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Bilder aus dem Gedankenleben Österreichs.

Einige Bilder – nichts anderes als solche – und nicht über das gedanklich-geistige Leben Österreichs, sondern nur aus diesem Leben möchte der Verfasser zeichnen. Keine Art von Vollständigkeit soll angestrebt werden. Auch nicht in bezug auf dasjenige, was der Verfasser selbst zu sagen hätte. Manches andere mag viel wichtiger sein als das hier Vorzubringende. Es soll aber für diesmal nur einiges aus dem geistigen Leben Österreichs angedeutet werden, was in irgend einer Art mit den Strömungen mittelbar oder unmittelbar, mehr oder weniger zusammenhängt, in denen der Schreiber dieser Ausführungen während seiner Jugendzeit selbst drinnen gestanden hat. Geistige Strömungen, wie die hier gemeinten, können ja auch wohl so gekennzeichnet werden, daß man nicht die Vorstellungen gibt, die man sich über sie gebildet hat, sondern daß man über Persönlichkeiten, deren Denkart und Gefühlsrichtung spricht, von denen man glaubt, daß sich – wie symptomatisch – in ihnen diese Strömungen ausdrücken. Was Österreich durch einige solcher Persönlichkeiten über sich offenbart, möchte ich schildern. Wenn ich dabei an einigen Orten in der Ichform spreche, so möge man dies in meinem dermaligen Gesichtspunkte begründet finden.

Von einer Persönlichkeit möchte ich zuerst sprechen, in der ich vermeine, die Offenbarung des geistigen Österreichertums innerhalb der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts in einem sehr edlen Sinne erblicken zu dürfen, von Karl Julius Schröer. Als ich 1879 an die Wiener Technische Hochschule kam, war er dort Lehrer der deutschen Literaturgeschichte. Er wurde mir erst Lehrer, dann älterer Freund. Seit vielen Jahren ist er nun schon nicht mehr unter den Lebenden. – In der ersten Vorlesung, die ich von ihm hörte, sprach er über Goethes Götz von Berlichingen. Das ganze Zeitalter, aus der diese Dichtung herauswuchs, wurde aus Schröers Worten lebendig. Und auch, wie der Götz in dieses Zeitalter einschlug. Ein Mann sprach, der in jedes seiner Urteile einfließen ließ, was er aus der Weltanschauung des deutschen Idealismus allem Empfinden und Wollen seiner ganzen durchgeistigten Persönlichkeit einverleibt hatte. Die folgenden Vorlesungen bauten ein lebendiges Bild der deutschen Dichtung seit Goethes Auftreten auf. So, daß man durch die Schilderung von Dichtern und Dichtungen stets hindurchfühlte das lebendige Weben der Anschauungen, die im Wesen des deutschen Volkes nach Dasein ringen. Begeisterung für die Ideale der Menschheit trug Schröers Urteile; und es prägte sie lebendiges Sich-Fühlen in der Lebensanschauung, die in Goethes Zeitalter ihren Anfang nahm. Ein Geist sprach aus diesem Manne, der nur mitteilen wollte, was durch die Betrachtung des Geisteslebens tiefes Selbsterlebnis seiner Seele geworden war.

Viele, die diese Persönlichkeit kennen lernten, haben sie verkannt. Ich war, als ich bereits in Deutschland lebte, einmal bei einer Tischgesellschaft. Ein sehr bekannter Literarhistoriker saß neben mir. Er sprach von einer deutschen Fürstin, die er sehr lobte, nur – meinte er – könne sie auch von ihrem sonstigen gesunden Urteile abirren, was sich zum Beispiele darin zeigte, daß sie »Schröer für einen bedeutenden Mann halte«. Ich kann verstehen, daß mancher in Schröers Büchern nicht findet, was zahlreiche seiner Schüler durch den lebendigen Einfluss seiner Persönlichkeit fanden; bin aber doch der Überzeugung, daß derjenige vieles davon auch in Schröers Schriften verspüren könnte, der seinen Eindruck zu empfangen vermag nicht bloß nach sogenannter »strenger Methode«, vielleicht gar nach einer solchen, die den Zuschnitt dieser oder jener Literatenschule trägt, sondern nach Eigenart des Urteilens, nach Offenbarung einer selbsterlebten Anschauung. Von einem solchen Gesichtspunkte aus spricht denn doch eine an dem deutschen Weltanschauungs-Idealismus gereifte Persönlichkeit auch aus dem viel angefeindeten Buche Schröers »Geschichte der deutschen Dichtung im neunzehnten Jahrhundert« und aus anderen seiner Werke. Eine gewisse Art der Darstellung zum Beispiele in seinem Faustkommentar mag manchen sich frei meinenden Geist abstoßen. Doch wirkt da in Schröers Darstellung das hinein, wovon ein gewisses Zeitalter die Ansicht hatte, daß es von dem Charakter des Wissenschaftlichen nicht trennbar sei. Auch starke Geister sind unter das Joch dieser Ansicht geraten; und man muß diese Geister selbst in ihrer wahren Eigenheit dadurch suchen, daß man eine von diesem Joch ihnen aufgedrungene Hülle ihres Schaffens durchdringt.

