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Zwölftes Bild.

Das Innre der Erde. Mächtige Kristallgebilde, durchbrochen von lavaartigen Durchflüssen; das Ganze matt leuchtend, zum Teil durchsichtig, zum Teil durchscheinend. Nach oben rote Flammen, die wie von der Decke nach unten zusammengepreßt werden.

Ahriman (zuerst allein):

Es fällt jetzt Wesenszeug von oben her,

das ich mir nutzen muß. Dämonenstoff

verrinnt im Formbezirk. ‒ Ein Mensch erstrebt

die Geistsubstanz, die er von mir erhalten,

aus seinem Wesen gänzlich auszutilgen.

Ich konnt’ bisher ihn leidlich inspirieren;

doch jetzt ist er dem Mystenschwarm zu nah’,

der durch das Weisheitslicht des Benedictus

das Wachen in der Weltenmitternacht

ertrotzen konnte. Den hat Lucifer

verwirkt; so daß Maria und Johannes

aus seinem Lichtbezirk entrinnen konnten.

Ich muß mich jetzt an Strader kräftig halten.

Hab’ ich erst ihn, so hol’ ich auch die andern.

Johannes hat an meinem Schatten schon

sich greulich abgestumpft; ‒ der kennt mich gut.

Ich kann an ihn nicht ohne Strader kommen.

Und mit Maria ist es ebenso.

Doch Strader wird das Geistgewirr, das als

Natur den Menschen gilt, vielleicht noch nicht

als meinen Geistestross durchschauen können,

und blindes Kraft- und Stoffgespinst vermuten,

wo ich mir Geistverleugnung geistig schaffe.

Zwar haben ihm die andern viel geschwatzt

von meiner Wesenheit und meinem Reich;

doch halt’ ich ihn noch nicht für ganz verloren.

Er wird vergessen, daß ihn Benedictus

halbwissend her zu mir geschickt, um ihm

den Glauben auszutreiben, daß ich nur

ein Hirngespinst in Menschenköpfen sei.

Nur brauch’ ich Erdenhilfe, soll ich ihn

in mein Gebiet zur rechten Zeit entführen.

Ich will mir eine Seele jetzt berufen,

die so gescheit sich dünkt, daß ich für sie

nichts weiter bin als dummer Narrentrug.

Die dient mir zeitenweis’, wenn ich sie nutz’. ‒

(Ahriman geht ab, kommt mit Ferdinand Reineckes Seele zurück; diese ist der Gestalt nach eine Art Kopie von ihm; beim Eintritt nimmt er der Person, welche die Seele darstellt, eine Binde von den Augen.)

Ahriman:

Den Erdverstand muß er am Tore lassen.

Er darf ja nicht verstehn, was er bei mir

erfahren soll; denn redlich ist er noch;

und nichts erstrebt’ er mir, wenn er verstünd’,

wozu ich jetzt ihn inspirieren will.

Er muß es später auch vergessen können.

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Kennst du den Doktor Strader, der mir dient?

Ferdinand Reineckes Seele:

Der treibt sich auf dem Erdenstern herum;

er will gelehrten Schnack ins Leben bau’n;

den bläst doch jeder Lebenswind stets um. ‒

Den Mystenprotzen hört er gierig zu;

in ihrem Dunst ist er schon halb erstickt.

Und jetzt will er den Gottgetreu umnebeln;

der wird von seinem Freund im Zaum gehalten,

weil ihm die Flunkertruppe sonst das Haus

mit ihrem Geistgemunkel ganz verdirbt.

Ahriman:

Mit solchem Schwätzen ist mir nicht gedient.

Ich brauch’ den Strader jetzt. ‒ Solang der Mann

an sich den vollen Glauben haben kann,

wird’s Benedictus viel zu leicht gelingen,

den Menschen seine Weisheit beizubringen.

Der Freund des Gottgetreu könnt’ Lucifer

wohl dienen; ich jedoch muß anders streben. ‒ ‒

In Strader muß ich Benedictus schaden.

