafte Intelligenz im Kosmos dem Menschen zeigen können. Für Michael beginnt die Möglichkeit, an den Menschen heranzukommen, erst mit dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts. Vorher kann es nur auf solchen Wegen geschehen, die als die echt rosenkreuzerischen gesucht werden.

Der Mensch sieht mit seinem aufkeimenden Intellekt in die Natur. Er sieht dann eine physische, eine Aetherwelt, in denen er nicht drinnen ist. Er gewinnt durch die grossen Ideen der Kopernikus, Galileiein Bild der aussermenschlichen Welt; aber er verliert sein eigenes. Er sieht auf sich selbst und hat keine Möglichkeit, zu einer Einsicht darüber zu kommen, was er ist.

In den Tiefen seines Wesens wird das in ihm erweckt, was seine Intelligenz zu tragen bestimmt ist. Mit dem verbindet sich sein Ich. So trägt jetzt der Mensch ein Dreifaches in sich. Erstens: in seinem Geist-Seelenwesen als physisch-ätherisch erscheinend das, was ihn einstmals, schon in Saturn- und Sonnenzeit und dann immer wieder, in das Reich des Göttlich-Geistigen gestellt hat. Es ist dasjenige, wo Menschenwesen und Michaelwesen zusammengehen können. Zweitens trägt der Mensch in sich sein späteres physisches und ätherisches Wesen. Dasjenige, was ihm während Monden- und Erdenzeiten geworden ist. Das ist alles Werk und Wirksamkeit des Göttlich-Geistigen; aber dieses ist selbst darinnen nicht mehr lebendig anwesend.

Es wird erst wieder voll lebendig anwesend, als der Christus durch das Mysterium von Golgatha schreitet. In dem, was geistig in dem physischen und ätherischen Leib des Menschen wirkt, kann der Christus gefunden werden. Drittens hat der Mensch in sich denjenigen Teil seines Geistig-Seelischen, der in Monden- und Erdenzeiten neues Wesen angenommen hat. In diesem ist Michael tätig geblieben, während er in dem Mond und Erde zugewandten immer untätiger geworden ist. In diesem hat er dem Menschen sein Menschen-Götterbild erhalten.

Das konnte er bis zum Aufgange des Bewusstseinszeitalters. Dann versank gewissermassen das gesamte Geistig-Seelische des Menschen in das Physisch-Aetherische,um daraus die Bewusstseinsseele zu holen.

Dem Menschen stieg leuchtend im Bewusstsein auf, was ihm sein physischer Leib und sein ätherischer Leib über Physisches und Aetherisches in der Natur sagen konnten. Es versank vor seinem Schauen, was ihm astralischer Leib und Ich über sich selbst sagen konnten.

Eine Zeit steigt herauf, in der in der Menschheit das Gefühl auflebt, sie komme mit ihrer Einsicht nicht mehr an sich selbst heran. Ein Suchen nach der Erkenntnis der Menschenwesenheit beginnt. Man kann dieses nicht befriedigen durch das, was die Gegenwart vermag. Man geht historisch in frühere Zeiten zurück. Der Humanismus steigt in der Geistesentwicklung auf. Humanismus erstrebt man nicht, weil man den Menschen hat, sondern weil man ihn verloren hat. Solange man ihn hatte, hätte Erasmus von Rotterdam und andere aus einer ganz anderen Seelennuance gewirkt, als aus dem, was ihnen der Humanismus war.

In Faustfand später Goethe eine Menschengestalt auf, die ganz und gar den Menschen verloren hatte.

Immer intensiver wird dieses Suchen nach »dem Menschen«. Denn man hat nur die Wahl, sich abzustumpfen gegenüber dem Erfühlen des eigenen Wesens; oder die Sehnsucht nach ihm als ein Element der Seele zu entwickeln.

Bis in das neunzehnte Jahrhundert herein entwickeln die besten Menschen auf den verschiedensten Gebieten des europäischen Geisteslebens in verschiedenster Art Ideen ‒ historische, naturwissenschaftliche, philosophische, mystische ‒, die ein Streben darstellen, in dem, was intellektualistisch gewordene Weltanschauung ist, den Menschen zu finden.

