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Anmerkungen

 

1 Goethes Briefwechsel mit Knebel .

2 Wer ein solches Ziel von vornherein für unerreichbar erklärt, der wird zum Verständnis Goethescher Naturanschauungen nie kommen; wer dagegen vorurteilslos, diese Frage offenlassend, an das Studium derselben geht, der wird sie nach Beendigung desselben gewiss bejahend beantworten. Es könnten wohl manchem durch einige Bemerkungen Goethes selbst Bedenken aufsteigen, wie z. B. folgende ist: »wir hätten ... ohne Anmassung, die ersten Triebfedern der Naturwirkungen entdecken zu wollen, auf Aeusserung der Kräfte, durch welche die Pflanze ein und dasselbe Organ nach und nach umbildet, unsere Aufmerksamkeit gerichtet.« Allein solche Aussprüche richten sich bei Goethe nie gegen die prinzipielle Möglichkeit, die Wesenheit der Dinge zu erkennen, sondern er ist nur vorsichtig genug über die physikalisch-mechanischen Bedingungen, welche dem Organismus zugrunde liegen, nicht vorschnell abzuurteilen, da er wohl wusste, dass solche Fragen nur im Laufe der Zeit gelöst werden können.

3 Damit wollen wir keineswegs sagen, Goethe sei in dieser Hinsicht überhaupt nie verstanden worden. Im Gegenteile: Wir nehmen in dieser Ausgabe selbst wiederholt Anlass auf eine Reihe von Männern hinzuweisen, die uns als Fortsetzer und Ausarbeiter Goethescher Ideen erscheinen. Namen wie Voigt, Nees von Esenbeck, d’Alton (der ältere und der jüngere), Schelver, C. G. Carus, Martinus u. a. gehören in diese Reihe. Aber diese bauten eben auf der Grundlage der in den Goetheschen Schriften niedergelegten Anschauungen ihre Systeme auf, und man kann gerade von ihnen nicht sagen, dass sie auch ohne Goethe zu ihren Begriffen gelangt wären, wogegen allerdings Zeitgenossen des letzteren – z. B. Josephy in Göttingen – selbständig auf den Zwischenknochen, oder Oken auf die Wirbeltheorie gekommen sind.

4 Siehe »Dichtung und Wahrheit« II. Teil, 6. Buch.

5 Dichtung und Wahrheit II. Teil, 8. Buch.

6 Dichtung und Wahrheit III. Teil, 11. Buch.      

 

7 Vgl. Goethes Naturwissenschaftliche Schriften in Kürschners National-Literatur, I. Band.

8 Briefw. Goethes mit Karl August.

9 »Gerne schickte ich dir eine botanische Lektion, wenn sie nur schon geschrieben wäre.« 2. April 1785. Briefw. mit Knebel.

10 Ital. Reise 8. Sept. 1786.

11 Ital. Reise. Venedig, 8. Okt. 1786.

12 Unnötig wohl ist es zu sagen, dass die moderne Deszendenztheorie damit durchaus nicht bezweifelt werden soll, oder dass ihre Behauptungen damit eingeschränkt werden sollen; im Gegenteil, es wird ihnen erst eine sichere Basis geschaffen.

13 Ital. Reise.

14 Wir haben hier weniger die Entwicklungslehre derjenigen Naturforscher, die auf dem Boden der sinnenfälligen Empirie stehen, vor Augen, als vielmehr die theoretischen Grundlagen, die Prinzipien, die dem Darwinismus zugrunde gelegt werden. Vor allem natürlich die Jenaische Schule mit Haeckel an der Spitze; in diesem Geiste ersten Ranges hat wohl die Darwinsche Lehre mit aller ihrer Einseitigkeit ihre konsequente Ausgestaltung gefunden.

