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Vierzehntes Bild.

Dasselbe Zimmer wie im vorigen Bilde. Im Beginne der Szene

die Frau des Hilarius im Gespräch mit dem Bureauchef.

Frau Hilarius:

Als ob das Schicksal selbst die Tat nicht wünschte,

die meinem Gatten doch notwendig dünkt,

so scheint es fast, ‒ bedenkt man, wie verworren

die Fäden sind, die diese Macht zum Knoten

des Lebens spann, der uns hier fest umschliesst.

Bureauchef:

Zum Schicksalsknoten, der dem Menschensinn

zunächst unlösbar wahrlich scheinen kann. ‒ ‒

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

So wird er wohl zerschnitten werden müssen. ‒

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Ich sehe keine andre Möglichkeit,

als daß der Schnitt sich zwischen Ihres Gatten

und meinem Lebenskreise jetzt ergibt. ‒ ‒

Frau Hilarius:

Von Euch sich trennen, ‒ niemals wird’s mein Gatte, ‒

dem Geist des Hauses widerspräche dies,

der noch vom teuren Vater sich bewahrt,

und dem der Sohn die Treue halten will.

Bureauchef:

Ist diese Treue denn nicht schon gebrochen?

Die Ziele, die Hilarius sich setzt,

sie liegen in der Richtung sicher nicht,

die jener Geist für sich stets nehmen wollte.

Frau Hilarius:

Es hängt jetzt meines Gatten Lebensglück

von dieses Ziels Gelingen völlig ab.

Ich sah, wie seine Seele sich verwandelt’,

nachdem gedankenblitzeshaft es sich

in ihm erzeugt. ‒ Das Leben brachte ihm

nur trübe Seelenöde, die er sorgsam

dem nächsten Freundeskreise selbst verbarg,

die um so stärker ihm am Innern zehrte.

Er fand vorher sich nichtig, weil Gedanken

in seiner Seele nicht erkeimen wollten,

die ihm des Lebens wert erscheinen konnten.

Als dann der Plan der Mystentätigkeit

vor dieser Seele stand, ward er verjüngt;

ein andrer Mensch, stets froh; ‒ er fühlte sich

mit diesem Ziele erst des Lebens würdig. ‒ ‒

Daß Ihr Euch ihm entgegenstellen könntet:

es lag ihm fern, zu denken, bis er’s sah.

Dann traf es ihn, wie kaum vorher ein Schlag

in seinem Leben ihn getroffen hat.

O wüsstet Ihr, was er durch Euch erleidet,

ihr würdet sicher eure Härte mildern.

Bureauchef:

Mich meiner Überzeugung widersetzen,

mir schien’s, als ob die Menschenwürde mir

verloren ginge. ‒ Strader an die Seite

gestellt mich sehn, wird mir bedrückend sein;

doch ich entschloss mich, diese Last zu tragen,

weil sie Romanus stützt, den ich versteh’,

Seit er von Strader mir gesprochen hat.

was er mir sagen konnte, ist für mich

der Anfang meiner eignen Geistesschulung.

Aus seinen Worten flammte eine Kraft;

die ging in meine Seele wirksam über;

ich hatte sie vorher noch nie gefühlt.

Gewichtig muß sein Rat mir sein, auch wenn

ich ihm noch nicht verstehend folgen kann.

Romanus tritt allein für Strader ein;

der andern Mysten Anteil an dem Werk

erscheint ihm nicht nur diesem hinderlich;

er hält ihn für die Mysten selbst gefährlich.

So viel ist mir Romanus’ Meinung wert,

daß ich jetzt glauben muß, wenn Strader nicht

zur Tat sich findet ohne seine Freunde,

dies ihm ein Schicksalszeichen werden müsse.

Es zeigt, daß er an dieser Freunde Seite

verbleiben, und aus seinem Mystenstreben

erst später Triebe für die äussre Tat

sich schaffen solle. Daß er diesen Freunden

in letzter Zeit viel näher steht als je,

nachdem sie kurze Zeit ihm fremder waren,

erzeugt in mir den Glauben, daß er sich

in seine Lage finden werde, selbst

wenn er sein Ziel für jetzt verloren sähe.

Frau Hilarius:

Ihr seht den Mann mit jenem Blicke nur,

den Euch Romanus hat erschließen können.

Ihr solltet unbefangen ihn betrachten.

Er kann dem Geistesleben sich ergeben,

daß er der Erde ganz entrückt erscheint.

Dann ist der Geist ihm volle Gegenwart.

Ihm ist dann Theodora noch im Leben.

Man spricht mit ihm, als hätte man auch sie

sich gegenüber. Viele Mysten können

die Geistesbotschaft wohl in Worte prägen,

die nachbedacht die Überzeugung schaffen;

was Strader spricht, es wirkt im Sprechen selbst.

Man sieht, daß er bloss innres Geist-Erleben,

das sich im Fühlen schon befriedigt weiß,

gering nur schätzt, daß er dem Forschertrieb

als Myste stets die Führung übergibt.

Deshalb verwirrt er auch durch Mystik nicht

den Sinn für Wissenschaft, die praktisch sich

dem Leben dienstbar zeigt. ‒ Versucht doch dies

an ihm zu sehn, und lernt durch ihn dann auch,

daß man sein Urteil über seine Freunde

wird höher als das andre schätzen müssen,

das sich Romanus hat erwerben können.

Bureauchef:

Mir ist in dieser Lage, die ganz fern

dem Kreise mir gewohnten Denkens liegt,

Romanus’ Urteil wie der feste Boden,

auf dem ich stehen kann. ‒ Begeb’ ich mich

in ein Bereich, das mich der Mystik nähert,

so brauch’ ich wahrlich solcher Führung, die

doch nur ein Mensch mir bieten kann, der mir

Vertrauen abgewinnt durch das, was ich

von seinem Wesen voll verstehen kann.

(Der Sekretär tritt ein.)

Bureauchef:

Ihr kommt verstört, mein Freund, was ist geschehn?

Sekretär (zögernd):

Es starb vor wenig Stunden Doktor Strader.

Bureauchef:

Gestorben Strader?

 

Frau Hilarius:                 

                                       Strader tot! ‒ ‒ Wo ist

      Hilarius?

 

Sekretär: 

                        Er ist auf seinem Zimmer ...

Wie wenn die Botschaft ihn gelähmt, die man

ihm eben aus der Wohnung Straders brachte,

 

(Die Frau des Hilarius geht ab, der Sekretär folgt ihr.)

Bureauchef (allein):

Gestorben Strader! ‒ Ist dies Wirklichkeit?

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Berührt der Geistesschlaf mich schon, von dem

ich viel gehört? ‒ Ein ernstes Antlitz zeigt

die Schicksalsmacht, die hier die Fäden lenkt.

O, meine kleine Seele, welche Kraft

ergriff wohl deinen Schicksalsfaden jetzt,

daß er an diesem Knoten Anteil hat?

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Es wird geschehen, was geschehen muß!

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Warum verliessen diese Worte mich

seit jener Stunde nicht, in der sie Strader

vor Gottgetreu und mir gesprochen hat?

Wie wenn sie ihm aus andrer Welt gekommen,

so klangen sie; ‒ wie geistentrückt gesprochen! ‒

Was sollte denn geschehn? ‒ Ich fühle wohl,

die Geisteswelt hat damals mich ergriffen.

 

In jenem Worte ‒ klingt mir ihre Sprache ‒;

sie klingt mir ernst; ‒ wie lern’ ich sie verstehn?

(Der Vorhang fällt.)

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