Renaissance, geistige Wiedergeburt, Humanismus hasten, ja stürmen nach einer Geistigkeit in einer Richtung, in der sie nicht zu finden ist; Ohnmacht, Illusion, Betäubungnach der Richtung, in der man sie suchen muss. Dabei überall der Durchbruch der Michael-Kräfte, in der Kunst, in der Erkenntnis, in den Menschen herein, nur noch nicht in die auflebenden Kräfte der Bewusstseinsseele. ‒ Ein Schwanken des geistigen Lebens. Michael, alle Kräfte nach rückwärts in der kosmischen Entwicklung wendend, auf dass ihm Macht werde, den »Drachen« unter seinen Füssen im Gleichgewicht zu erhalten. Gerade unter diesen Machtanstrengungen Michaels entstehen die grossen Schöpfungen der Renaissance. Aber sie sind noch eine Erneuerung des Verstandes- oder Gemütsseelenhaften durch Michael, nicht ein Wirken der neuen Seelenkräfte.

Man kann Michael voll Sorge schauen, ob er auch in der Lage sei, den »Drachen« auf die Dauer zu bekämpfen, wenn er wahrnimmt, wie die Menschen auf dem einen Gebiete aus dem neu gewonnenen Naturbilde ein solches des Menschen gewinnen wollen. Michael sieht, wie die Natur beobachtet wird, und wie man aus dem, was man »Naturgesetze« nennt, ein Menschenbild formen will. Er sieht, wie man sich vorstellt, diese Eigenschaft eines Tieres werde vollkommener, jene Organverbindung werde harmonischer und dadurch »entstehe« der Mensch. Aber vor Michaels Geistesauge entsteht nicht »ein Mensch«, weil, was in Vervollkommnung, in Harmonisierung gedacht wird, eben nur »gedacht« wird; niemand kann schauen, dass es auch in Wirklichkeit wird, weil das eben nirgends der Fall ist.

Und so leben die Menschen mit solchem Denken vom Menschen in wesenlosen Bildern, in Illusionen; sie jagen einem Menschenbilde nach, das sie nur glauben zu haben; aber in Wahrheit ist nichts in ihrem Gesichtsfelde. »Die Kraft der Geistessonne bescheinet ihre Seelen, Christus wirkt; aber sie können dessen noch nicht achten. Bewusstseinsseelenkraft waltet im Leibe; sie will noch nicht in die Seele.« So etwa kann man die Inspiration hören, die da Michael spricht aus banger Sorge. Ob denn nicht etwa die Illusionskraft in den Menschen dem »Drachen« soviel Macht geben werde, dass ihm ‒ Michael ‒ die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts eine Unmöglichkeit sein werde.

Andere Persönlichkeiten suchen mit mehr innerlich-künstlerischer Kraft die Natur mit dem Menschen in Eins zu empfinden. Gewaltig klingt das Wort, das Goethe gesprochen hat, als er Winckelmanns Wirken in einem schönen Buche charakterisierte: »Wenn die gesunde Natur des Menschen als ein Ganzes wirkt, wenn er sich in der Welt als in einem grossen, schönen, würdigen und werten Ganzen fühlt, wenn das harmonische Behagen ihm ein reines, freies Entzücken gewährt; dann würde das Weltall, wenn es sich selbst empfinden könnte, als an sein Ziel gelangt, aufjauchzen und den Gipfel des eigenen Werdens und Wesens bewundern.« Was Lessing mit Feuergeistigkeit anregte, was in Herder den grossen Weltblick beseelte: es klingt in diesem Goethewort. Und Goethes ganzes eigenes Schaffen ist wie allseitige Offenbarung dieses seines Wortes. Schiller hat in den »AesthetischenBriefen« einen idealen Menschen geschildert, der so, wie es in diesem Worte klingt, das Weltall in sich trägt und es im sozialen Zusammenschluss mit anderen Menschen verwirklicht. Aber woher stammt dieses Menschenbild? Es leuchtet wie die Morgensonne über der Frühlingserde. Aber in die Menschenempfindung ist es aus der Betrachtung des griechischen Menschen eingezogen. Menschen hegten es mit starkem inneren Michael-Impuls; aber sie konnten diesen Impuls nur ausgestalten, indem sie den Seelenblick in die Vorzeit versenkten. Goethe empfand ja, indem er den »Menschen« erleben wollte, die stärksten Konflikte mit der Bewusstseinsseele. In Spinozas Philosophie suchte er ihn; während der italienischen Reise, als er in griechisches Wesen hineinblickte, glaubte er ihn erst recht zu ahnen. Er eilte von der Bewusstseinsseele, die in Spinoza strebt, doch zuletzt zur verglimmenden Verstandes- oder Gemütsseele. Er kann nur unbegrenzt viel von dieser in die Bewusstseinsseele in seiner umfassenden Naturanschauung herübertragen.

