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Neuntes Bild

 

(Die Waldwiese wie im sechsten Bild, Joseph Kühne, Frau Kühne, deren Tochter Berta; dann Bauern, später der Mönch; zuletzt Caecilia (genannt Cilli), Kühnes Pflegetochter und Thomas.)

Berta:

Ich möchte gar zu gerne, liebe Mutter,

aus deinem Munde die Geschichte hören,

 von welcher Cilli früher öfter sprach.

Du weißt ja alle Märchen zu erzählen,

die unser lieber Vater von den Rittern

nach Hause bringt, und welche viele Leute

mit größter Freude gern vernehmen.

Joseph Kühne:

 Die Märchen sind ein wahrer Seelenschatz.

Was sie dem Geiste geben, bleibt erhalten

noch über unsern Tod hinaus, und wird

in spätern Erdenleben Früchte bringen.

Sie lassen uns das Wahre dunkel ahnen;

 und aus der Ahnung machen unsre Seelen

Erkenntnis, die uns nötig ist im Leben.

Ja, wenn die Leute nur verstehen könnten,

was unsre Ritter ihnen alles schenken.

Caecilia und Thomas haben leider

 für diese Dinge jetzt nur taube Ohren,

weil sie die Weisheit anderswo empfangen.

Berta:

Ich möchte heute die Geschichte hören,

die von dem Guten und dem Bösen handelt.  

Frau Kühne:

Ich will sie dir recht gern erzählen, höre:

 Es lebt’ einmal ein Mann,

der sann über viel Weltendinge nach.

Es quälte sein Gehirn am meisten,

wenn er des Bösen Ursprung kennen wollte.

Da konnte er sich keine Antwort geben.

»Es ist die Welt von Gott, - so sagt’ er sich,

und Gott kann nur das Gute in sich haben.

Wie kommen böse Menschen aus dem Guten?«

Und immer wieder sann er ganz vergebens;

die Antwort wollte sich nicht finden lassen.

 Da traf es sich einmal, daß jener Grübler

Auf seinem Wege einen Baum erblickte,

der im Gespräche war mit einer Axt.

Es sagte zu dem Baume jene Axt:

»Was dir zu tun nicht möglich ist, ich kann es tun.

 ich kann dich fällen, du mich aber nicht.«

Da sagte zu der eitlen Axt der Baum:

»Vor einem Jahre nahm ein Mann ein Holz,

woraus er deinen Stiel verfertigt hat,

durch eine andre Axt aus meinem Leib.«

 Und als der Mann die Rede hatt’ gehört,

erstand in seiner Seele ein Gedanke,

den er nicht klar in Worte bringen konnte,

der aber volle Antwort gab der Frage:

wie Böses aus dem Guten stammen kann.

Joseph Kühne:

 Bedenke die Geschichte, meine Tochter;

und sehen wirst du, wie Naturbetrachtung

Erkenntnis schaffen kann im Menschenkopfe.

Ich weiß, wie viel ich mir erklären kann,

wenn ich die Märchen denkend weiterspinne,

 durch welche unsre Ritter uns belehren.

Berta:

Ich bin fürwahr ein recht einfältig Ding,

und würde sicher nichts von dem verstehen,  

was kluge Leute mit gelehrten Worten

von ihrer Wissenschaft erzählen können.

 Mir fehlt auch jeder Sinn für solche Dinge.

Ich werde ganz verschlafen, wenn der Thomas

Von seinen Sachen uns berichten will.

Doch wenn mein lieber Vater seine Märchen

von unsrer Burg nach Hause bringt, und oft

 durch viele Stunden seine eignen Worte

mit dem verbindet, was er uns erzählt,

so hör’ ich gerne ohne Ende zu.

Die Cilli spricht gar oft vom frommen Sinn,

der mir nach ihrer Meinung fehlen soll.

 Ich fühle aber rechte Frömmigkeit,

wenn ich die Märchen mir vor Augen stelle,

und mich an ihnen herzlich freuen kann.

(Joseph Kühne, Frau Kühne und Berta gehen ab.)

* * *

(Es betreten nach einer Pause Bauern die Wiese.)

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

1. Bauer:

Es ist mein Oheim gestern heimgekommen.

