top of page

Achtes Bild.

Dieselbe Tempelszenerie wie im siebten Bild; sie ist anfangs durch einen Zwischenvorhang gedeckt, vor dem eine Ägypterin das Folgende spricht. Die Ägypterin ist als eine der vorhergehenden Inkarnationen des Thomasius zu denken.

Die Ägypterin:

Dies ist die Zeit, in welcher er sein Sein

dem uralt’ heiligen Weisheitsdienste weiht, ‒

und mir für immer sich entreißen muß.

Aus jenen Lichteshöhn, in die er sich

mit seiner Seele wendet, muß der meinen

der Todesstrahl erscheinen; ‒ ohne ihn ‒

ist Trauer nur für mich, Entsagung, Leid

im Erdenfeld zu finden, ‒ und der Tod ‒ ‒.

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

   Verlässt mich er in dieser Stunde auch,

will ich mich doch ganz nah dem Orte halten,

in dem er sich dem Geiste anvertraut.

Darf ich mit meinen Augen auch nicht schauen,

wie er der Erde sich entringen wird ‒ ‒;

vielleicht lässt Traumes Offenbarung mich

im Ahnen geistig jetzt bei ihm verweilen.

Der Zwischenvorhang geht auf. Man erblickt alles vor­bereitet zur Initiation des Neophyten, der als eine frühere Inkarnation der Maria gedacht ist; an der einen Seite des Opferaltars steht der höchste Opferweise, der als eine frühere Inkarnation des Benedictus gedacht ist; an der andern Seite des Altars der Wortebewahrer, eine frü­here Inkarnation des Hilarius Gottgetreu; etwas vor dem Altar der Siegelbewahrer, eine frühere Inkarnation der Theodora; dann auf der einen Altarseite nach vorn: der Vertreter des Erdelementes, eine frühere Inkarnation des Romanus; der Vertreter des Luftelementes, eine frühere Inkarnation des Magnus Bellicosus; ganz nahe dem höch­sten Opferweisen der Opferweise, eine frühere Inkarna­tion des Capesius; auf der anderen Seite der Vertreter des Feuerelementes, eine frühere Inkarnation des Doktor Stra­der; der Vertreter des Wasserelementes, eine frühere In­karnation des Torquatus. Vorne Philia, Astrid, Luna und die »andre Philia«. Ganz vorn in Sphinxgestalt Lucifer und Ahriman, Lucifer so, daß der Cherub mehr betont ist, Ahriman so, daß der Stier mehr betont ist. Vier andre Priester stehen vorne. Nachdem der Tempelraum mit den Mysten sichtbar geworden ist, eine Weile lautlose Stille; dann führen der Schwellenhüter, eine frühere Inkarna­tion des Felix Balde, und der Myste, eine frühere Inkar­nation der Frau Balde, den Neophyten durch die Pforte links ein. Sie stellen ihn in den inneren Kreis in die Nähe des Altars. Die beiden Einführer bleiben in seiner Nähe stehen.

Der Schwellenhüter:

Aus jenem Scheingewebe, das du Welt

in deines Irrtums Finsternis genannt,

hat dich der Myste uns hieher gebracht. ‒

Es war die Welt aus Sein und Nichts gewoben,

die dir im Weben sich zum Schein gebildet.

Der Schein ist gut, wenn er vom Sein erschaut;

doch du erträumtest ihn im Scheinesleben;

und Schein vom Schein erkannt, entsinkt dem All. ‒

Du, Schein des Scheines, lerne dich erkennen.

Der Myste:

So spricht, der dieses Tempels Schwelle hütet,

erleb’ in dir des Wortes Schwergewicht.

Der Vertreter des Erdelements:

Im Schwergewicht des Erdeseins ergreif’

den Schein des eignen Wesens schreckenlos,

daß du versinken kannst in Weltentiefen ‒ ‒.

in Weltentiefen such’ das Sein im Finstern;

verbinde, was du findest, deinem Schein;

im Lasten wird es dir das Sein gewähren.

Der Wortbewahrer:

Verstehn, wohin wir dich im Sinken führen,

du wirst es erst, wenn du sein Wort befolgst.

Wir schmieden deines eignen Wesens Form;

erkenne unser Werk, du müsstest dich

im Weltennichts als Schein sonst völlig lösen.

Der Myste:

So spricht, der dieses Tempels Worte hütet,

erleb’ in dir der Worte Schwergewicht.

Der Vertreter des Luftelements:

Dem Schwergewicht des Erdeseins entflieh’;

es tötet deines Selbstes Sein im Sinken.

Enteile ihm mit Lüfteleichtigkeit. ‒

In Weltenweiten such’ das Sein im Leuchten:

verbinde, was du findest, deinem Schein;

im Fluge wird es dir das Sein gewähren.

Der Wortbewahrer:

Verstehn, wohin wir dich im Fluge führen,

du wirst es erst, wenn du sein Wort befolgst.

Wir leuchten dir in deines Wesens Leben;

erkenne unser Werk; du müsstest dich

im Weltgewicht als Schein sonst völlig lösen.