Ernst schaut Michael auch auf dieses Suchen nach dem Menschen. Was nach seinem Sinne ist, kommt ja wohl in die menschliche Geistesentwicklung hinein; es ist der Mensch, der einst das wesenhaft Intelligente geschaut hat, als es Michael noch aus dem Kosmos heraus verwaltet hat. Aber das müsste, wenn es nicht von der vergeistigten Kraft der Bewusstseinsseele erfasst würde, zuletzt Michaels Wirken entfallen und unter Luzifers Macht gelangen. Dass Luzifer in dem Schwanken der kosmisch-geistigen Gleichgewichtslage die Obermacht gewinnen könne, das ist die andere bange Sorge in dem Leben Michaels.

Michaels Vorbereitung seiner Mission für das Ende des neunzehnten Jahrhunderts strömt in kosmischer Tragik dahin. Unten auf Erden herrscht oft tiefste Befriedigung über das Wirken des Naturbildes; im Gebiete, da Michael wirkt, waltet Tragik über die Hemmnisse, die sich dem Einleben des Menschenbildes entgegenstellen.

Ehedem lebte in dem Strahlen der Sonne, in dem Schimmern der Morgenröte, in dem Funkeln der Sterne Michaels herbe, vergeistigte Liebe; jetzt hatte diese Liebe am stärksten die Note des leiderweckenden Hinschauens auf die Menschheit angenommen.

Michaels Situation im Kosmos wurde eine tragisch-schwierige, aber auch zu einer Lösung drängende gerade in dem Zeitabschnitte, der seiner Erdenmission voranging. Die Menschen konnten die Intellektualität nur im Bereich des Leibes und da nur der Sinne halten. Sie nahmen daher auf der einen Seite nichts in ihre Einsicht auf, was ihnen nicht die Sinne sagten; die Natur wurde ein Feld der Sinnesoffenbarung, aber diese Offenbarung ganz materiell gedacht. In den Naturformen vernahm man nicht mehr das Werk des Göttlich-Geistigen, sondern etwas, das geistlos da ist und von dem man doch behauptete, dass es das Geistige, in dem der Mensch lebt, hervorbringt. Auf der andern Seite wollten von einer Geisteswelt die Menschen nur noch das annehmen, wovon die historischen Nachrichten sprachen. Ein Schauen des Geistes nach der Vergangenheit wurde so streng verpönt wie ein solches in die Gegenwart.

Es lebte nur noch das in des Menschen Seele, das aus dem Gegenwartsgebiete kommt, das Michael nicht betritt. Der Mensch ward froh, auf »sicherm«Boden zu stehen. Den glaubte er zu haben, weil er nichts von Gedanken, in denen er sogleich Phantasiewillkür fürchtete, in der »Natur« suchte. Michael aber war nicht froh; er musste jenseits vom Menschen, in seinem eigenen Gebiet,den Kampf gegen Luzifer und Ahriman führen. Das ergab die grosse tragische Schwierigkeit, weil Luzifer um so leichter an den Menschen herankommt, je mehr Michael, der ja auch das Vergangene bewahrt, sich von dem Menschen abhalten muss. Und so spielte sich ein heftiger Kampf Michaels mit Ahriman und Luzifer in der an die Erde unmittelbar angrenzenden geistigen Welt für den Menschen ab, während dieser im Erdbereich selbst gegen das Heilsame seiner Entwicklung seine Seele in Tätigkeit hielt.