Es hat sich lange Zeit in Böhmen

 als Bergmann redlich durchgeschlagen.

Er weiß gar vieles zu erzählen,

das er auf seiner Reise hat gehört.

Die Aufregung ist überall vorhanden.

Man rückt den Geistes-Rittern jetzt zu Leibe.

 Auch gegen unsre Bundesbrüder

ist nun schon alles vorbereitet.

Die Burg wird bald belagert werden.

2. Bauer:

Sie sollen nur nicht lange warten lassen.

Es wird bei uns gewiß so mancher

 sich ihnen gern als Kämpfer zugesellen.

Ich werde sicher zu den ersten zählen.

1. Bäuerin:

Du wirst in dein Verderben rennen.  

Wer kann so unverständig sein,

und nicht bedenken wollen,

 wie stark die Burg befestigt ist.

Der Kampf wird furchtbar sein.

2. Bäuerin:

Die Bauern sollten sich nicht mischen

in Dinge, die sie nicht verstehn.

Statt dessen zieht so mancher jetzt

 von Ort zu Ort in unsrer Gegend

und schürt recht fleißig die Empörung.

Man hat es schon so weit gebracht,

daß Kranke hilflos jammern müssen.

Der gute Mann, der früher

 so vielen Menschen hilfreich war,

er kann nicht mehr die Burg verlassen;

man hat ihn furchtbar zugerichtet.

3. Bäuerin:

Verbittert waren eben viele Menschen,

als sie gehört, woher die Krankheit kommt,

 die unter unsern Kühen ausgebrochen ‒ ‒.

Der Jude hat sie ihnen angezaubert.

Er heilt die Menschen nur zum Schein,

damit er mit den Höllenkräften

den Zwecken böser Mächte dienen kann.

3. Bauer:

 Mit allem Schwätzen von der Ketzerei

war wenig auszurichten;

die Leute hatten, was sie brauchten,

und kamen so zu weiter nichts,

als daß sie sich mit üblen Reden

die freie Zeit vertrieben.

Da hat geschickt ein Menschenkenner

den Unsinn ausgesonnen,

der Jude hätte unser Vieh verzaubert;

Da brach der Sturm erst los.

4. Bauer:

 Ich denk’, ihr könntet alle wissen,  

was Krieg und Kriegsnot heißt.

Die Väter haben uns erzählt,

was sie erleben mußten

in jenen Zeiten, als das Land

 von Truppen überall besetzt gewesen.

4. Bäuerin:

Ich hab es immer schon gesagt:

es muß die Herrlichkeit verschwinden.

Mir hat ein Traum schon vorgestellt,

wie wir den Truppen dienen können,

 die zur Belagerung erscheinen,

und sie recht gut versorgen.

6. Bauer:

Ob Träume uns noch glaubhaft sind,

das wollen wir nicht fragen.

Die Ritter wollten uns gescheiter machen

 als unsre Väter waren.

Sie sollen jetzt erfahren,

wie wir viel klüger sind geworden.

Die Väter haben sie hereingelassen;

Wir werden sie verjagen.

 Ich kenne die geheimen Schliche,

durch die man in die Burg gelangt.

Ich war darin in Arbeit,

bis mich der Zorn herausgetrieben hat.

Ich will den Rittern zeigen,

 daß Wissenschaft uns nützen kann.

5. Bäuerin:

Der denkt gewiß an gute Dinge nicht,

mir wurde Angst bei seiner Rede.

5. Bauer:

Mir hat sich schon im Geistesbild gezeigt,

wie ein Verräter auf geheimen Wegen

 die Feinde in die Burg geleitet.

6. Bäuerin:

Ich finde solche Bilder ganz verderblich.

Wer christlich jetzt noch denken kann,  

der weiß, daß Ehrlichkeit,

und nicht Verräterei,

 vom Bösen uns befreien wird.

6. Bauer:

Ich laß die Leute reden

Und tu’, was nützen kann.

Gar mancher schilt als Unrecht,

was er nicht selbst verrichten kann,

 weil er den Mut nicht hat.

Doch laßt uns weitergehn;

es kommt des Weges schon der Pater.