Im Lichte eines Mannes hat Karl Julius Schröer seine Knaben- und Jugendzeit verlebt, der – wie er selbst – in geistigem Deutsch-Österreichertum wurzelte; der eine der Blüten desselben war – seines Vaters Tobias Gottfried Schröer. – Es ist noch nicht lange her, da waren in weitesten Kreisen gewisse Bücher bekannt, denen zweifellos viele Menschen die Weckung einer idealistisch vertieften, von einer geistgemäßen Lebensansicht getragenen Empfindung der Geschichte, der Dichtung, der Kunst verdankten. Es sind: Briefe über die Hauptgegenstände der Ästhetik von Chr. Oeser, Die kleinen Griechen von Chr. Oeser, Weltgeschichte für Töchterschulen und andere von demselben Verfasser. In diesen Schriften spricht über die mannigfaltigsten Gebiete des geistigen Lebens, vom Gesichtspunkte des Jugendschriftstellers, eine Persönlichkeit, die an der Vorstellungsart des Goetheschen Zeitalters der deutschen Geistesentwickelung herangereift ist, und welche die Welt mit dem dadurch gebildeten Seelenauge ansieht. Der Verfasser dieser Schriften ist Tobias Gottfried Schröer, der sie unter dem Namen Chr. Oeser herausgegeben hat. Nun hat – neunzehn Jahre nach dem Tode dieses Mannes – die deutsche Schillerstiftung seiner Witwe (im Jahre 1869) eine Ehrengabe überreicht, die von einem Schreiben begleitet war, in dem es heißt: »Der unterzeichnete Vorstand hat zu seinem innigsten Bedauern erfahren, daß sich die Gattin eines der würdigsten deutschen Schriftsteller, eines Mannes, der mit Talent und Gemüt stets für nationalen Sinn einstand, keineswegs in Verhältnissen befindet, die ihrem Stande und den Verdiensten ihres Gatten entsprechen, und so erfüllt er nur eine ihm durch den Geist seiner Statuten gebotene Pflicht, wenn er sich nach Möglichkeit bemüht, die Ungunst eines harten Geschickes in etwas auszugleichen.« Angeregt durch diesen Beschluß der Schillerstiftung schrieb dann Karl Julius Schröer in der Wiener Neuen Freien Presse einen Artikel über seinen Vater, aus dem bekannt wurde, was bis dahin nur ein engster Kreis wußte, daß Tobias Gottfried Schröer nicht nur der Verfasser der Schriften Chr. Oesers ist, sondern auch ein bedeutender Dichter und Schriftsteller von Werken, die wahre Zierden des österreichischen Geisteslebens darstellen und der nur unbekannt geblieben ist, weil er wegen der damals herrschenden Zensurverhältnisse seinen Namen nicht nennen konnte. Von ihm erschien z.B. 1830 das Lustspiel »Der Bär«. Karl von Holtei, der bedeutende schlesische Dichter und Bühnenmann, spricht sich darüber gleich nach dem Erscheinen aus in einem Brief an den Verfasser: »Was das Lustspiel ›Der Bär‹ betrifft, so hat es mich entzückt. Wenn die Erfindung, die Anlage der Charaktere ganz Ihnen gehört, so wünsche ich Ihnen von Herzen Glück, denn dann werden Sie noch schöne Stücke schreiben.« Der Dichter hat seinen Stoff dem Leben Iwans IV. Wasiliewitsch entnommen und alle Charaktere außer dem Iwans selbst sind seine freie Schöpfung. Ein später erschienenes Drama »Leben und Taten Emerich Tökölys und seiner Streitgenossen« erfuhr eine glänzende Aufnahme, ohne daß den Verfasser jemand kannte. In den »Blättern für literarische Unterhaltung« war darüber (am 25. Oktober 1839) zu lesen: »Ein geschichtliches Bild von bewunderungswürdiger Frische. … Arbeiten so frischen Hauches und so entschiedenen Charakters gehören in unseren Tagen wirklich zu den Seltenheiten … jede der Gruppen ist voll hohen Reizes, weil sie voll hoher Wahrheit ist; … der Tököly des Verfassers ist ein ungarischer Götz von Berlichingen, und nur mit diesem läßt sich das Drama vergleichen. … Von einem solchen Geiste können wir alles, auch das Größte erwarten.« Dieses Urteil rührt von W. v. Lüdemann her, der eine »Geschichte der Architektur«, eine »Geschichte der Malerei«, »Spaziergänge in Rom«, Erzählungen und Novellen geschrieben hat, Werke, aus denen Feinsinnigkeit und hohes Kunstverständnis sprechen.

