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Zwölftes Bild

 

(Dasselbe Zimmer wie im vorigen Bild. Johannes und Lucifer.)

 

Lucifer:

Erkenne an Capesius die Früchte,

die reifen müssen, wenn die Seelen sich

 dem Geistgebiet zu früh erschließen wollen.

Er kennt die Worte seines Lebensbuches

und weiß, was ihm obliegt für viele Leben. ‒ ‒

Doch Leid, das nicht im Schicksalsplane liegt,

ersteht aus Wissen, dem die Kräfte fehlen,

 zu Taten sich im Leben umzubilden.

Ob dieses oder jenes kann gelingen,

das liegt an eines Menschen Willensreife.

Bei jedem Schritt, den er ins Leben macht,

wird jetzt Capesius sich fragen müssen:

 Erfülle ich auch jedes Pflichtgebot,

das aus dem frühern Leben mir erwachsen?

So breitet sich ein Licht ihm über alles,

das ihm das Auge schmerzlich blenden muß,

und das doch nimmermehr ihm helfen kann.

 Es tötet Kräfte, die im Unbewußten

der Menschenseele sichre Führer sind,

und kann Besonnenheit doch nicht erhöhn.

So lähmt es nur des Leibes starke Macht,

bevor die Seele sie bemeistern kann.

Johannes:

 Ich kann den Irrtum meines Lebens schauen.

Ich raubte meinem Leib die Seelenkraft,

und trug sie stolz in hohe Geisterreiche.  

Doch nicht ein ganzes Menschenwesen ward

auf diesem Weg dem Lichte zugeführt.

 Ein leichter Seelenschatten war es nur.

Er konnte schwärmen für die Geistesweiten,

und Eins sich fühlen mit den Schöpfermächten.

Er wollte mit dem Lichte selig leben,

und in der Farbe Lichtes-Taten schauen.

 Als Künstler meinte er das Geistessein

in Sinneswelten schaffend nachzubilden.

Das Wesen, das von mir die Züge lieh,

es hat mir furchtbar wahr mich selbst gezeigt.

Ich träumte nur von reinster Seelenliebe,

 im Blute aber wühlte Leidenschaft. ‒

Ich durfte jetzt den Erdenweg erblicken,

der dieses Lebens echter Schöpfer ist.

Es zeigt mit, wie ich wahrhaft streben muß.

Die Geisteswege, welche ich gewandelt,

 wie soll die Seele sie verfolgen können,

die vor dem gegenwärt’gen Erdenpfad

in Thomas’ Leibe ihre Hülle fand?

Wie er das Leben sich gestaltet hat,

das muß mir jetzt das Ziel vor Augen stellen.

 Erreichen wollte ich in diesem Dasein,

was mir erst später wahrhaft fruchten kann.

Lucifer:

Es muß mein Licht dich sicher weiterführen,

wie du bis jetzt von ihm dich führen ließest.

Der Geistesweg, den du betreten hast:

 er kann den Geist der Höhenwelt vermählen,

doch deiner Seele bringt er Finsternis.

Johannes:

Was hat ein Mensch erreicht, der seelenlos

dem Geisterland sich überliefern muß!

Er ist am Ende seiner Erdenzeiten

 nur jenes Wesen wieder, das er war,

als seine Menschenform im Urbeginn

sich aus dem Weltenschoße lösen durfte.  

Wenn ich den Trieben mich ergeben werde,

die aus den unbewußten Seelentiefen

 nach Lebensinhalt machtvoll drängen,

dann wirkt in mir das ganze Weltenall.

Ich weiß dann nicht, was mich zum Handeln treibt;

doch ist’s gewiß der Weltenwille selbst,

der mich nach seinen Zielen vorwärts lenkt.

 Und er muß wissen, was das Leben soll,

auch wenn Erkenntnis ihn nicht fassen kann.

Was er im vollen Menschenwesen schafft,

ist Lebensreichttum, der die Seele bildet.

Ich will mich ihm ergeben und nicht weiter

 durch eitles Geistesstreben ihn ertöten.

Lucifer:

In diesem Weltenwillen wirke ich,

wenn er durch Menschenseelen kraftvoll strömt.

Sie sind ein Glied an höhern Wesenheiten,

so lang sie mich nicht voll erleben konnten.

 Ich mache sie zum wahren Menschen erst,

der sich als Selbst ins Weltall fügen kann.

Johannes:

Seit lange glaubt’ ich dich schon ganz zu kennen,

doch lebte mir im Innern nur ein Schemen,

den Geistesschau von dir mir vorgebildet.

 Ich muß dich fühlen, muß dich wollend leben,

Dann kann ich künftig dich auch überwinden,

wenn so mein Schicksalsplan es fügen will.

Das Geisteswissen, das ich früh erlangt,

es ruhe mir fortan im Seelengrunde,

 bis meine Lebenstriebe selbst es wecken.

Vertrauensvoll ergeb’ ich mich dem Willen,

der weiser als die Menschenseele ist.

(Johannes geht mit Lucifer ab.)  

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