15 Ital. Reise.

16 Ital. Reise.

17 In welchem Sinne diese Einzelheiten zum Ganzen stehen, werden wir an verschiedenen Stellen Gelegenheit haben auszuführen. Wollten wir einen Begriff der heutigen Wissenschaft für ein solches Zusammenwirken von belebten Teilwesen zu einem Ganzen entlehnen, so wäre es etwa der eines »Stockes« in der Zoologie. Es ist dies eine Art Staat von Lebewesen, ein Individuum, das wieder aus selbständigen Individuen besteht, ein Individuum höherer Art.

18 Ital. Reise.

19 Vgl. daselbst den Aufsatz: »Physiognomische Fragmente«.  

20 Der junge Goethe III, 136.

21 Vgl. im 2. Bande der nat. Schriften in Kürschners Nat.-Lit. den Aufsatz mit der Ueberschrift: Eingang zu den physiogn. Fragm.

22 Ebenda.

23 Siehe Goethes naturwissenschaftl. Schriften in Kürschners Nat.-Lit., 1. Band.

24 Siehe im 2. Bande der naturw. Schriften in Kürschners Nat.-Lit. den Aufs. Eingang zu den physiogn. Fragm.

25 Ebenda.

26 Lavaters Fragmente II, 143.

27 Aufs. Eingang zu den physiogn. Fragm. im 2. Bande der naturw. Schriften in Kürschners Nat.-Lit.

28 Der junge Goethe III, 133.

29  »Ein beschwerlicher Liebesdienst, den ich übernommen habe, führt mich meiner Liebhaberei näher. Loder erklärt mir alle Beine und Muskeln, und ich werde in wenig Tagen vieles fassen.«

30  »Mir hat er (Loder) in  acht Tagen, die wir, freilich soviel als meine Wächterschaft litt, fast ganz dazu verwendeten, Osteologie und Myologie demonstriert.«

31 Ideen 1. Teil, 5. Buch I.

32 Oken, Lehrbuch der Naturphilosophie. 2. Aufl. 1831. S. 389.

33 Briefe an Merck.

34 In Naturkundige verhandelingen over den Orang Outang. Amsterdam 1782. P. 75. §. 2.

35  »Es ist mir ein köstliches Vergnügen geworden, ich habe eine anatomische Entdeckung gemacht, die wichtig und schön ist.«

36  »Ich habe gefunden – weder Gold noch Silber, aber was mir unsägliche Freude macht, das os intermaxillare am Menschen.«

37 Annalen zu 1790.

37 Briefe an Joh. Heinr. Merck 1835, S. 421.

39 Briefe an Sömmering.

40 Ebenda.

41 Briefe an Merck.

42 Briefw. mit Knebel.

43 Ebenda.

44 Ebenda.

45 Briefe an Merck.

46 Ebenda.

47 Briefe an Merck.

48 Brief an Merck.

49 Man nahm bisher an, dass Camper die Abhandlung anonym erhalten habe. Sie kam ihm auf einem Umwege zu: Goethe schickte sie erst an Sömmerring, dieser an Merck und der letztere sollte sie an Camper gelangen lassen. Nun befindet sich aber unter den Briefen Mercks an Camper, die noch ungedruckt sind, und die sich im Originale in der »bibliothèque de la société néerlandaise pour les progrès de la médecine« zu Amsterdam befinden, ein Brief vom 17. Januar 1785 mit folgender Stelle (wir zitieren buchstäblich): »Monsieur de Goethe, Poète clèlèbre, conseiller intime, du Duc de Weimar, vient de m᾽envoier un specimen osteologicum, que doit vous être envoié après que Mr. Sömring l᾽aura vû …… C᾽est un petit traité sur l᾽os intermaxillaire, qui nous apprend entre autres la vérité, que le Triche(chus) a 4 dents incisives et que le Chameau a en deux.« Ein Brief vom 10. März 1785 zeigt an, dass Merck die Abhandlung demnächst an Camper schicken wird, wobei wieder der Name Goethe ausdrücklich vorkommt: »J᾽aurai l᾽honneur de vous envoier le specimen osteolog. de Mr. de Goethe, mon ami, par une voie, qui ne sera pas conteuse un de ces jours.« Am 28. April 1785 spricht Merck die Hoffnung aus, dass Camper die Sache erhalten habe, wobei wieder »Goethe« vorkommt. Es ist somit wohl kein Zweifel, dass Camper den Verfasser kannte.