Alles dieses gilt selbstverständlich für das europäische und amerikanische Geistesleben. Für das asiatische müsste anders gesprochen werden.

Weitere Leitsätze mit Bezug auf die vorangehende dritte Betrachtung: Michaels Leid über die Menschheitsentwicklung vor der Zeit seiner Erdenwirksamkeit.

134. In der allerersten Zeit der Bewusstseinsseelenentwicklung erfühlt der Mensch, wie ihm das vorher imaginativ gegebene Bild der Menschheit, seiner eigenen Wesenheit, verloren gegangen ist. Ohnmächtig, es in der Bewusstseinsseele schon zu finden, sucht er es auf naturwissenschaftlichem oder historischem Wege. Er möchte in sich das alte Menschheitsbild wieder erstehen lassen.

135. Man gelangt dadurch nicht zu einem wirklichen Erfülltsein mit der menschlichen Wesenheit, sondern nur zu Illusionen. Aber man bemerkt es nicht; und sieht darin etwas die Menschheit Tragendes.

136. So muss Michael in der Zeit, die seiner Erdenwirksamkeit vorangeht, mit Sorge und in Leid auf die Menschheitsentwicklung sehen. Denn die Menschheit verpönt jede Geistesbetrachtung und schneidet sich dadurch alles ab, was sie mit Michael verbindet.

 

 

L

Eine Weihnachtsbetrachtung:

Das Logos-Mysterium.

In die Betrachtung des Michael-Mysteriums strahlte die des Mysteriums von Golgatha herein. Das ist durch die Tatsache gegeben, dass Michael die Macht ist, die den Menschen in der ihm heilsamen Art an den Christus herangeleitet.

Aber die Michael-Mission ist eine solche, die sich im kosmischen Menschheitswerden in rhythmischer Folge wiederholt. Man hatte sie in ihrer wohltätigen Wirkung auf die Erdenmenschheit wiederholt vor dem Mysterium von Golgatha. Da hing sie zusammen mit alle dem, was die noch ausserirdische Christus-Kraft zur Entfaltung der Menschheit für die Erde tätig zu offenbaren hatte. Nach dem Mysterium von Golgatha wird sie dem dienstbar, was durch Christus der Erdenmenschheit geschehen soll. Sie tritt in abgewandelter und fortschreitender Form in ihren Wiederholungen auf, aber eben in Wiederholungen.

Dem gegenüber ist das Mysterium von Golgatha ein alles übergreifendes kosmisches Ereignis, das nur einmal stattfindet im Laufe der ganzen kosmischen Menschheitsentwicklung.

Als die Menschheit bis zur Entfaltung der Verstandes- oder Gemütsseele vorgeschritten ist, da macht sich die fortwirkende Gefahr der schon urzeitlich veranlagten Herauslösung des Menschheitswesens aus dem Wesen des Göttlich-Geistigen erst voll geltend.

Und in demselben Masse, in dem die Menschenseele das Mit-Erleben mit den göttlich-geistigen Wesenheiten verliert, taucht um sie herum das auf, was man heute »Natur« nennt.

Der Mensch schaut nicht mehr das Menschenwesenhafte in dem göttlich-geistigen Kosmos; er schaut das Werk des Göttlich-Geistigen im Irdischen. Er schaut es zunächst nicht in der abstrakten Form, in der es heute geschaut wird: sinnlich-physische Wesen und Geschehnisse, die durch diejenigen abstrakten Ideen-Inhalte zusammengehalten werden, die man »Naturgesetze« nennt. Er schaut es als göttlich-geistiges Wesen. Dieses göttlich-geistige Wesen wogt auf und ab in allem, was er als Entstehen und Vergehen der tierischen Lebewesen, im Wachsen und Sprossen der Pflanzenwelt sieht, was er in Quell- und Flusstätigkeit, in Wind- und Wolkenbildung gewahr wird. All diese Wesenhaftigkeiten und Vorgänge um ihn herum sind ihm die Geberden, die Taten, sind ihm die Sprache des Götterwesens, das der »Natur« zugrunde liegt.