Durch die Geistesart seines Vaters hatte auf Karl Julius Schröer die Sonne des deutschen Weltanschauungs-Idealismus schon vorausgeleuchtet, als er Ende der vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts an die Universitäten Leipzig, Halle und Berlin ging und da durch vieles, das auf ihn wirkte, hindurch die Vorstellungsart dieses Idealismus noch empfinden konnte. In die Heimat zurückgekehrt, übernahm er 1846 die Leitung des »Seminariums für deutsche Literärgeschichte und Sprache« am Lyzeum in Preßburg, das sein Vater in dieser Stadt gegründet hatte. In dieser Stellung entwickelte er nun eine Tätigkeit, deren Eigenart er so gestaltete, daß man sagen kann: Schröer suchte durch sein Streben die Aufgabe zu lösen: wie man im Geistesleben Österreichs am besten wirkt, wenn man die Richtung seines Strebens dadurch vorgezeichnet findet, daß man die Triebkräfte der eigenen Seele aus der deutschen Kultur erhalten hat. In einem »Lehr- und Lesebuch« (das 1853 erschienen ist und das eine »Geschichte der deutschen Literatur« darstellt) hat er über dieses sein Streben gesprochen: »Es kamen daselbst (in dem Lyzeum) Primaner, Juristen, Theologen des Lyzeums … zusammen … Einem solchen Zuhörerkreise gegenüber bemühte ich mich nach großen Gesichtspunkten die Glorie des deutschen Volkes in ihrer Entwickelung darzulegen, für deutsche Kunst und Wissenschaft Ehrfurcht hervorzurufen, und die Zuhörer womöglich dem Standpunkte der modernen Wissenschaft näherzubringen.« Und wie er sein Deutschtum auffaßte, das drückt Schröer in dieser Art aus: »Von diesem Standpunkte aus verschwanden natürlich die einseitigen Leidenschaften der Parteien vor meinem Blick.«

Herman Grimm, der geistvolle Kunstbetrachter, hat Worte restloser Anerkennung gefunden für den österreichischen Bildhauer Heinrich Natter. In dem Aufsatze, den er in seinen 1900 erschienenen »Fragmenten« über Natter veröffentlicht hat, steht auch, was Grimm über das Verhältnis Natters zum Österreichertum gedacht hat. »Wo ich Österreichern begegne, ergreift mich die eingewurzelte Liebe zum Boden des besonderen Vaterlandes und der Drang, sich in geistiger Gemeinschaft mit allen Deutschen emporzuhalten. Sei nur eines dieser Männer diesmal gedacht, Ignaz Zingerles. Seinem unablässigen stillen Wirken verdankt die Walterstatue Natters ihr Dasein. Den Männern unserer früheren Jahrhunderte glich er darin, daß er außerhalb des Bezirkes seiner engsten Heimat kaum denkbar war. Eine Gestalt in einfachen Umrissen aus Treue und Ehrlichkeit, wie aus Felsblöcken aufgebaut. Ein Tiroler, als ob seine Berge der Nabel der Erde seien, ein Österreicher durch und durch und zugleich einer der besten und edelsten Deutschen. Und so ist auch Natter ein guter Deutscher, Österreicher und Tiroler, alles gewesen.« Und über das Denkmal Walters von der Vogelweide in Bozen sagt Herman Grimm: »In Natter waren Innigkeit deutschen Gefühls und gestaltende Phantasie vereinigt. Sein Walter von der Vogelweide steht in Bozen als ein Triumphbild deutscher Kunst, aufragend im Kranze der Tiroler Berge an den Grenzmarken des Vaterlandes. Eine männliche feste Gestalt.« – Ich mußte dieser Worte Herman Grimms oft gedenken, wenn in mir die Erinnerung lebendig wurde an die prächtige Gestalt des österreichischen Dichters Fercher von Steinwand, der 1902 gestorben ist. Er war »ein guter Deutscher, Österreicher und Kärntner, alles gewesen«; wenn man auch wohl kaum von ihm sagen konnte, daß er »außerhalb des Bezirkes seiner engsten Heimat kaum denkbar war«. Ich lernte ihn Ende der achtziger Jahre in Wien kennen und konnte während einer kurzen Zeit mit ihm persönlich verkehren. Er war damals sechzigjährig; eine wahre Lichtgestalt, schon äußerlich; aus edlen Zügen, aus sprechenden Augen, in ausdrucksreichen Gesten offenbarte sich einnehmende Wärme; durch Abgeklärtheit und Besonnenheit hindurch wirkte im Greise noch wie mit Jugendfrische diese Seele. Und lernte man näher kennen diese Seele, ihre Eigenart, ihre Schöpfungen, so sah man, wie in ihr sich vereint hatte die von den Kärntner Bergen zugerichtete Empfindung mit einem zum Sinnen gewordenen Leben in der Kraft des deutschen Weltanschauungs-Idealismus. – Ein Sinnen, das ganz als dichterische Bilderwelt schon in der Seele geboren wird; das mit dieser Bilderwelt in Daseinstiefen weist; das Weltenrätseln sich künstlerisch gegenüberstellt, ohne daß die Ursprünglichkeit des Kunstschaffens sich in Gedankendichtung verblasst, ein solches Sinnen kann man in den folgenden Zeilen aus Fercher von Steinwands »Chor der Urträume« ersehen:

Allen erstiegenen

Räumen entzogen,

Wandelt ein Äther in strahlenden Bogen,

Gehn in verschwiegenen

Tiefen die Wogen.

Dort mit dem sehenden

Willen beladen,

Schwenken sich unsere Fähren in Schwaden,

Zwischen entstehenden

Wundergestaden.

Dort vor den wärmenden

Augen der Milde

Weifen und winden wir unsre Gebilde

Rings um die schwärmenden

Sternengefilde.

Dort, dem Verhängnisse

Nimmer verpflichtet,

Haben wir schwebende Burgen errichtet

Und die Bedrängnisse

Jauchzend vernichtet.