Wir wollen ihn nicht stören. –

Ich konnte ihm doch sonst

 so leicht in allem folgen;

doch heute war in seiner Predigt

mir manches Wort recht unverständlich.

(Die Bauern gehen nach dem Walde zu ab.)

* * *

(Es kommt nach einer Pause der Mönch über den Wiesenweg.)

Mönch:

Der Seele Wege müssen sich verwirren,

wenn sie dem eignen Wesen folgen will.

 Es konnte nur die Schwäche meines Herzens

die Wahngestalten mir vor Augen stellen,

als ich in jenem Hause mich befand.

Daß sie im Streit sich vor mich stellen mußten,

es zeigt doch nur, wie wenig noch in mir

 die Seelenkräfte sich vereinen können.

Ich will deshalb von neuem mich bestreben,

im Innern mir die Worte zu entzünden,

die mir das Licht aus Geisteshöhen senden.

Nach andren Wegen kann nur der begehren,

 dem Eigenwahn den Sinn verblendet hält.

Es kann die Seele nur den Trug besiegen,

wenn sie der Gnade würdig sich erweist,

die ihr das Geisteslicht aus Liebequellen

im Weisheitsworte offenbaren will.  

 Ich weiß, ich finde dich, du edle Kraft,

die mir beleuchten kann der Väter Lehren,

wenn ich des Eigendünkels Finsternissen

mit fromm ergebnem Herzen kann entfliehn.

(Der Mönch geht ab.)

* * *

(Es kommen nach einer Pause auf die Wiese Caecilia, genannt Cilli, und Thomas.)

Cäcilia:

Mein lieber Bruder, wenn ich oft inbrünstig

 Im stillen Beten mich dem Quell der Welt

Mit ganzer Seele neigte, und die Sehnsucht,

Vereint mit ihm zu sein, mein Herz erfüllte,

Da trat vor meinen Geist ein Lichtesschein. ‒

Es strömte eine milde Wärme aus;

 Es formte sich der Schein zum Menschenbilde;

Das schaute mich mit sanftem Auge an,

Und Worte tönten mir aus diesem Bilde.

Sie klangen so:

»Du wardst verlassen einst durch Menschenwahn,

 Du wirst getragen jetzt durch Menschenliebe,

So warte, bis die Sehnsucht finden wird

Den Weg, der sie zu dir geleiten kann.«

So sprach das Menschenbild gar oft zu mir.

Ich konnte seine Worte mir nicht deuten;

 Die dunkle Ahnung doch erquickte mich,

Daß sie sich mir dereinst erfüllen werden.

Und dann, als du, geliebter Bruder, kamst,

Und ich zum erstem Mal dich sehen konnte,

Da fühlte ich der Sinne Kraft entschwinden;

 Du glichest jenem Menschenantlitz ganz.

Thomas:

Es hat dich Traum und Ahnung nicht getäuscht,

Es hat die Sehnsucht dich zu mir geleitet.

Cäcilia:

Und als du zur Gefährtin mich begehrtest,

Da glaubt’ ich dich vom Geiste mir bestimmt.  

Thomas:

 Daß uns der Geist zusammenführen wollte,

Fürwahr, es zeigt sich uns mit voller Klarheit,

Obgleich wir ihn erst mißverstanden haben.

Als ob er mir das Weib bescheren wollte,

So schien es mir, als ich dich kennen lernte.

 Ich fand die früh verlorne Schwester wieder!

Cäcilia:

Und nun soll nichts uns ferner trennen können.

Thomas:

Und doch, wie vieles stellt sich zwischen uns!

Die Pflegeeltern sind so eng verbunden

Der Brüderschaft, die ich verwerfen muß.

Cäcilia:

 Sie sind von Lieb’ und Güte ganz erfüllt;

Du wirst an ihnen gute Freunde haben.

Thomas:

Es wird mein Glaube mich von ihnen trennen.

Cäcilia:

Du wirst durch mich den Weg zu ihnen finden.

Thomas:

Es hat der liebe Kühne starren Sinn:

 Es wird ihm stets als Finsternis nur gelten,

Was mir doch alles Lichtes Quelle ist.

Ich habe mich in reifen Jahren erst

Zu diesem Weisheitslichte wenden dürfen.