Wie dereinst in den Sternenstellungen und Sternenbewegungen die Taten, Geberden der Weltengötterwesen von dem Menschen geschaut wurden, wie ihre Worte darinnen gelesen wurden, so wurden nunmehr die »Naturtatsachen« der Ausdruck für die Erdgöttin. Denn diein der Natur wirksame Göttinwurde weiblich vorgestellt.

Reste dieser Vorstellungsart als imaginative Erfüllung der Verstandes- oder Gemütsseele waren noch bis weit herein ins Mittelalter in den Menschenseelen tätig.

Die Erkennenden sprachen von den Taten der »Göttin«, wenn sie das »Naturgeschehen« zum Begreifen bringen wollten. Erst mit dem allmählichen Heraufkommen der Bewusstseinsseele ist diese lebendige, innerlich beseelte Naturbetrachtung für die Menschheit unverständlich geworden.

Und die Art, wie im Zeitalter der Verstandes- oder Gemütsseele nach dieser Richtung hin geschaut wurde, erinnert an den Persephone-Mythos mit dem ihm zugrunde liegenden Mysterium.

Die Tochter der Demeter, Persephone, wird von dem Gotte der Unterwelt gezwungen, ihm in sein Reich zu folgen. Es kommt das schliesslich in der Form zustande, dass sie nur die Hälfte des Jahres in der Unterwelt zubringt, die andere auf der Oberwelt verweilt.

Gewaltig gross drückt dieser Mythos noch aus, wie man einst in urferner Vergangenheit in traumhaftem Hellsehen all das Werden des Irdischen erkennend durchschaut hat.

Alles Weltenwirken ging in Urzeiten von der Erden-Umgebung aus. Die Erde war selber erst im Entstehen. Sie bildete ihr Wesen in der kosmischen Entwicklung aus dem Wirken ihrer Umgebung heraus. Die göttlich-geistigen Wesen des Kosmos waren die an ihrem Wesen Schaffenden. ‒ Als sie weit genug war, ein selbständiger Weltkörper zu werden, da stieg Göttlich-Geistiges aus dem allgemeinen Kosmos auf sie hernieder, und wurde Erdengottheit. Diese kosmische Tatsache hat das traumhafte Hellsehen alter Menschheit erkennend durchschaut; von dieser Erkenntnis ist der Persephone-Mythos geblieben; aber es ist auch geblieben, wie man bis tief ins Mittelalter hinein die »Natur« erkennend zu durchdringen suchte. Denn man schaute da noch nicht wie später nach den Sinnes-Eindrücken, das heisst nach dem, was an der Oberfläche des Irdischen erscheint, sondern nach den Kräften, die aus den Tiefen der Erde zur Oberfläche herauf wirken. ‒ Und diese »Tiefenkräfte«, die »Kräfte der Unterwelt«, schaute man in Wechselwirkung mit den Sternen- und Elementen-Wirkungen der Erden-Umgebung.

Da wachsen die Pflanzen in ihren mannigfaltigen Formen, da offenbaren sie sich in ihrer bunten Farben-Erscheinung. Darinnen wirken die Sonnen-, Monden- und Sternenkräfte mit den Kräften der Erdentiefe zusammen. Die Grundlage gaben dafür ab die Mineralien, die schon ganz durch das ihr Wesen haben, was von Weltenwesen irdisch geworden ist. Das Gestein spriesst durch die irdisch gewordenen Himmelskräfte allein aus der »Unterwelt« herauf. Die Tierwelt hat die Kräfte der »Erdentiefe« nicht angenommen. Sie entsteht allein durch die aus der Erden-Umgebung wirksamen Weltenkräfte. Sie verdankt ihr Werden, Wachsen, Spriessen, ihre Ernährungsfähigkeit, ihre Bewegungsmöglichkeiten den auf die Erde einströmenden Sonnenkräften. Sie kann sich fortpflanzen unter dem Einfluss der auf die Erde einströmenden Mondenkräfte. Sie erscheint in vielen Formen und Arten, weil aus dem Weltall herein die Sternen-Stellungen in der mannigfaltigsten Art gestaltend auf das Tierleben wirken. Aber die Tiere sind vom Weltall auf die Erde nur hereingestellt. Sie nehmen nur mit ihrem dumpfen Bewusstseinsleben an dem Irdischen teil; mit ihrer Entstehung, ihrem Wachsen, mit allem, was sie sind, damit sie wahrnehmen und sich bewegen können, sind sie keine Erdenwesen.