Der Myste:

So spricht, der dieses Tempels Worte hütet,

erleb’ in dir der Worte Schwingekraft.

Der höchste Opferweise:

Mein Sohn, du wirst auf edlem Weisheitspfade

der Mysten Worte sinngerecht befolgen. ‒

In dir kannst du die Antwort nicht erschau’n.

Denn finstrer Irrtum lastet noch in dir;

und Torheit strebt in dir nach Weltenfernen.

Drum schau ‒ in diese Flamme, die dir näher

(es entzündet sich die helleuchtende, züngelnde Opferflamme, die sich

auf dem Altar, der in der Mitte steht befindet.)

als deines eignen Wesens Leben ist.

Und lies die Antwort aus dem Feuer dir.

Der Myste:

So spricht, der dieses Tempels Opfer leitet,

erleb’ in dir des Opfers Weihekraft.

Der Vertreter des Feuerelements:

Den Irrtum deines Selbstsinns lass’ verbrennen

im Feuer, das im Opfer dir entzündet.

Verbrenne selbst mit deines Irrtums Stoff. ‒

Im Weltenfeuer such’ dein Sein als Flamme;

verbinde, was du findest, deinem Schein.

Im Brennen wird es dir das Sein gewähren.

Der Siegelbewahrer:

Verstehn, warum wir dich zur Flamme bilden,

du wirst es erst, wenn du sein Wort befolgst.

Wir läutern deines eignen Wesens Form. ‒

Erkenne unser Werk, du müsstest dich

im Weltenwasser formlos sonst verlieren.

Der Myste: 

So spricht, der dieses Tempels Siegel hütet,

Erleb’ in dir der Weisheit Lichteskraft.

Der Vertreter des Wasserelements:

Der Flammenmacht der Feuerwelt verwehre,

des Eigenseins Gewalt dir aufzuzehren.

Der Schein ersteht zum Sein dir anders nicht,

als wenn des Weltenwassers Wellenschlag

dich mit dem Sphärenton durchdringen kann.

Im Weltenwasser such’ das Sein als Welle;

verbinde, was du findest, deinem Schein.

im Wogen wird es dir das Sein gewähren.

Der Siegelbewahrer:

Verstehn, warum wir dich als Welle bilden,

du wirst es erst, wenn du sein Wort befolgst.

Wir bilden deines eignen Wesens Form;

erkenne unser Werk, du müsstest dich

im Weltenfeuer formlos sonst verlieren.

Der höchste Opferweise:

Mein Sohn, du wirst mit starker Willenskraft

auch dieser Mysten Worte recht befolgen.

In dir kannst du die Antwort nicht erschauen.

In feiger Furcht erfriert noch deine Macht;

die Schwäche kannst du nicht zur Welle bilden,

die dich im Sphärenreich erklingen lässt.

Drum höre deine Seelenkräfte sprechen;

erkenn’ in ihrem Wort die eigne Stimme.

Philia:

Im Feuer läut’re dich; ‒ ‒ als Weltenwelle

verliere dich im Ton der Geistessphären.

Astrid:

Erbilde dich im Ton der Geistessphären; ‒

in Weltenfernen fliege lüfteleicht.

Luna:

In Weltentiefen sinke erdeschwer;

erkühne dich als Selbst im Schwergewicht.

Die andre Philia:

Entferne dich aus deinem Eigensein;

vereine dich der Elemente Macht.

Der Myste: 

So spricht im Tempel deine eigne Seele,

erleb’ in ihm der Kräfte Lenkemacht.

Der höchste Opferweise:

Gefährte Opferweiser, diese Seele,

die wir zum Weisheitspfade führen sollen,

ergründ’ in ihren Tiefen, ‒ künde uns,

was du erschaust als ihre Gegenwart.

Der Opferweise:

Es ist geschehn, was unsrem Opfer frommt.

Die Seele hat vergessen, was sie war.

Der Elemente Widersprüche haben

des Irrtums Scheingewebe ihr getilgt;

der lebt im Streit der Elemente fort.

Gerettet hat die Seele nur ihr Wesen.

Und was im Wesen lebt, sie soll es lesen

im Weltenwort, das aus der Flamme spricht.

Der höchste Opferweise:

So lies, du Menschenseele, was die Flamme

als Weltenwort im Innren dir verkündet.

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

(Es tritt eine längere Pause ein, während welcher es ganz dunkel wird, ‒ nur die Flamme und die unbestimmten Umrisse der Personen sind zu sehen; der höchste Opferweise fährt nach der Pause fort):

Und nun erwache aus der Weltenschau!

Verkünde, was im Wort zu lesen ist.

(Der Neophyt schweigt. Der höchste Opferweise fährt bestürzt fort.)

Er schweigt! ‒ Entschwindet dir Geschautes? ‒ Sprich!

Der Neophyt:     

Gehorchend eurem strengen Opferworte,

versenkt’ ich mich in dieses Flammenwesen,

erwartend hoher Weltenworte Tönen.

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

(Die anwesenden Mysten, mit Ausnahme des Opferweisen, zeigen bei der

Rede des Neophyten einen immer grössern Schrecken.)