50 Briefe an Merck.

51 Ebenda.

52 Ebenda.

53 Goethes Annalen zu 1790.

 

54 Aus Knebels literarischem Nachlass II.

55 Briefe berühmter Zeitgenossen an Sömmering.

56 a. a. O. S. 160.

57 Briefe berühmter Zeitgenossen an Sömmering.

58 Dieser Aufsatz bildet den Schluss des 1. Bandes der naturw. Schriften in Kürschners Nat.-Lit.

59 Gespräche mit Eckermann III.

60 Goethes Naturwissenschaftliche Korrespondenz I, S. 51.

61 Briefe an Merck.

62 Einige Philosophen behaupten, dass wir die Erscheinungen der Sinnenwelt wohl auf ihre ursprünglichen Elemente (Kräfte) zurückführen können, dass wir aber diese ebensowenig wie das Wesen des Lebens erklären können. Demgegenüber ist zu bemerken, dass jene Elemente einfach sind, d. i. sich nicht weiter aus einfacheren Elementen zusammensetzen lassen. In ihrer Einfachheit sie abzuleiten, zu erklären, ist aber eine Unmöglichkeit, nicht weil unser Erkenntnisvermögen begrenzt ist, sondern weil sie auf sich selbst beruhen; sie sind uns in ihrer Unmittelbarkeit gegenwärtig, sie sind in sich abgeschlossen, aus nichts weiterem ableitbar.

63 Dies ist eben der Gegensatz des Organismus zur Maschine. Bei der letzteren ist alles Wechselwirkung der Teile. Es existiert nichts Wirkliches in der Maschine selbst ausser dieser Wechselwirkung. Das einheitliche Prinzip, welches das Zusammenwirken jener Teile beherrscht, fehlt im Objekte selbst und liegt ausserhalb desselben in dem Kopfe des Konstrukteurs als Plan. Nur die äusserste Kurzsichtigkeit kann leugnen, dass gerade darinnen die Differenz zwischen Organismus und Mechanismus besteht, dass dasjenige Prinzip, welches das Wechselverhältnis der Teile bewirkt, beim letzteren nur ausserhalb (abstrakt) vorhanden ist, während es bei ersterem in dem Dinge selbst wirkliches Dasein gewinnt. So erscheinen dann auch die sinnlich wahrnehmbaren Verhältnisse des Organismus nicht als blosse Folge auseinander, sondern als beherrscht von jenem inneren Prinzipe, als Folge eines solchen, das nicht mehr sinnlich wahrnehmbar ist. In dieser Hinsicht ist es ebensowenig sinnlich wahrnehmbar, wie jener Plan im Kopfe des Konstrukteurs, der ja auch nur für den Geist da ist; ja es ist im wesentlichen jener Plan, nur dass er jetzt eingezogen ist in das Innere des Wesens und nicht mehr durch Vermittlung eines Dritten – jenes Konstrukteurs – seine Wirkungen vollzieht, sondern dieses direkt selbst tut.

64 Kant, Kritik der Urteilskraft, Ausgabe von Kehrbach.

65 Dichtung und Wahrheit, Buch IV, 3. Teil.

66 Brief an Zelter vom 7. Nov. 1816.

67 Ital. Reise, 5. Okt. 1787.

68 Einiger Attribute Gottes in denselben.

69 IV. Buch, 16. Teil.

70 Tag und Jahreshefte, Abs. 797.

71 Masse, Richtung und Geschwindigkeit einer bewegten elastischen Kugel.

72 Die Frucht entsteht durch Auswachsung des unteren Teiles des Stempels (Fruchtknotens l); sie stellt ein späteres Stadium desselben dar, kann also nur getrennt gezeichnet werden. In der Fruchtbildung tritt die letzte Ausdehnung ein. Das Pflanzenleben differenziert sich in ein abschliessendes Organ, eigentliche Frucht, und in den Samen; in der ersteren sind gleichsam alle Momente der Erscheinung vereinigt, sie ist blosse Erscheinung, sie entfremdet sich dem Leben, wird totes Produkt. Im Samen sind alle inneren, wesentlichen Momente des Pflanzenlebens konzentriert. Aus ihm entsteht eine neue Pflanze. Er ist fast ganz ideell geworden, die Erscheinung ist bei ihm auf ein Minimum reduziert.