Diese grossangelegte Idee von dem Werden der Erde lebte dereinst in der Menschheit. Was davon in das Mittelalter hereinragt, lässt nur in geringem Masse dieses Gross-Angelegte noch erkennen. Man muss, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, mit dem Blick der schauenden Erkenntnis in sehr alte Zeiten zurückgehen. Denn auch aus den vorhandenen physischen Dokumenten ist nur für den zu ersehen, was in den Seelen der Menschen vorhanden war, der dies auf geistgemässe Art durchschauen kann.

Nun ist der Mensch nicht in der Lage, sich der Erde so ferne zu halten wie die Tierheit. Indem man dieses ausspricht, tritt man an das Mysterium der Menschheit ebenso wie an das der Tierheit heran. Diese Mysterien spiegeln sich in dem Tierkult der alten Völker, vor allem der Aegypter. In den Tieren sah man Wesen, die Gäste der Erde sind, an denen man Wesen und Wirksamkeit der geistigen Welt, die an die irdische angrenzt, schauen kann. Und in der Verbindung der Menschengestalt mit der tierischen, die man in Bildern darstellte, vergegenwärtigte man sich die Gestalten derjenigen elementarischen Zwischenwesen, die wohl im Weltenwerden auf dem Wege zur Menschheit sind, aber in das Irdische nicht eintreten, um nicht Menschen zu werden. Solche elementarische Zwischenwesen sind vorhanden. Die Aegypter gaben nur ihr Schauen wieder, indem sie sie abbildeten. Aber solche Wesen haben nicht das volle Selbstbewusstsein des Menschen. Um das zu erlangen, musste der Mensch die irdische Welt in solch vollständiger Art betreten, dass er vom Erdenwesen in sein Wesen etwas aufnahm.

Er musste dem ausgesetzt werden, dass in dieser irdischen Welt das Werk der ihm verbundenen göttlich-geistigen Wesen vorliegt, aber eben nur deren Werk. Und weil nur das vom Ursprunge losgelöste Werk vorliegt, so haben in dieses Zutritt die luziferischen und ahrimanischen Wesenheiten. Es ergibt sich damit für den Menschen die Notwendigkeit, das von Luzifer und Ahriman durchsetzte Werk zum Orte eines Teiles seiner Lebensgestaltung ‒ der irdischen ‒ zu machen.

Es ist dies so lange ohne die bleibende Loslösung des Menschlichen von seinem ursprünglichen Göttlich-Geistigen möglich, als der Mensch noch nicht zur Entfaltung seiner Verstandes- oder Gemütsseele fortgeschritten ist. Da findet im Menschen eine Korrumpierung seines physischen, seines ätherischen und astralischen Leibes statt. Eine ältere Wissenschaft kennt diese Korrumpierung als etwas, das in der Menschenwesenheit lebt. Man weiss, dass sie notwendig ist, damit das Bewusstsein zum Selbstbewusstsein im Menschen vorrücken könne. In der Erkenntnispflege, die an den Stätten stattgefunden hat, die von Alexander dem Grossen der Wissenschaft gegeben worden sind, lebte ein Aristotelismus, der, richtig verstanden, diese Korrumpierung als ein massgebendes Element seiner Seelenwissenschaft in sich trägt. Solche Ideen wurden nur später in ihrer inneren Wesenheit nicht mehr durchdrungen.