Ich fühlte, wie ich mich vom Erdgewicht

mit Lüfteleichtigkeit befreien konnte. ‒ ‒

Vom Weltenfeuer liebend hingenommen,

erfühlt’ ich mich in Geisteswellenströmen.

Ich sah, wie meine Erdenlebensform

sich ausser mir als andres Wesen hielt. ‒

Von Seligkeit umhüllt, im Geisteslicht

mich fühlend, konnt’ ich doch die Erdenhülle

mit Anteil nur betrachten, wunscherfüllt. ‒ ‒

Ihr strahlten Geister hoher Welten Licht ‒ ‒;

Es nahten ihr wie Falter, glitzernd hell,

die Wesen, die ihr Leben regsam pflegten.

Von dieser Wesen Lichtgeflimmer strahlte

erfunkelnd Farbenspiel der Leib zurück,

Das glänzend nah, erglimmend fern sich zeigt’;

zuletzt im Raum zerstiebend sich verlor.

Es keimte mir im Geistesseelensein

der Wunsch, das Erdgewicht versenke mich

in meine Hülle, daß ich Freudesinn

in Lebenswärme fühlend pflegen könne. ‒ ‒

In meine Hülle fröhlich untertauchend,

Empfand ich Euren strengen Weckeruf.

Der höchste Opferweise (selbst bestürzt zu den bestürzten Mysten):

Das ist nicht Geist-Erschautes; ‒ irdisch Fühlen ‒

entwand dem Mysten sich und stieg als Opfer

in lichte Geisteshöhn, ‒ O Frevel, Frevel ‒ ‒!

Der Wortbewahrer (im Zorne zu dem Opferweisen):

Es wär’ nicht möglich, hättet Ihr das Amt,

das Euch als Opferweiser anvertraut,

im Sinne uralt heil’ger Pflicht verwaltet.

Der Opferweise:

Ich tat, was mir als Pflicht aus höhern Reichen

in dieser Feierstunde auferlegt.

Enthalten hab ich mich, das Wort zu denken,

das nach der Sitte mir geboten ist,

und das, von meinem Denken aus, hinüber

zum Neophyten geistig wirken sollte.

So hat der junge Mann nicht fremdes Denken,

er hat sein eignes Wesen hier verkündet.

Die Wahrheit hat gesiegt. ‒ Ihr mögt mich strafen;

ich mußte tun, was Ihr in Furcht erlebt.

Ich fühle schon die Zeiten nahe kommen,

die aus dem Gruppengeist das Ich befreien

und ihm das eigne Denken lösen werden.

Es mag der Jüngling eurem Mystenweg

sich jetzt entringen ‒. Spätres Erdesein

wird ihm die Mystenweise sicher zeigen,

die ihm von Schicksalsmächten vorgedacht.

Die Mysten:

O Frevel, ‒ der nach Sühne ruft, ‒ nach Strafe ‒.

(Die Sphinxe beginnen nacheinander zu sprechen als Ahriman und Lucifer, sie waren bisher reglos wie Bild­säulen; ihr Sprechen wird nur von dem Opferweisen, dem höchsten Opferweisen und dem Neophyten gehört; ‒ die andern bleiben in Aufregung durch das Vorher­gehende.)

Ahriman als Sphinx:

Ich muß für meine Stätte mir erbeuten,

was hier nur ungerecht zum Lichte will.

Ich muß es weiter dann im Finstern pflegen;

es soll sich so die Eignung geistig schaffen,

in Zukunft sich mit rechtem Werdesinn

dem Menschenleben günstig einzuweben.

Doch bis es diese Eignung sich erwirkt,

wird meinem Werke dienen, was sich hier

dem Weihedienst als Erdenlast erwiesen.

Lucifer als Sphinx:

Ich will für meine Stätte mir entführen,

was hier als Geisteswunsch am Schein sich freut.

Er soll als Schein im Lichte fröhlich glänzen

und so im Geiste sich der Schönheit weihn,

die ihm das Erdgewicht in dieser Zeit

durch seine Last noch ferne halten will.

Im Schönen wandelt Schein zum Sein sich um:

er wird dann künftig Licht der Erde sein;

als Licht sich senkend, welches hier entflieht.

Der höchste Opferweise:

Die Sphinxe sprechen, ‒ sie, die Bild nur waren,

seit Weise hier den Dienst verrichtet haben.

Der Geist, er hat die tote Form ergriffen ‒ ‒;

O Schicksal, du ertönst als Weltenwort ‒ ‒!

(Die andern Mysten, ausser dem Opferweisen und dem Neophyten, sind erstaunt über die Worte des höchsten Opferweisen.)

Der Opferweise (zum höchsten Opferweisen):

Was wir als mystisch Weihewerk vollbringen,

Bedeutung hat es doch nicht hier allein.

Es geht des Weltgeschehens Schicksalsstrom

durch Wort und Tat des ernsten Opferdienstes.

(Über die durch das Vorhergehende bewirkte Stimmung fällt der Vorhang.)

bottom of page