Hat der den Strader nicht, so wird er weiter

mit seinen andern Schülern nichts vollbringen.

Zwar haben meine Gegner noch die Macht;

nach Straders Tode werden sie ihn haben.

Kann ich jedoch die Seele jetzt auf Erden

an sich noch irre machen, so bewirkt

mir dies, daß Benedictus ferner nicht

den Mann als Vorspann für sich nutzen kann.

Nun hab’ ich schon im Schicksalsbuch gelesen,

daß Straders Lebenslauf bald abgelaufen.

Dies kann ja Benedictus nicht erschau’n. ‒ ‒

Mein treuer Knecht, du bist fast überschlau,

du glaubst, daß ich ein dummes Narrenbild.

Du räsonierst so gut, daß man dich hört.

So geh zu Strader schon in nächster Zeit,

erklär’ ihm, daß sein Mechanismus schlecht;

daß er nicht nur aus Zeit-Ungunst nicht hält,

was er versprochen; daß er schlecht erdacht.‒

Ferdinand Reineckes Seele:

Ich bin dazu wohl präpariert. Gar lang’

ist all mein Sinnen nur darauf gerichtet,

wie ich dem Strader recht beweisen kann,

daß er auf Irrtumswegen sich ergeht.

Wenn man solch’ Zeug zunächst gedankenhaft

in vielen Nächten klug ersonnen hat,

dann glaubt man leicht, der Misserfolg läg’ nicht

am Denken selbst; er käm’ von aussen nur.

Mit Strader steht’s doch jammervoll fürwahr:

hätt’ der sich ohne Mystennebel halten

und klug Verstand und Sinn gebrauchen können,

der Menschheit wär’ aus seinen hohen Gaben

der grösste Nutzen sicherlich erwachsen.

Ahriman:

Du sollst dich jetzt mit Klugheit wohl bewaffnen.

Dein Werk soll sein, daß Strader an sich selbst

nicht mehr den rechten Glauben finden mög’.

Dann wird er auch an Benedictus künftig

nicht mehr sich halten wollen; der ist dann

auf sich und seine Gründe angewiesen.

Die aber sind den Menschen nicht genehm.

Sie werden auf der Erde um so mehr

gehasst, je wahrer sie sich zeigen können.

Ferdinand Reineckes Seele:

Mir geht der Sinn schon auf, wie ich dem Strader

die Fehler seines Denkens demonstrier’.

Es hat sein Mechanismus einen Fehler,

den kann er selber nicht bewußt sich machen. ‒

Die Mystenfinsternis verhindert’s ihm.

Ich werde ihm mit meiner Nüchternheit

viel bess’re Dienste wahrlich leisten können.

Ich wollte dies seit langen Zeiten schon;

doch wußt’ ich nicht, wie ich es machen soll.

Ich fühle mich erst jetzt dazu erleuchtet.

Ich muß jetzt alles recht ins Auge fassen,

was Strader von der Wahrheit überzeugt.

(Ahriman führt Reinekes Seele hinaus, und legt der Per­son, welche die Seele darstellt, bevor sie sein Gebiet verlässt, wieder die Binde um die Augen.)

Ahriman (allein):

Der wird mir gute Dienste leisten können.

Das Mystenlicht auf Erden brennt mich sehr;

ich muß dort weiterwirken, ohne dass

die Mysten meine Werke offenbaren.

(Theodoras Seele erscheint.)

Theodoras Seele:

Du magst an Strader dringen, doch bin ich

an seiner Seite; da er mich gefunden

auf lichtem Seelenpfade, ist er mir

vereint, ob er im Geistgebiet, ob er

im Erdbereich das Leben führen muß.

Ahriman:

Wenn sie ihn wirklich nicht verlässt, so lang

er noch auf Erden weilt, wird mir der Kampf

verloren sein; doch kann ich wohl noch hoffen,

daß er zuletzt sie doch vergessen könnte.

(Vorhang fällt.)

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