In den Zeiten vor der Entwicklung der Verstandes- oder Gemütsseele war der Mensch dennoch mit den Kräften seines göttlich-geistigen Ursprunges so verwoben, dass diese Kräfte von ihrem kosmischen Orte aus die auf Erden an ihn herandringenden luziferischen und ahrimanischen Mächte im Gleichgewichte halten konnten. Da war von menschlicher Seite aus Genüge geschehen zur Mitwirkung an diesem Gleichgewichte, wenn in Kult- und Mysterienhandlung das Bild des in Luzifers und Ahrimans Reich untertauchenden und wieder siegreich hervorgehenden göttlich-geistigen Wesens entfaltet wurde. Man sieht daher in den Zeiten, die dem Mysterium von Golgatha vorangingen, in den Völkerkulten bildhafte Darstellungen dessen, was dann im Mysterium von Golgatha eine Wirklichkeit wurde.

Als die Verstandes- oder Gemütsseele entfaltet war, konnte die Menschenwesenheit nur durch die Wirklichkeit vor der Loslösung von ihren göttlich-geistigen Wesenheiten bewahrt bleiben. Es musste in die während des irdischen Daseins vom Irdischen lebende Organisation der Verstandes- oder Gemütsseele auch im Irdischen innerlich das Göttliche als Wesenheit eintreten. Das geschah dadurch, dass der göttlich-geistige Logos, Christus, für die Menschheit sein kosmisches Schicksal mit der Erde verband.

Persephone ist in das Irdische untergetaucht, um die Pflanzenwelt davon zu befreien, bloss vom Irdischen sich bilden zu müssen. Das ist der Niederstieg eines göttlichgeistigen Wesens in die Natur der Erde. Auch Persephone hat ja eine Art »Auferstehung«, aber jährlich in rhythmischer Folge.

Diesem Ereignis, das als kosmisches auf Erden geschieht, steht gegenüber der Niederstieg des Logos für die Menschheit. Persephone steigt nieder, um die Natur in ihre ursprüngliche Orientierung zu bringen. Da muss Rhythmus zugrunde liegen; denn das Geschehen der Natur erfolgt im Rhythmus. Der Logos steigt nieder in die Menschheit. Es geschieht das einmal während der Entwicklung der Menschheit. Denn diese Entwicklung ist nur ein Glied in einem gigantischen Weltenrhythmus, in dem die Menschheit vor ihrem Mensch-Sein etwas ganz anderes als Menschheit war, und nach demselben etwas ganz anderes sein wird, während ja das Pflanzenleben in kurzen Rhythmen als solches sich wiederholt.

Das Mysterium von Golgatha in diesem Lichte zu sehen, das hat die Menschheit vom Bewusstseinszeitalter an nötig. Denn es wäre schon im Zeitalter der Verstandes- oder Gemütsseele die Loslösung des Menschen als Gefahr vorhanden gewesen, wenn nicht das Mysterium von Golgatha erfolgt wäre. Im Zeitalter der Bewusstseinsseele müsste eine völlige Verdunkelung der Geisteswelt für den Menschen in seinem Bewusstsein eintreten, wenn nicht die Bewusstseinsseele sich so weit erkraften könnte, dass sie zu ihrem göttlich-geistigen Ursprung in Einsicht zurückblickte. Kann sie das aber, so findet sie den Weltenlogos als die Wesenheit, die sie zurückführen kann. Sie durchdringt sich mit dem gewaltigen Bilde, das offenbart, was auf Golgatha geschehen ist.

Und der Beginn dieses Verständnisses ist die liebevolle Erfassung der Welten-Weihe-Nacht, an die jedes Jahr festlich erinnert wird. Denn die Erkraftung der Bewusstseinsseele geschieht ja dadurch, dass sie, die zunächst die Intellektualität aufnimmt, in dieses kälteste Seelen-Element die warme Liebe einziehen lässt. Jene warme Liebe, die am erhabensten strömt, wenn sie dem Jesus-Kinde gilt, das in der Welten-Weihe-Nacht auf Erden erscheint. Damit hat der Mensch die höchste irdische Geistes-Tatsache, die zugleich eine physische war, auf seine Seele wirken lassen; er hat sich auf den Weg begeben, den Christus in sich aufzunehmen.

