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Erstes Bild.

 

(Ein Bibliotheks- und Studierzimmer des Capesius. Brauner Grundton. Abendstimmung. Capesius dann Geistgestalten, die Seelenkräfte sind; hernach Benedictus. Dieses und die folgenden Bilder stellen Ereignisse dar, welche mehrere Jahre nach der Zeit liegen, in welcher »Die Pforte der Einweihung« spielt.)

Capesius (lesend in einem Buche):

»Ins Wesenlose blickend mit dem Seelenauge,

Und in des Denkens Schattenbildern

Nach selbstgemachten Regeln träumend –:

So forschet oft des Menschen irrend Wesen

 Nach Sinn und Ziel des Lebens.

Aus Seelentiefen will es Antwort holen

Auf Fragen, die nach Weltenweiten zielen.

Doch solches Sinnen lebt im Wahne schon

Bei seinen allerersten Schritten,

Und sieht zuletzt die Geistesblicke

Ohnmächtig sich nur selbst verzehren.«

(Das folgende sprechend):

So prägt in ernsterfüllte Worte

Des Benedictus Sehergeist

Die Seelenbahn gar vieler Menschen.

Vernichtend trifft mich jedes dieser Worte – –.

Des eignen Lebensweges Bild,

Sie malen mir es grausam wahr.

Und wenn ein Gott in dieser Stunde

Aus wilder Stürme Macht

Im Zorne sich mir nahen wollte,

Es könnten seine Schreckgewalten  

Entsetzensvoller mich nicht quälen,

Als dieser Schicksalsworte Kraft.

In einem langen Menschenleben

hab ich gewoben nur in Bildern,

die schattenhaft sich zeichnen

im Seelentraum, der wahnbefangen

Natur und Geistestaten spiegelt,

und der aus seinem Traumgewebe

gespenstig Weltenrätsel lösen will.

Ich wandte nach so manchem Ziel

die suchende Seele rastlos hin –;

Doch klar muß ich erkennen:

ich selbst – ich lebte nicht in meiner Seele,

wenn wahnbetört in Weltenfernen

des Denkens Fäden hin sich spinnen wollten.

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

So blieb ein leeres Sinnen nur,

was ich in Bildern selbstgefällig malte.

Da trat in meine Lebensbahn

Thomasius, der junge Maler –;

Er schritt durch wahre Seelenkräfte

zu jener hohen Geistesart,

die Menschenwesen wandelt

und aus verborgnen Seelenschachten

entsteigen läßt die Kräfte

die Daseinsquellen schaffen.

Was ihm erwuchs aus Seelengründen –:

Es ruht in jedem Menschen.

Und weil es mir an ihm sich offenbarte,

Erkenn’ ich als des Lebens größte Sünde,

den Geistesschatz verfallen lassen. –

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

So weiß ich, daß ich suchen muß – ‒ ‒

und darf im Zweifel nicht verharren.

Es hätte früher meines Denkens eitler Weg

zur falschen Meinung mich verführen können:

vergebens sei des Menschen Forschungstrieb,  

Entsagung nur gezieme allem Sinnen,

das nach den Lebensquellen strebt.

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Und wenn als aller Weisheit Schluß

sich sicher mir ergeben hätte,

daß Menschenschicksalsmächte fordern,

als Eigenwesen zu versinken

ins wesenlose Nichts:

ich wagt’ es unverzagt. – ‒ ‒

Es wäre Frevel, so zu denken,

nachdem ich deutlich hab’ erfahren,

daß ich nicht Ruhe finden darf,

bevor der Geistesschatz in meiner Seele

das Licht des Tages hat gefunden.

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Es haben Geisteswesen ihrer Arbeit Früchte

in Menschenseelen eingepflanzt;

und Götterwerk vernichtet,

wer ungepflegt die Geistessamen läßt verwesen. –

So kann ich höchste Lebenspflicht erkennen –;

doch will ich einen Schritt nur wagen

in jenes Reich, das ich nicht meiden darf,

so fühl’ ich, wie die Kräfte mir versagen,

durch die in hochmutvollem Denken

ich deuten wollte Lebensziele

in Zeitenstrom und Weltenweiten.