Wer dich mit heiligsten

Zügen beschriebe,

Höchste Behausung der sinnenden Triebe,

Warte der eiligsten

Diener der Liebe!

Die folgenden Strophen wollen offenbaren, wie die Seele im denkend-wachenden Träumen in weiten Sternenwelten und in naher Wirklichkeit lebt; dann fährt der Dichter fort:

Was auch bedächtige

Kräfte vollbringen:

Nur auf des Traumes entfalteten Schwingen

Läßt sich das Mächtige

Bleibend erringen.

Jede bemeisternde

Größe der Taten,

Alle beschirmenden Engel der Saaten

Sind durch begeisternde

Träume beraten.

Vom Eindringen des zum Träumen vergeistigten Denkens in die Weltentiefen singt Fercher von Steinwand weiter – vom Eindringen desjenigen Träumens, das ein Erwachen aus dem gewöhnlichen Wachen ist, in die Tiefen, in denen der Seele das Leben des Geistigen der Welt sich fühlbar machen kann:

Leben, mit schwingendem

Herzen vernommen,

Leben, mit ringendem Herzen erklommen

Unter erklingendem

Geister-Willkommen:

Und dann läßt er es herüberklingen zum Menschengeiste, was die Wesen des Geistesreiches zu der Seele sprechen, die sich ihnen sinnend erschließt:

»Seid ihr Genesenen,

Liebend umwunden!

Was ihr gesucht in erhebenden Stunden,

Hier, ihr Erlesenen,

Ist es gefunden;

Hier in erhabenen

Göttlichen Hallen,

Wo dem Gemüt die Gemüter gefallen,

Wo die begrabenen

Stimmen erschallen –

Wo die Bekümmerten

Königlich schreiten,

Leuchtende Seelen ihr Lächeln verbreiten

Um die zertrümmerten

Räder der Zeiten

– – – – –

– – – – –

Nur die verblendeten

Irdischen Toren

Sind für den Schlund der Vernichtung geboren,

Geistig vollendeten

Welten verloren!

Wohl dem Empfänglichen,

Den wir beschweben,

Den wir beschwingen zum blühendsten Leben,

Ohne vergänglichen

Schatten zu weben!«

An diesen »Chor der Urträume« schließt in den Dichtungen Fercher von Steinwands sich sein »Chor der Urtriebe«:

In den unbegrenzten Breiten

Unsrer alten Mutter Nacht,

Horch – da scheint mit sich zu streiten

Die geheimnisvolle Macht!

Hören wir die Ahnung schreiten?

Ist die Sehnsucht aufgewacht?

Ward ein Geistesblitz entfacht?

Gleiten Träume durch die Weiten?

Wie sich an Kräften die Kräfte berauschen,

Seliges Tauschen!

Plötzliches Eilen,

Stilles Verweilen,

Schwelgendes Lauschen

Wechselt mit Winken

Staunenden Bangens!

Reiz des Erlangens

Steigt, um zu sinken,

Sinkt, um zu hassen,

Weiß vor dem blassen

Bild des Umfangens

Haß nicht zu fassen.

Dunkle Verzweigungen

Sprießender Neigungen

Suchen nach Ranken.

Schwere Gedanken

Dämmern und wanken

Über den Weiten,

Scheinen zu raten

Oder zu leiten.

Was sie bereiten,

Sind es die Saaten

Riesiger Taten,

Strahlender Zeiten?

Wer das Erwühlte

Schöpferisch fühlte!

Wer es durchirrte,

Selig genießend

Oder entwirrte,

Hohes erschließend!

Droben bewegt sich’s wie Geisterumarmung,

Wir in Erwarmung,

Wir auch gewinnen,

Suchen und sinnen,

Sehn uns gehoben,

Höchstem Beginnen

Glücklich verwoben.

Die uns umwehen,

In uns erstehen:

»Ihr seid’s, Ideen! – –«

So sinnt sich des Dichters Seele in das Erleben hinein, wo des Weltengeistes Ideen des Daseins Geheimnisse dem Seelengeiste künden, und der Seelengeist die übersinnlichen Gestalter des sinnlich Gestalteten schaut. – Nachdem die Schauungen der Seele in dem Chor der Weltenurtriebe in glänzenden, tönenden Bildern dargestellt worden sind, schließt der Dichter:

»Mag der Dauer sich gewöhnen,

Was der Drang heraufbeschwor,

Das Verschönen, das Versöhnen

Walt’ im Strom der Schöpfung vor.

Süßes Licht, in holden Tönen

Klimmt das Herz zu dir empor,

Weile vor des Westens Tor,

Hilf die Tat der Liebe krönen!

Ist doch der Trieb aus den irdischen Banden

Seelisch erstanden!

Aber das Mündige,

Herrschende, Bündige,

Weist sich als Geist!

Alles, was kreist,

Irdisch Begründetes,

Himmlisch Entzündetes

Schuf sich im Geist,

Kam aus dem Geist,

Wirkt durch den Geist

– –

– – – – –

– – – – –

Schuf doch die mächtige Chaosentrückung

Raum für Beglückung!

Hüllt in den Tau der eratmenden Milde

Wald und Gefilde!