73 Ital. Reise. Rom 2. Dez. 1786.

74 Vgl. Goethes Naturwissenschaftliche Schriften (in Kürschners National-Literatur) 1. Band S. 344.

75 Ebenda S. 345.

76 In der modernen Naturlehre versteht man unter Urorganismus gewöhnlich eine Urzelle (Urcytode), d. h. ein einfaches Wesen, welches auf der untersten Stufe der organischen Entwicklung steht. Man hat hier ein ganz bestimmtes, reales, sinnenfällig wirkliches Wesen im Auge. Wenn man im Goetheschen Sinne von Urorganismus spricht, so ist nicht dieses ins Auge zu fassen, sondern jene Essenz (Wesenheit), jenes gestaltende, entelechische Prinzip, welches bewirkt, dass jene Urzelle ein Organismus ist. Dieses Prinzip kommt im einfachsten Organismus ebenso wie im vollendetsten zur Erscheinung, nur in verschiedener Ausbildung. Es ist die Tierheit im Tiere, das, wodurch ein Wesen ein Organismus ist. Darwin setzt es von Anfang an voraus; es ist da, wird eingeführt und dann sagt er von ihm, dass es auf die Einflüsse der Aussenwelt in dieser oder jener Weise reagierte. Es ist bei ihm ein unbestimmtes X, dieses unbestimmte X sucht Goethe zu erklären.

77 Goethes Naturwissensch. Korr., herausgegeben von Bratranek I, 28.

78 Ebenda II, 18 f.

79 Ebenda II, 330 f.

80 Goethes Briefe an Soret, hgg. von Hermann Uhde.

81 Goethe empfand dies sein unbewusstes Handeln oft als Dumpfheit. Siehe Schröer, Faustausgabe II, Verlag Der Kommende Tag A.-G. – Einleitung.

82 Siehe Goethes Naturwissenschaftliche Schriften (in Kürschners National-Literatur) 1. Band, S. 108 ff.

83 Siehe Goethes Briefe an Fr. Wolf.

84 Goethes Naturwissenschaftliche Schriften (in Kürschners National-Literatur) 1. Band, S. 217.

 

85 Rudolf Steiner, Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung mit besonderer Rücksicht auf Schiller. 1886.  Neuauflage Der Kommende Tag A.G. Verlag, Stuttgart.

 

86 Diese Trennung ist durch die absondernden ganz ausgezogenen Linien charakterisiert.

 

87 Dieselbe ist durch die punktierten Linien versinnlicht.

 

88 Sehr lesenswert ist Dr. Ad. Harpfs Aufsatz »Goethe und Schopenhauer« (Philos. Monatshefte 1885). Harpf, der auch schon eine treffliche Abhandlung über »Goethes Erkenntnisprinzip« (Philos. Monatshefte 1884) geschrieben hat, zeigt die Uebereinstimmung des »immanenten Dogmatismus« Schopenhauers mit dem gegenständlichen Wissen Goethes. Den prinzipiellen Unterschied zwischen Goethe und Sch., wie wir ihn oben charakterisierten, findet Harpf, der selbst Schopenhauerianer ist, nicht heraus. Dennoch verdienen die Ausführungen Harpfs alle Aufmerksamkeit.

89 Damit soll nicht behauptet werden, dass in Hartmanns Ethik der Begriff der Liebe nicht seine Berücksichtigung finde. H. hat denselben in phänomenaler und metaphysischer Beziehung behandelt (siehe »Das sittliche Bewusstsein« 2. Aufl., S. 223–247, 629–631, 641, 638–641). Nur lässt er die Liebe nicht als das letzte Wort der Ethik gelten. Die opferwillige, liebevolle Hingabe an den Weltprozess scheint ihm kein Letztes zu sein, sondern nur das Mittel zur Erlösung von der Unruhe des Daseins und zur Wiedergewinnung der verlorenen seligen Ruhe.