Was ich als Kind von ihm vernommen habe,

 Ist meinem Geiste kaum bewußt geworden.

Und später war ich nur darauf bedacht,

Die Wissenschaft mir richtig anzueignen,

Die mir das Leben unterhalten sollte.

Und hier erst konnte ich den Führer finden,

 Der mir die Seele hat befreien können.

Die Worte, welche er mich hören ließ,

Sie tragen aller Wahrheit echte Zeichen.

Er spricht in solcher Art, daß Herz und Kopf

Zugleich der Lehre sich ergeben müssen,  

 Die er voll Milde und voll Güte gibt.

Vorher verwandte ich die größte Mühe,

Die andre Geistesart mir klar zu machen.

Ich fand, daß sie in Irrtum führen muß.

Sie hält sich nur an jene Geisteskräfte,

 Die wohl im Erdentreiben sicher führen,

Doch nicht zu höhern Welten führen können.

Und wie soll ich den Weg nun finden können,

Zum Herzen solcher Menschen, die alles Heil

Von diesem Irrtum nur erwarten wollen.

Cäcilia:

 Ich höre deine Worte, lieber Bruder;

sie scheinen nicht vom Frieden eingegeben.

Mir aber ließen sie ein Friedensbild

aus frühern Tagen vor die Seele treten.

Am Karfreitag war’s, vor vielen Jahren,

 da sah ich auch das Bild, von dem ich sprach.

Es sagte mir zu jener Zeit der Mann,

der meines lieben Bruders Züge trug:

»Aus Gottessein erstand die Menschenseele,

sie kann in Wesensgründe sterbend tauchen,

 sie wird dem Tod dereinst den Geist entbinden.«

Erst später ist mir klar bewußt geworden,

daß dieses unsrer Ritter Wahlspruch ist.

Thomas:

O Schwester, so muß mir aus deinem Munde

der böse Spruch ertönen, der den Gegnern

 als höchster Geisteswahrheit Inhalt gilt.

Cäcilia:

Ich bin im Herzen gänzlich abgeneigt

den äußern Taten dieser Ritterschaft,

und bin dem Glauben treu, der dich erbaut.

Doch niemals konnte ich mich überzeugen,

 daß nicht in Christi Spuren wandeln sollten

die Menschen, die als ihrer Lehre Ziel

sich so die Seelenpfade vorgezeichnet.

Ich bin des Geistes treu ergebne Schülerin,  

Und muß bekennen, daß ich glauben will,

 Es habe meines Bruders Geist an jenem Tage

Von Seelenfriedenszielen sprechen wollen.

Thomas:

Durch Schicksalsmächte scheinen unserm Leben

Die Seelenfriedensziele nicht bestimmt;

Sie haben unsern Vater uns genommen

 In jener Stunde, die ihn uns gegeben.

Cäcilia:

Es raubt der Schmerz mir alle Sinnenklarheit,

Wenn ich dich so vom Vater sprechen höre.

Dein Herz, es zieht dich liebend hin zu ihm,

Und doch erbebst du, wenn du denken willst,

 Im Leben noch mit ihm vereint zu sein.

Du folgst in Treue unserm weisen Führer,

Und kannst nicht hören, wenn der Liebe Botschaft

So herzlich strömt durch seiner Worte Kraft.

Vor einem dunklen Rätsel fühl’ ich mich:

 Ich seh’ dein gutes Herz und deinen Glauben,

Und kann nur schaudernd vor dem Abgrund stehn,

Der zwischen beiden furchtbar sich vertieft.

Und lebte tröstend mir die Hoffnung nicht,

Daß Liebe siegend sich stets zeigen muß,

 So fehlte mir der Mut, dies Leid zu tragen.

Thomas:

Es ist dir noch verborgen, liebe Schwester,

Wie zwingend sich Gedankenkraft erweist,

Wenn sie des Menschen Seele ganz ergreift.

Nicht steht der Sohn dem Vater hier entgegen;

 Gedanke wendet von Gedanken sich. ‒ ‒

 

Ich fühle seine Macht in meiner Seele;

Sich ihr zu widersetzen, wäre mir

Des eignen Wesens wahrer Geistestod.

(Der Vorhang fällt, während noch Thomas und Caecilia auf der Wiese sind.)  

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