Sorgt, daß zum Tau das Geleucht’ sich geselle,

Sinnig der Saum der Verklärung sich bilde –

Jeglicher Tropfen beschwebe die Schwelle

Geistiger Helle!« –

In Fercher von Steinwands »sämtlichen Werken« (erschienen bei Theodor Daberkow in Wien) sind auch einige Angaben über sein Leben abgedruckt, die er selbst auf Ersuchen von Freunden aus Anlaß seines siebzigsten Geburtstages aufgeschrieben hat. Der Dichter schreibt: »Ich begann mein Leben am 22. März 1828 auf den Höhen der Steinwand über den Ufern der Möll in Kärnten, also in der Mitte einer trotzigen Gemeinde von hochhäuptigen Bergen, unter deren gebieterischer Größe der belastete Mensch beständig zu verarmen scheint.« – Da man im »Chor der Urtriebe« die Weltanschauung des deutschen Idealismus in dichterische Schöpfung ergossen findet, so ist von Interesse zu sehen, wie der Dichter auf seinen Wegen durch das österreichische Geistesleben schon in der Jugend die Anregung aus dieser Weltanschauung empfängt. Er schildert, wie er an die Grazer Universität kommt: »Mit meinen Wertpapieren, die natürlich nichts als Schulzeugnisse vorstellten, knapp an der Brust, meldete ich mich in Graz beim Dekan. Das war der Professor Edlauer, ein Kriminalist von bedeutendem Ruf. Er hoffe mich zu sehen (sprach er) als fleißigen Zuhörer in seinem Kollegium, er werde über Naturrecht lesen. Hinter dem Vorhang dieser harmlosen Ankündigung führte er uns das ganze Semester hindurch in begeisternden Vorträgen die deutschen Philosophen vor, die unter der väterlichen Obsorge unserer geistigen Vormünder wohlmeinend durch Verbote ferngehalten worden waren: Fichte, Schelling, Hegel usw., also Helden, das heißt Begründer und Befruchter alles reinen Denkgebietes, Sprachgeber und Begriffsschöpfer für jede andere Wissenschaft, mithin erlauchte Namen, die heutzutage von unseren Gassenecken leuchten und sich dort in ihrer eigentümlichen diamantenen Klarheit fast wunderlich ausnehmen. Dieses Semester war meine vita nuova!«

Wer Fercher von Steinwands Trauerspiel »Dankmar«, seine »Gräfin Seelenbrand«, seine »Deutschen Klänge aus Österreich« und andres von ihm kennenlernt, wird dadurch vieles von den Kräften empfinden können, die im österreichischen Geistesleben der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts wirkten. Und daß man aus Fercher von Steinwands Seele ein Bild aus diesem Geistesleben in Klarheit, Wahrheit und Echtheit empfängt, dafür zeugt das Ganze dieser Persönlichkeit. Der liebenswürdige österreichische Dialektdichter Leopold Hörmann hat recht gefühlt, als er die Worte schrieb:

»Fern der Gemeinheit,

Gewinnsucht und Kleinheit;

Feind der Reklame,

Der ekligen Dame;

Deutsch im Gemüte,

Stark und voll Güte,

Groß in Gedanken,

Kein Zagen und Wanken,

Trutz allem Einwand –:

Fercher von Steinwand!«                  

* * *

Aus dem österreichischen Geistesleben der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts taucht empor eine Denkergestalt, die tiefbedeutsame Züge des Weltanschauungsinhaltes der neueren Zeit zum Ausdrucke bringt: der Ethiker des Darwinismus Bartholomäus v. Carneri. Ein Denker, der das öffentliche Leben Österreichs wie selbsterlebtes Glück und Leid mitlebte und durch viele Jahre als Reichsratsabgeordneter an diesem Leben mit aller Kraft seines Geistes tätigen Anteil nahm. Carneri könnte zunächst nur als Widersacher einer geistgemäßen Weltanschauung erscheinen. Denn all sein Streben geht dahin, ein Weltbild zu gestalten, das allein durch Vorstellungen zustande kommt, die in der durch den Darwinismus angeregten Gedankenströmung liegen. Aber indem man Carneri liest mit einem Sinn nicht nur für den Inhalt seiner Ansichten, sondern für die Untergründe seiner nach Wahrheit ringenden Seele, wird man eine seltsame Tatsache entdecken. In diesem Denker malt sich ein fast völlig materialistisches Weltbild, aber mit einer Gedankenklarheit, die dem tiefliegenden idealistischen Grundzug seines Wesens entstammt. Für ihn waren wie für viele seiner Zeitgenossen die Vorstellungen, die in einer ganz auf dem Boden des Darwinismus erwachsenen Weltanschauung wurzeln, mit solch überwältigender Kraft in das Gedankenleben hereingebrochen, daß er nicht anders konnte, als auch alle Betrachtung des Geisteslebens in diese Weltanschauung einbeziehen. Anders als auf den Bahnen, die Darwin gewandelt ist, sich erkennend dem Geiste nahen zu wollen, schien ihm das einheitliche Wesen zu zerreißen, das über alles menschliche Erkenntnisstreben ausgebreitet sein muß. Der Darwinismus hat nach seiner Meinung gezeigt, wie ein einheitlicher Gesetzeszusammenhang von Ursachen und Wirkungen das Werden aller Naturwesen bis herauf zum Menschen umschließt. Wer den Sinn dieses Zusammenhanges versteht, der müsse auch einsehen, wie dieselbe Gesetzmäßigkeit im Menschen die natürlichen Kräfte und Triebe steigert und verfeinert, so daß sie bis zur Höhe der sittlichen Ideale und Anschauungen emporwachsen. Carneri glaubt, daß nur verblendeter Hochmut und irregeleitete Selbstüberschätzung des Menschen das Erkenntnisstreben verführen können, der geistigen Welt mit anderen Erkenntnismitteln nahen zu wollen als der Natur. – Jede Seite in Carneris Schriften über das sittliche Wesen des Menschen beweist aber, daß er in der Art Hegels seine Lebensauffassung ausgestaltet hätte, wenn nicht in einem bestimmten Entwickelungspunkte seines Lebens mit unwiderstehlicher Suggestivkraft der Darwinismus wie ein Blitz in seine Gedankenwelt so eingeschlagen hätte, daß er mit großer Anstrengung die Veranlagung zu einer idealistisch durchgeführten Weltauffassung in sich zum Schweigen brachte. Wohl wäre – auch dies beweisen seine Schriften – diese Weltauffassung nicht durch das bei Hegel waltende reine Denken, sondern durch ein Denken, das von gemütvollem Sinnen durchtönt sich zeigte, zutage getreten: aber Hegels Richtung hätte es doch genommen. – Wie aus verborgenen Tiefen der Seele taucht öfters in Carneris Ausführungen Hegels Vorstellungsart gewissermaßen mahnend auf. Auf Seite 79 der »Grundlegung der Ethik« liest man: »Bei Hegel … war an die Stelle des Kausalgesetzes die dialektische Bewegung getreten, ein Riesengedanke, der, wie die Titanen alle, dem Schicksal der Überhebung nicht entrinnen konnte. Sein Monismus wollte den Olymp erstürmen und sank zurück auf die Erde, aber um allem künftigen Denken eine Leuchte zu bleiben, die den Weg erhellt und auch ‒ den Abgrund.« Auf Seite 154 desselben Buches spricht Carneri von dem Wesen des Griechentums und sagt davon: »Wir gedenken da nicht der mythischen Heroenzeit, auch nicht der Zeiten Homers. … Wir versetzen uns in den Glanzpunkt der Jahre, die Hegel so treffend als das Jünglingsalter der Menschheit geschildert hat.« Auf Seite 189 kennzeichnet Carneri die Versuche, die gemacht worden sind, um die Denkgesetze zu ergründen und bemerkt: »Das großartigste Beispiel dieser Art ist Hegels Versuch, den Gedanken, sozusagen, ohne durch den Denkenden bestimmt zu werden, sich entfalten zu lassen. Daß er darin zu weit gegangen ist, hindert den Unbefangenen nicht, diesen Versuch, allem körperlichen und geistigen Werden ein einziges Gesetz zum Grunde zu legen, als den herrlichsten in der ganzen Geschichte der Philosophie anzuerkennen. Seine Verdienste um die Ausbildung des deutschen Denkens sind unvergänglich, und ihm hat mancher begeisterte Schüler, der später sein erbitterter Gegner geworden ist, in der Vollendung der durch ihn erworbenen Darstellungsweise wider Willen ein dauerndes Denkmal gesetzt.« Auf Seite 421 liest man: »wieweit man im Philosophieren« mit dem bloßen sogenannten gesunden Menschenverstande »kommt, hat in unübertrefflicher Weise Hegel uns gesagt«. – Nun, man kann meinen, daß auch Carneri selbst Hegel »in der Vollendung der durch ihn erworbenen Darstellungsweise … ein dauerndes Denkmal gesetzt« hat, wenn er auch diese Darstellungsweise auf ein Weltbild angewendet hat, dem Hegel wohl nie zugestimmt hätte. Aber auf Carneri hat der Darwinismus mit solcher Suggestivkraft gewirkt, daß er Hegel neben Spinoza und Kant zu den Denkern zählt, von denen er sagt: »Die Aufrichtigkeit seines (Carneris) Strebens würden sie gelten lassen, das nie gewagt hätte, über sie hinauszublicken, hätte nicht Darwin den Schleier zerrissen, der die gesamte Schöpfung umnachtete, so lang die Zweckmäßigkeitslehre unabweisbar war. Dieses Bewußtsein haben wir, aber auch die Überzeugung, daß jene Männer manches gar nicht oder anders gesagt hätten, wäre es ihnen gegönnt gewesen, in unserer Zeit zu leben, mit der befreiten Naturwissenschaft … .« –