90 S. den Aufsatz »Bedeutende Fördernis durch ein geistreiches Wort« , Naturwissenschaftliche Schriften, 2. Band, S. 31 ff.

91 Sinneswahrnehmung bedeutet hier dasselbe, was Kant Empindung nennt.

92 Dies ist kurze Zeit, nachdem die betreffenden Aeusserungen Ostwalds gemacht worden sind, geschrieben.

93 Goethes Anschauungen stehen in dem denkbar schärfsten Gegensatz zur Kantischen Philosophie. Diese geht von der Auffassung aus, dass die Vorstellungswelt von den Gesetzen des menschlichen Geistes beherrscht werde und deshalb alles, was ihr von aussen entgegengebracht wird, in ihr nur als subjektiver Abglanz vorhanden sein könne. Der Mensch nehme nicht das »An sich« der Dinge wahr, sondern die Erscheinung, die dadurch entsteht, dass die Dinge ihn affizieren und er diese Affektionen nach den Gesetzen seines Verstandes und seiner Vernunft verbindet. Dass durch diese Vernunft das Wesen der Dinge spricht, davon haben Kant und die Kantianer keine Ahnung. Deshalb konnte die Kantische Philosophie für Goethe nie etwas bedeuten. Wenn er sich einzelne ihrer Sätze aneignete, so gab er ihnen einen völlig anderen Sinn, als sie innerhalb der Lehre ihres Urhebers haben. Es ist durch eine Notiz, die erst nach Eröffnung des Weimarischen Goethe-Archivs bekannt geworden ist, klar, dass Goethe den Gegensatz seiner Weltauffassung und der Kantischen sehr wohl durchschaute. Für ihn liegt der Grundfehler Kants darin, dass dieser »das subjektive Erkenntnisvermögen nun selbst als Objekt betrachtet und den Punkt, wo subjektiv und objektiv zusammentreffen, zwar scharf aber nicht ganz richtig sondert«. Subjektiv und objektiv treten zusammen, wenn der Mensch das, was die Aussenwelt ausspricht, und das, was sein Inneres vernehmen lässt, zum einigen Wesen der Dinge verbindet. Dann hört aber der Gegensatz von subjektiv und objektiv ganz auf; er verschwindet in der geeinten Wirklichkeit. Ich habe darauf schon hingedeutet in dieser Schrift S.165 ff. Gegen meine damaligen Ausführungen polemisiert nun K. Vorländer im 1. Hefte der »Kantstudien«. Er findet, dass meine Anschauung über den Gegensatz von Goethescher und Kantscher Weltauffassung »mindestens stark einseitig und mit klaren Selbstzeugnissen Goethes in Widerspruch« sei und sich »aus dem völligen Missverständnis der transzendentalen Methode« Kants von meiner Seite erkläre.  Vorländer hat keine Ahnung von der Weltanschauung, in der Goethe lebte. Mit ihm zu polemisieren würde mir gar nichts nützen, denn wir sprechen verschiedene Sprachen. Wie klar sein Denken ist, zeigt sich darin, dass er bei meinen Sätzen nie weiss, was gemeint ist. Ich mache z. B. eine Bemerkung zu dem Goetheschen Satze: »Sobald der Mensch die Gegenstände um sich her gewahr wird, betrachtet er sie in bezug auf sich selbst, und mit Recht. Denn es hängt sein ganzes Schicksal davon ab, ob sie ihm gefallen oder missfallen, ob sie ihn anziehen oder abstossen, ob sie ihm nützen oder schaden. Diese ganz natürliche Art, die Sachen anzusehen und zu beurteilen, scheint so leicht zu sein, als sie notwendig ist .... Ein weit schwereres Tagewerk übernehmen diejenigen, deren lebhafter Trieb nach Kenntnis die Gegenstände der Natur an sich selbst und in ihren Verhältnissen untereinander zu beobachten strebt, sie  suchen und untersuchen, was ist und nicht was behagt.« Meine Bemerkung lautet: »Hier zeigt sich, wie Goethes Weltanschauung gerade der entgegengesetzte Pol der Kantischen ist. Für Kant gibt es überhaupt keine Ansicht über die Dinge, wie sie an sich sind, sondern nur wie sie in bezug auf uns erscheinen. Diese Ansicht lässt Goethe nur als ganz untergeordnete Art gelten, sich zu den Dingen in ein Verhältnis zu setzen.« Dazu sagt Vorländer: »Diese (Worte Goethes) wollen weiter nichts als einleitend den trivialen Unterschied zwischen dem Angenehmen und dem Wahren auseinandersetzen. ›Der Forscher soll suchen, was ist und nicht was behagt‹. Wer, wie Steiner, die letztere allerdings sehr untergeordnete Art, sich zu den Dingen in ein Verhältnis zu setzen, als diejenige Kants zu bezeichnen wagt, dem ist zu raten, dass er sich erst die Grundbegriffe der Kantischen Lehre, z. B. den Unterschied von subjektiver und objektiver Empfindung, etwa aus § 3 der Kr. d. U. klarmache.« Nun habe ich durchaus nicht, wie aus meinem Satze klar hervorgeht, gesagt, dass jene Art, sich zu den Dingen in ein Verhältnis zu setzen, die Kants ist, sondern dass Goethe die Kantische Auffassung vom Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt nicht entsprechend dem Verhältnis findet, in dem der Mensch zu den Dingen steht, wenn er erkennen will, wie sie an sich sind. Goethe ist der Ansicht, dass die Kantische Definition nicht dem menschlichen Erkennen, sondern nur dem Verhältnisse entspricht, in das sich der Mensch zu den Dingen setzt, wenn er sie in bezug auf sein Gefallen und Missfallen betrachtet. Wer einen Satz in einer solchen Weise missverstehen kann wie  Vorländer, der mag es sich ersparen, andern Leuten Ratschläge zu geben über ihre philosophische Ausbildung, und lieber erst sich die Fähigkeit aneignen, einen Satz richtig lesen zu lernen. Goethesche Zitate aufsuchen und sie historisch zusammenstellen kann jeder; sie im Sinne der Goetheschen Weltanschauung deuten, kann jedenfalls  Vorländer nicht.

