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Viertes Bild

Ein Zimmer in rosenrotem Grundton. Es gehört zum Heim Straders und Theodoras, die Straders Gattin ist. Man sieht der Einrichtung an, daß Theodora und Strader hier im gemeinsamen Raume verschiedenartige Arbeiten verrichten. Auf seinem Tische finden sich Modelle von Mechanismen, auf dem ihren mancherlei auf Mystik Bezügliches. Die beiden sind in einem Gespräch, das eine Art gemeinsame Versenkung am siebenten Jahrestage ihrer Ehe darstellt.

Strader:

An diesem Tage sind es sieben Jahre,

Seit du Gefährtin meines Lebens mir

Und auch der Quell geworden bist des Lichtes,

Das auf ein Dasein leuchtet, dem sich früher

Nur Finsternis bedrohlich nähern wollte.

Ich war ein geistig armer Mann, als du

An meine Seite tratest und mir gabst,

Was mir vorher die Welt stets vorenthielt.

Ich hatte viele Jahre ernst gestrebt,

Im Sinne strenger Wissenschaft zu forschen

Nach Lebenswerten und nach Daseinszielen.

Ich mußte eines Tages klar erkennen,

Daß dieses Streben ganz vergeblich war.

Durch dich ward mir gezeigt, wie sich der Geist

In einem Menschen über solche Dinge

Zu offenbaren sucht, die meinem Wissen

Und meinem Denkerstreben sich entzogen.

Ich sah dich damals in dem Kreis von Menschen,

In welchem Benedictus Führer war;

Ich durfte deiner Offenbarung lauschen.

Ich konnte an Thomasius dann später

Erkennen, wie die Geistesschülerschaft

In einer Menschenseele machtvoll wirkt.

Was ich dadurch erlebte, raubte mir

den Glauben an Vernunft und Wissenschaft

und zeigte doch in jener Zeit mir nichts,

das mir verständlich hätte scheinen können.

Ich wandte mich von allem Denken ab

und wollte dumpf das Leben weiterführen,

das mir nun nicht mehr lebenswert erschien.

Die Technik, der ich mich ergab, sie sollte

vergessen und Betäubung mir verschaffen.

Und ich erlebte ein zerquältes Dasein,

bis ich zum zweiten Male dir begegnete,

und wir dann bald auch gute Freunde wurden.

Theodora:

Begreiflich ist’s, daß dir an diesem Tage

Erinnerung die alten Zeiten wieder

so lebhaft vor die Seele stellen kann.

Auch meinem Herzen ist’s Bedürfnis, heute

den Blick zurück zu jener Zeit zu wenden,

in welcher wir zum Lebensbund uns fanden.

Ich fühlte damals stetig sich verstärken

die Kraft, die meine Seele fähig machte,

aus Geisteswelten Wissen zu empfangen.

Und unter Felix Baldes edler Führung

erwuchs dann diese Kraft zu jener Höhe,

auf welcher sie vor sieben Jahren war.

Ich traf in dieser Zeit Capesius

einmal in Felix’ Waldeseinsamkeit.

Er hatte sich nach langem Forscherleben

zur Geistesschülerschaft hindurchgekämpft.

Er fand es wichtig, sich bekannt zu machen

mit meiner Art, die Geisteswelt zu schauen.

Ich war dann später oft mit ihm zusammen.

In seinem Hause durft’ ich dir begegnen

und deinen Wissensschmerzen Heilung bringen.

Strader:

Und wahres Licht empfing so meine Seele,

die lange nur in Finsternis geblickt.

Ich sah nun, was der Geist in Wahrheit ist.

Du liessest mich in solcher Art erkennen,

was dir aus höhern Welten sich erschloss,

daß alle Zweifel schnell verschwinden konnten.

Dies alles wirkte damals so auf mich,

daß ich fürwahr zuerst in dir nichts andres

als nur den Mittler für den Geist erblickte.

Es brauchte lange Zeit, bis ich erkannte,

daß nicht allein mein Geist den Worten lauschte,

die seine wahre Heimat ihm enthüllten;

daß auch mein Herz dem Sprecher sich ergab

und seine Nähe nicht entbehren konnte.

Theodora:

Und dann vertrautest du mir, was du fühltest.

So sonderbar war, wie du alles sagtest.

es war, als ob nicht Ein Gedanke dir

sich hätte bilden können an Erfüllung

der Sehnsucht, die in deinem Herzen lebte.

So waren deine Worte, die nur Rat

sich suchen wollten bei der Seelenfreundin.

Du sprachst von Hilfe, die dir nötig sei,

und auch von Stärkung deiner Seelenkräfte,

die dich in schwerer Lage halten müssten.

Strader:

Daß mir der Geistesbote als Gefährtin

vom Schicksal wirklich vorbestimmt sein könnte,

dies lag recht ferne allem, was ich dachte,

als ich mich hilfesuchend dir eröffnet.

Theodora:

Und wie ergaben doch die Worte dann,

die Herz vom Herzen loszulösen wußte,

gar bald, daß dies nicht anders könnte sein.

Die Herzen müssen oft das Schicksal deuten.

Strader:

Und als dein Herz das Schicksalswort gesprochen,

durchzogen meine Seele Lebenswellen,

die ich nicht fühlen konnte, als sie waren,

die erst viel später als Erinnerung

aus Seelen-Untergründen sich erhoben

und dann wie Licht-Erstrahlen sich erfühlten.