Einst glaubte ich, mit Leichtigkeit,

Gedanken aus dem Hirn zu pressen,

die Wirklichkeiten greifen sollten.

Doch jetzt, da ich den Lebensquell

im Wahrheitslicht erfassen will,

erscheint des Denkens Werkzeug stumpf –,

und machtlos quäl’ ich mich,

Gedankenbilder klar zu formen

aus Benedictus’ ernsten Worten,

die mir die Geisteswege weisen sollen:

(Das weitere wieder lesend):  

»In deine Seelentiefen dringe ruhig;

und Starkmut laß dir Führer sein.

 

Verliere frühern Denkens Formen,

wenn du versinkst in dich,

um dich aus dir zu führen.

Ertötend alles Eigenlicht

erscheint dir Geisteshelle.«

(Das folgende wieder sprechend):

Es ist, als ob der Atem mir versagen wollte,

wenn ich erstrebe, solcher Rede Sinn zu fassen.

Und eh’ ich fühle, was ich denken soll,

ergreifen Angst und Schrecken meine Seele.

Empfinden muß ich, wie wenn alles,

was bis hierher im Leben mich umgab,

zusammenstürzen und in seinen Trümmern

zum Nichts mich wandeln müßte.

O, hundertmal hab’ ich gelesen

Die Worte, die nun folgen – – –:

Mit einem jeden Male ist

Nur finstrer die Finsternis

Um mich hereingebrochen.

(Wieder lesend):

»In deinem Denken leben Weltgedanken,

in deinem Fühlen weben Weltenkräfte,

in deinem Willen wirken Weltenwesen.

Verliere dich in Weltgedanken,

erlebe dich durch Weltenkräfte,

erschaffe dich aus Willenswesen.

Bei Weltenfernen ende nicht

Durch Denkentraumesspiel – – –;

beginne in den Geistesweiten,

und ende in den eignen Seelentiefen: –

du findest Götterziele

erkennend dich in dir.«

(Ohnmächtig durch eine Vision in sich versinkend)

(Zu sich kommend, das weitere sprechend):

Was war dies?

(Drei Gestalten, als Seelenkräfte, umschweben ihn):  

Luna:

Die Kraft, sie fehlt dir nicht

zum edlen Geistesflug.

Sie ist gegründet

im Menschenwollen.

Sie ist gehärtet

von Hoffnungssicherheit.

Sie ist gestählet

von Zukunftsferneblicken.

Der Mut nur fehlet dir,

ins Wollen zu ergießen

die Lebenszuversicht – – –.

Ins weite Unbekannte

zu wagen nur, erkühne dich!

Astrid:

Von Weltenfernen

aus Sonnenfreudelicht –,

von Sternenweiten

aus Weltenzaubermacht –,

vom blauen Himmelsäther

aus Geistes Höhenkraft –,

erstrebe Seelenmacht

und lenke ihre Strahlen

in Herzensgründe;

erwarmend wird Erkenntnis

erzeugen sich in dir.

Die andre Philia:

Sie täuschen dich

die bösen Schwestern;

Sie wollen dich umspinnen

mit Lebensgaukelspiel.

Es wird zerfließen

der Gaben eitler Trug,

den sie dir reichen,

wenn du mit Menschenkraft

ihn halten willst.

Sie führen dich  

zu Götterwelten,

und werden dich zerstören,

wenn du in ihrem Reich

das Menschenwesen

ertrotzen willst.

Capesius:

Es war ganz deutlich – – –

es sprachen Wesen hier – –

und doch, es ist gewiß – –

kein Mensch ist außer mir

an diesem Ort – – – –

– – – – – – – – –

So habe ich zu mir nur selbst gesprochen – – – ?