94 Wie wenig Verständnis für die ethischen Anschauungen sowohl, wie für eine Ethik der Freiheit und des Individualismus im allgemeinen, bei den Fachphilosophen der Gegenwart vorhanden ist, zeigt folgender Umstand. Ich habe im Jahre 1893 in einem Aufsatz der »Zukunft« (Nr. 5) mich für eine streng individualistische Auffassung der Moral ausgesprochen. Auf diesen Aufsatz hat Ferdinand Tönnies in Kiel in einer Broschüre: »Ethische Kultur und ihr Geleite. Nietzsche-Narren in der Zukunft und in der Gegenwart« (Berlin 1893) geantwortet. Er hat nichts vorgebracht als die Hauptsätze der in philosophische Formeln gebrachten Philistermoral. Von mir aber sagt er, dass ich »auf dem Wege zum Hades keinen schlimmeren Hermes« hätte finden können als Friedrich Nietzsche. Wahrhaft komisch wirkt es auf mich, dass  Tönnies, um mich zu verurteilen, einige von Goethes »Sprüchen in Prosa« vorbringt. Er ahnt nicht, dass, wenn es für mich einen Hermes gegeben hat, es nicht Nietzsche, sondern Goethe gewesen war. Ich habe die Beziehungen der Ethik der Freiheit zur Ethik Goethes bereits S. 147 ff. dieser Schrift dargelegt. Ich hätte die wertlose Broschüre nicht erwähnt, wenn sie nicht symptomatisch wäre für das in fachphilosophischen Kreisen herrschende Missverständnis der Weltanschauung Goethes.

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