Und wissen konnte ich, an was ich mich

erinnern, doch es nicht erleben konnte,

weil vieles mich noch trennt’ vom Geist-Erleben.

Es war das erste Mal, daß ich den Geist

unmittelbar in meiner Seele wußte.

Es hat sich mir nicht wiederholt; und doch,

es konnte wahrlich mir Gewißheit geben,

die auf ein ganzes Leben lichtvoll strahlt.

Und dann verflossen sieben schöne Jahre.

Ich durfte fühlen, wie Mechanik selbst,

Der ich jetzt diene, sich befruchten lässt

von Seelen, die zur Geisteswelt sich recht

zu stellen wissen. Nur die Geistgewalt,

die lebenfördernd du mir geben konntest,

ließ mich das Kräftestreben so durchschauen,

daß mir, wie eingegeben, jene Schöpfung

ganz plötzlich vor den Geist sich stellen konnte,

von welcher man wohl vieles hoffen darf.

In deinem Lichte fühlte meine Seele          

die Kräfte voll erwachsen, die in ihr

verfallen wären, wenn nur sie allein gelebt.

Die Lebenssicherheit, die mir geworden,

sie ließ mich aufrecht stehen damals selbst,

als vor den Rosenkreuzern so erschütternd

Thomasius die eigne Wissenstat

verdammte und mit hartem Urteil sich

verwarf in jener Stunde, welche ihn

zu seiner Lebenshöhe bringen wollte.

Es konnte innre Sicherheit mich halten,

als mir die Aussenwelt ein Übermaß

an Widerspruch zu offenbaren schien.

und alles dies hast du allein gegeben.

Erst brachte mir die Geistesoffenbarung,

die ich durch dich empfing, erstrebtes Wissen;

Und als die Offenbarung nicht mehr kam,

verbliebst du doch als stärkend Seelenlicht.

Theodora (wie tiefsinnend als abgebrochener Satz):

Als dann die Offenbarung nicht mehr kam ...

Strader:

Das ist’s, was mir oft schwere Sorgen machte.

Ich fragte mich, ob dir nicht tiefer Schmerz

erwachse durch Verlust des Sehertums

Und du, um mich zu schonen, schweigend leidest;

doch deines Wesens Gleichmass zeigte mir,

daß du die Schicksalsfügung ruhig trägst.

Nur in den letzten Zeiten bist du anders;

der Frohsinn strahlt um dich nicht mehr wie früher,

und deines Auges glimmend Licht verfällt.

Theodora:

Daß mir die Geistesoffenbarung schwand,

es konnte mir fürwahr nicht schmerzlich sein.

Es hat das Schicksal meinen Weg geändert;

das mußte ich gelassen auf mich nehmen.

Doch ist sie mir recht schmerzvoll neu geworden.

Strader:

Zum erstenmal in diesen sieben Jahren

ist Theodora unverständlich mir.

Es war dir jedes Geisterlebnis doch

zugleich ein Quell der innern Seligkeit.

Theodora:

Ganz anders ist die Offenbarung jetzt.

Zuerst empfinde ich, wie früher, mich

genötigt, eignes Denken auszuschalten;

doch während ehemals nach kurzer Zeit,

wenn Leerheit meines Innern mir gelungen,

ein sanftes Licht die Seele mir umwob

und sich der Geist zu Bildern formen wollte,

erzeugt sich jetzt unsichtbar widrig Fühlen;

doch so, daß ich genau erkennen kann,

die Kraft, die ich empfinde, kommt von aussen.

Und Furcht ergiesst sich dann in mein Erleben,

die ich nicht bannen kann, die mich beherrscht.

Und fliehen möchte ich vor jenem Wesen,

das mir unsichtbar, doch abscheulich ist.

Es will zu mir sich wunscherfüllt bewegen;

und hassen muß ich, was sich offenbart.

Strader:

Unmöglich scheint doch dies bei Theodora.

Man hält, was so erlebt wird, sonst für Wirkung

der eignen Seelenkräfte, die sich spiegeln.

Doch deine Seele kann sich so nicht zeigen.

Theodora (schmerzvoll, langsam, nachdenklich):

Es ist mir diese Meinung wohl bekannt.

Deshalb versenkt’ ich mich mit aller Kraft,

die meiner Seele jetzt noch übrig ist,

inbrünstig in die Geisterwelt und bat,

es möchten mir die Wesen, die vorher

sich oft mir neigten, gnädig offenbaren,

wie ich die Gründe meines Leides finde.

(Nun folgen abgerissene Worte.)

Und da ... erschien der ... Lichtesschein ... wie … früher

Er ... formte ... sich zum Bilde eines ... Menschen ...

es war ... Thomasius.

Strader (schmerzlich, von rasch sich einstellenden Empfindungen beherrscht):

... Thomasius ...

Der Mensch, an den ich immer glauben möchte …

(Pause, dann schmerzlich nachdenkend):

Wenn ich mir vor die Seele rufen wollte,

wie er dem Mystenbunde gegenüber ...

wie er von Ahriman und sich gesprochen …

(Theodora versinkt in Nachdenken und starrt wie geistabwesend in das Leere.)

Strader:

O Theodora ... was erblickst du ... jetzt …

(Vorhang fällt.)

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