Carneri hat eine Spielart des Materialismus ausgebildet, in welcher oft der Scharfsinn in Naivität, die Einsicht in die »befreite Naturwissenschaft« in Blindheit gegen die Unmöglichkeit der eigenen Begriffe ausartet. »Als Materie fassen wir den Stoff, insofern die aus seiner Teilbarkeit und Bewegung sich ergebenden Erscheinungen körperlich, d. i. als Masse auf unsere Sinne wirken. Geht die Teilung oder Differenzierung so weit, daß die daraus sich ergebenden Erscheinungen nicht mehr sinnlich, sondern nur mehr dem Denken wahrnehmbar sind, so ist die Wirkung des Stoffs eine geistige« (Carneris Grundlegung der Ethik Seite 30). Das ist so, wie wenn jemand das Lesen erklären wollte, und folgendes sagte: Solange jemand nicht lesen gelernt hat, kann er nicht sagen, was auf einer geschriebenen Buchseite steht. Denn seinem Anblick zeigen sich nur die Buchstabenformen. Solange er nur diese Buchstabenformen, in welche die Worte teilbar sind, anschauen kann, führt sein Betrachten des Bedruckten nicht zum Lesen. Erst wenn er dazu gelangt, auch die Buchstabenformen noch weiter geteilt oder differenziert wahrzunehmen, wirkt der Sinn des Gedruckten auf seine Seele. – Selbstverständlich wird ein überzeugter Bekenner des Materialismus einen solchen Einwand lächerlich finden. Allein eben darin liegt die Schwierigkeit, den Materialismus in das rechte Licht zu setzen, daß man dabei solch einfache Gedanken aussprechen muß. Gedanken, denen gegenüber es kaum glaubhaft ist, daß sie die Anhänger des Materialismus sich nicht selber bilden. Und so fällt leicht auf den Beleuchter dieser Weltanschauung das Vorurteil, daß er mit nichtssagenden Redensarten einer Auffassung begegne, die auf den Erfahrungen der neueren Wissenschaft und auf deren strengen Grundsätzen beruhe.

*Aus einer späteren Bemerkung in dieser Schilderung von Carneris Gedankenwelt wird man sehen, daß der Verfasser dieser Schrift seine Kennzeichnung des Materialismus nicht bloß auf Carneri anwendbar findet, sondern daß er der Ansicht ist, sie treffe zu auf weitverbreitete Anschauungen der Gegenwart, die oft betonen, der Materialismus sei wissenschaftlich überwunden, ohne zu wissen, ja oft auch nur zu ahnen, wie materialistisch dasjenige ist, wodurch ihnen der Materialismus überwunden zu sein dünkt.

Und doch ergibt sich die stark überzeugende Kraft des Materialismus für dessen Bekenner nur dadurch, daß er die Tragkraft der einfachen Vorstellungen, die seine Auffassung vernichten, nicht zu empfinden vermag. Er ist überzeugt – wie so viele – nicht durch das Licht von logischen Gründen, die er durchschaut hat, sondern durch die Macht von Denkgewohnheiten, die er nicht durchschaut; ja, die zu durchschauen er zunächst kein Bedürfnis empfindet. Aber Carneri unterscheidet sich von solchen Materialisten, die von diesem Bedürfnis kaum etwas ahnen, doch dadurch, daß sein Idealismus ihm dasselbe fortwährend in das Bewußtsein hereinträgt und er es deshalb oft auf recht künstliche Art zum Schweigen bringen muß. Kaum hat er sich dazu bekannt, daß das Geistige eine Wirkung des fein zerteilten Stoffes sei, so setzt er sogleich hinzu: »Gar manchen Ansprüchen gegenüber wird diese Auffassung des Geistes eine unbefriedigende sein; jedoch im weiteren Verlauf dieser Untersuchung wird der Wert unserer Auffassung als ein bedeutender sich erweisen, und als ganz genügend, um den Materialismus, der die Erscheinungen des Geistes körperlich anfassen will, auf die Unübersteiglichkeit seiner Schranken aufmerksam zu machen.« (Grundlegung der Ethik Seite 30.) Ja, Carneri hat eine wahre Scheu davor, zu den Materialisten gezählt zu werden; er wehrt sich dagegen mit Worten, wie diesen: »Der starre Materialismus ist genau so einseitig wie die alte Metaphysik: jener bringt es zu keinem Sinn für seine Gestaltung, diese zu keiner Gestaltung für ihren Sinn; dort ist eine Leiche, hier ein Gespenst, und wonach beide vergebens ringen, ist die schöpferische Glut des empfindenden Lebens.« (Grundlegung der Ethik Seite 68.) – Nun fühlt aber Carneri doch, wie berechtigt es ist, ihn einen Materialisten zu nennen; denn zuletzt wird doch niemand mit gesunden Sinnen, auch wenn er sich zum Materialismus bekennt, behaupten, daß ein sittliches Ideal sich »körperlich anfassen« läßt, um Carneris Ausdruck zu gebrauchen. – Er wird nur sagen, das sittliche Ideal erscheint an dem Materiellen durch einen Vorgang an diesem. Und das spricht doch auch Carneri aus mit der angeführten Behauptung über die Teilbarkeit des Stoffes. Aus diesem Gefühle heraus sagt er denn (in seiner Schrift »Empfindung und Bewußtsein«): »Man wird gegen uns den Vorwurf des Materialismus erheben, insofern wir allen Geist leugnen und nur die Materie gelten lassen. Dieser Vorwurf trifft aber nicht zu, sobald von der Idealität des Weltbildes ausgegangen wird, für welche die Materie selbst nichts ist als ein Begriff des denkenden Menschen.« Nun aber fasse man sich an den Kopf und fühle, ob er noch ganz ist, nachdem man solchen Begriffstanz mitgemacht hat! Der Stoff wird zur Materie, wenn er so grob zerteilt ist, daß er nur »als Masse auf die Sinne« wirkt; zum Geist, wenn er so fein zerteilt ist, daß er nur mehr dem »Denken wahrnehmbar« ist. Und die Materie, das heißt der grob zerteilte Stoff ist doch nur »ein Begriff des denkenden Menschen«. Mit der groben Zerteilung bringt es also der Stoff zu nichts anderem, als zu der ja für einen Materialisten bedenklichen Rolle eines menschlichen Begriffes; zerteilt er sich aber feiner, so wird er Geist. Dann müßte sich ja doch der bloße menschliche Begriff feiner zerteilen. Nun aber mache doch solche Weltanschauung sogleich den Helden, der sich an seinem eigenen Schopf aus dem Wasser zieht, zum Musterbilde aller Wirklichkeit! – Man kann es begreifen, daß ein anderer österreichischer Denker, F. von Feldegg (in den »Deutschen Worten« vom November 1894), Carneri die Worte entgegenhielt: »Sobald von der Idealität des Weltbildes ausgegangen wird! Welche, bei aller gezwungenen Verschrobenheit des Gedankens, willkürliche Supposition! Ja, hängt denn dies so ganz von unserem Belieben ab, ob wir von der Idealität des Weltbildes oder etwa von dem Gegenteil – also wohl von seiner Realität ausgehen? Und vollends die Materie soll für diese Idealität nichts als ein Begriff des denkenden Menschen sein? Das ist ja der absoluteste Idealismus, etwa Hegels, welcher hier Beistand leisten soll, dem Vorwurfe des Materialismus zu begegnen; aber es geht nicht an, sich im Augenblicke der Not an denjenigen zu wenden, den man bis dahin hartnäckig verleugnet hat. Und wie will Carneri dieses idealistische Bekenntnis mit allem vereinigen, was sonst in seiner Schrift enthalten? In der Tat gibt es dafür nur eine Erklärung, und die ist die: Auch Carneri bangt vor und – gelüstet nach dem Transzendenten. Das ist aber eine Halbheit, die sich bitter rächt. Carneris ›Monistische Bedenken‹ zerfallen solcherart in zwei heterogene Teile, in einen grob materialistischen Teil und in einen versteckt idealistischen. In dem ersteren behält des Verfassers Kopf recht, denn es läßt sich nicht leugnen, daß er bis über den Scheitel im Materialismus versunken ist; im letzteren dagegen wehrt sich des Verfassers Gemüt mit der Macht jenes metaphysischen Zaubers, dem selbst in unserer grobsinnlichen Zeit edlere Naturen sich nicht völlig zu entziehen vermögen, gegen die plumpen Forderungen des rationalistischen Modedünkels.«