Auch das ist möglich nicht;

denn nimmer könnte ich ersinnen,

was ich zu hören meinte –

Bin ich denn noch,

der ich vordem war?

(An seinen Gebärden ist zu bemerken, daß er sich unfähig fühlt »Ja« zu antworten.)

 O – ich bin – ich bin es nicht –

– – – – – – – – – – – – – –

(Geistesstimme, das geistige Gewissen):

Es steigen deine Gedanken

in Menschenwesens Tiefen.

Was als Seele dich umhüllt,

was als Geist in dich gebannt,

entschwebet in Weltengründe;

von deren Fülle

die Menschen trinkend

im Denken leben;

von deren Fülle

die Menschen lebend

im Scheine weben.

Capesius:

Zu viel ..... zu viel –

Wo ist Capesius?

Ich fleh’ zu euch,

ihr unbekannten Mächte,  

wo ist ….. Capesius?

Wo bin ich selbst?

(Er versinkt neuerdings brütend in sich).

Benedictus (tritt ein. Capesius bemerkt ihn zunächst nicht, Benedictus berührt ihn an der Schulter):

Es ist mir kund geworden,

daß Ihr verlangt, mit mir zu sprechen;

so sucht’ ich Euch in Eurem Heim.

Capesius:

So gütig ist’s von Euch,

den Wunsch mir zu erfüllen.

Doch hättet Ihr mich kaum

in einer schlechtren Lage treffen können.

– – – – – – – – – – – – – –

Und daß nach solcher Seelenpein,

wie sie mich eben traf,

ich nicht gelähmt am Boden

in diesem Augenblicke vor Euch liege,

nur Eurem milden Blicke dank’ ich es,

 der meinen fand, als eure Hand

so sanft mich aus den Schreckensträumen weckte.

Benedictus:

Verborgen ist’s mir nicht,

daß ich im Lebenskampfe Euch getroffen.

Ich wußt’ es lange schon,

daß wir uns so begegnen müssen.

Gewöhnet Euch, zu wandeln mancher Worte Sinn,

wenn wir uns ganz verstehen sollen.

Und wundert Euch dann nicht,

wenn Euer Schmerz in meiner Sprache

den Namen ändern muß. ‒

– – – – – – – – – – – – – – – –

Ich finde Euch im Glücke.

Capesius:

So mehrt Ihr noch die Qual,

die mich in Finsternise wirft.

Ich fühlte eben, als wenn entflohen  

 das eigne Selbst in Weltentiefen wäre,

und durch des Selbstes Glieder fremde Wesen

in diesem Raume sprächen. –

Das ich solch Geistesgaukelspiel

als Wahn empfinden durfte,

und Schmerz mir war der Trug der Seele:

das hielt allein mich aufrecht.

O raubt mir solchen Fühlens Stütze nicht! –

Nennt Glück mir nicht, was Fieberwahn, –

soll ich nicht ganz verloren sein.

Benedictus:

Es kann der Mensch verlieren nur,

was ihn vom Weltenwesen scheidet.

Und scheint ihm erst verloren,

was er in Denkens Traumesstimmung

zu wesenlosem Dienst mißbraucht’,

so soll er suchen, was sich ihm entwunden.

Er wird es wiederfinden,

und dann es erst in rechter Art

Dem Menschenwerke weihen.

Zu trösten Euch in dieser Stunde,

es wär’ ein lehrhaft Spiel mit Worten.

Capesius:

Nein – Lehren, die Vernunft allein genügen,

sie sind doch wahrlich nicht bei Euch zu finden.

Ich hab’ es schwer empfinden müssen.

Gleich Taten, die auf Höhen führen,

und auch in Abgrundtiefen stürzen,

so strömet feurig Leben

und Todeskälte auch durch eure Reden

in Menschenseelen kraftvoll ein.