Die Natur muss so erkannt werden, dass sie in Persephone oder dem Wesen, auf das man noch im frühen Mittelalter geschaut hat, wenn man von »Natur« gesprochen hat, die göttlich-geistige Ursprungs- und ewige Kraft offenbart, aus der sie entstanden ist und fortdauernd entsteht als die Grundlage des irdischen Menschendaseins.

Die Menschenwelt muss so erkannt werden, dass sie in Christus den Ursprungs- und ewigen Logos offenbart, der im Bereich der mit dem Menschen ursprünglich verbundenen göttlich-geistigen Wesenheit zur Entfaltung der Geist-Wesenheit des Menschen wirkt.

In Liebe das Menschenherz zu diesen grossen kosmischen Zusammenhängen zu lenken, das ist der rechte Inhalt jener Festes-Erinnerung, die im Hinblicken auf die Welten-Weihe-Nacht jedes Jahr an den Menschen herantritt. Lebt solche Liebe im Menschenherzen, dann durchfeuert sie das kalte Licht-Element der Bewusstseinsseele. Müsste diese ohne diese Durchfeuerung verbleiben: der Mensch käme nie zu ihrer Durchgeistigung. Er erstürbe in der Kälte des intellektuellen Bewusstseins; oder er müsste in einem Geistesleben verbleiben, das nicht zur Entfaltung der Bewusstseinsseele fortschreitet. Er würde dann in der Entfaltung der Verstandes- oder Gemütsseele stehen bleiben.

Aber ihrem Wesen nach ist die Bewusstseinsseele nicht kalt. Sie scheint es nur im Anfange ihrer Entfaltung, weil sie da erst das Lichtvolle ihres Inhaltes offenbaren kann, noch nicht die Weltenwärme, aus der sie ja doch stammt.

Weihnachten in dieser Art empfinden und erleben, kann in der Seele gegenwärtig machen: wie die Glorie der in Sternenweiten ihre Abbilder offenbarenden göttlich-geistigen Wesen sich vor dem Menschen verkündigeund wie die Befreiung des Menschen innerhalb der Erdenstätte von den Mächten geschieht, die ihn von seinem Ursprunge entfernen wollen.

Leitsätze mit Bezug auf die vorangehende Weihnachtsbetrachtung.

137. Die Tätigkeit in der Welt- und Menschheits-Entwicklung, die durch die Michael-Kräfte zustande kommt, wiederholt sich rhythmisch, wenn auch in abgeänderter und fortschreitender Form vor und nach dem Mysterium von Golgatha.

138. Das Mysterium von Golgatha ist das einmalige grösste Ereignis innerhalb der Menschheits-Entwicklung. Da kann nicht von einer rhythmischen Wiederholung die Rede sein. Denn wenn auch diese Menschheits-Entwicklung in einem gewaltigen Weltenrhythmus drinnensteht, so ist sie doch eben das weitausgedehnte Eine Glied in diesem Rhythmus. Bevor sie dieses Eine Glied wurde, war die Menschheit etwas wesentlich anderes als Menschheit; nachher wird sie wieder etwas anderes sein. Es finden also während der Menschheitsentwicklungviele Michael-Ereignisse, aber nur Ein Ereignis von Golgatha statt.

139. In der schnellen rhythmischen Wiederholung eines Jahrlaufes vollzieht das göttlich-geistige Wesen, das zur Durchgeistigung des Naturgeschehens in die Erdentiefen niedergestiegen ist, dieses Geschehen. Es stellt die Durchseelung der Natur mit den Ursprungs- und ewigen Kräften dar, die wirksam bleiben müssen, wie der herabgestiegene Christus die Durchseelung der Menschheit mit dem Ursprungs- und ewigen Logos darstellt, der zum Heile der Menschheit mit seiner Wirksamkeit niemals aufhören soll.

   

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