Sie wirken wie des Schicksals Winke

und auch wie Lebensliebesstürme.

Ich hab’ gedacht, geforscht,

bevor ich Euch begegnet; – –

des Geistes Schöpferkräfte

und sein Vernichtungswerk,  

sie kenn’ ich erst,

seit ich in eure Spuren trat.

– – – – – – – – – – – – – – –

Was Euer Wort in meiner Seele angerichtet,

das fandet Ihr an mir,

als Ihr in meine Stube tratet.

Ich war zermartert oft

beim Lesen Eures Lebensbuches;

doch heute war der Qualen Maß erfüllt.

Und überfließen mußte meine Seelennot

Durch Eures Buches Schicksalswort.

Verständnis eurer Reden,

es bleibt versagt der Seele;

doch wie ein Lebenssaft

ergoß das Wort ins Herz sich mir

und wirkte Zauberwelten,

daß mir des Sinnes Klarheit schwand.

Gespenstig Wesen sah ich um mich gaukeln,

Bedeutsam dunkle Worte konnte ich

aus krankhaft irrer Seele tönen hören.

Ich weiß, daß Ihr nicht alles,

was Ihr für Menschenseelen hütet,

der Schrift wollt’ anvertrauen,

und daß Ihr manches Rätsels Lösung

je nach Bedürfnis an die Menschen wendet.

So gönnt auch mir, weß ich bedarf;

denn wissen muß ich,

was mir Vernunft und Sinne raubte

und mich mit luftig Zauberwerk umgab.

Benedictus:

Es wollen meine Worte nicht das allein nur sagen,

was als Begriffeshüllen sie verraten;

sie lenken Seelenwesenskräfte

zu Geisteswirklichkeiten;

ihr Sinn ist erst erreicht,

wenn sie das Schauen lösen in den Seelen,

die sich ergeben ihrer Kraft.  

Sie stammen nicht aus meinem Forschen,

sie sind von Geistern mir vertraut,

die kundig sind der Zeichen,

in welchem sich das Weltenkarma offenbart.

Zu führen an Erkenntnisquellen

ist dieser Worte Eigenheit.

Doch muß dem Menschen es verbleiben,

der sie vernimmt im wahren Wesen,

zu trinken Geistessäfte aus den Quellen.

Und gegen meiner Worte Absicht ist es nicht,

daß sie in Welten Euch entrückt,

die Euch gespenstig scheinen.

Ihr habt ein Reich betreten,

das Wahn Euch bleiben muß,

wenn Ihr in ihm euch selbst verliert,

Das sicher aber aller Weisheit erste Pforte

für eure Seele öffnen wird,

wenn Ihr in ihm Euch selbst bewahrt.

Capesius:

Und wie kann ich mich selbst bewahren?

Benedictus:

Die Lösung wird Euch dieser Rätselfrage,

wenn Ihr mit wachem Seelenauge

euch stellt vor manche Wunderdinge,

die bald in eure Wege treten sollen.

Zur Prüfung seh’ ich Euch gefordert

Von Schicksalsmächten und von Geistgewalten.

(Geht ab.)

Capesius:

Zwar kann ich seiner Worte Sinn nicht deuten,

doch fühl’ ich sie in meinem Wesen wirken. –

Er hat ein Ziel mir angewiesen – –;

Ich will dem Wink gehorchen.

Er fordert nicht Gedankenstreben;

Er will, daß ich in Geisteswirklichkeiten

Die Schritte forschend lenke.

– – – – – – – – – – – – – – – –

Ich kenne seiner Sendung Wesen nicht;  

Vertrauen doch erzwingt sein Tun;

er hat mich wieder zu mir selbst gebracht.

So mag für diese Stunde

mir ungewiß auch bleiben

das Zauberwesen, das mich schreckte;

ich will mich frei entgegenstellen

den Dingen, die er mir prophetisch kündet.

(Vorhang, während Capesius noch stehen bleibt.)  

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