Und trotz alledem: Carneri ist eine bedeutende Persönlichkeit, von der gesagt werden darf (was ich in meinem Buche »Rätsel der Philosophie«, 2. Band, S. 180 ff. andeutete): »Weite Perspektiven der Weltanschauung und Lebensgestaltung suchte aus dem Darwinismus heraus dieser österreichische Denker zu eröffnen. Er trat elf Jahre nach dem Erscheinen von Darwins ›Entstehung der Arten‹ mit seinem Buche ›Sittlichkeit und Darwinismus‹ hervor, in dem er in umfassendster Weise die neue Ideenwelt zur Grundlage einer ethischen Weltanschauung machte. Seitdem war er unablässig bemüht, die Darwinistische Ethik auszubauen. Carneri versucht in dem Bilde der Natur die Elemente zu finden, durch welche sich das selbstbewußte Ich innerhalb dieses Bildes vorstellen läßt. Er möchte dieses Naturbild so weit und groß denken, daß es die menschliche Seele mit umfassen kann.« – Carneris Schriften scheinen mir nämlich überall durch ihren eigenen Charakter dazu herauszufordern: aus ihrem Inhalte alles hinwegzutilgen, wozu sich deren Verfasser gezwungen hat, indem er sich unter das Joch der materialistischen Weltanschauung begab; und nur auf das zu blicken, was in ihnen als Offenbarung eines groß angelegten Menschen, wie eine elementarische Eingebung seines Gemütes erscheint. Man lese von einer solchen Voraussetzung aus, wie er sich die Aufgabe der Erziehung zu wahrer Menschlichkeit denkt: »Aufgabe der Erziehung ist es …, den Menschen derart heranzubilden, daß er das Gute tun muß. Daß darunter die Menschenwürde nicht leidet, daß vielmehr die harmonische Entwickelung des Wesens, das seiner Natur nach freudig das Edle und Große vollbringt, eine ethische Erscheinung ist, die schöner nicht gedacht werden kann. … Möglich wird die Lösung dieser herrlichen Aufgabe durch das Glückseligkeitsstreben, zu dem sich im Menschen der Selbsterhaltungstrieb läutert, sobald sich die Intelligenz voll entwickelt. Das Denken beruht auf Empfindung und ist nur die andere Seite des Gefühls, weshalb alles Denken, was nicht an der Wärme des Gefühls zur Reife gelangt, wie alles Fühlen, das nicht am Lichte des Denkens sich klärt, einseitig ist. Sache der Erziehung ist es, durch die übereinstimmende Entwickelung des Denkens und Fühlens das Streben nach Glückseligkeit zu läutern, so daß das Ich im Du seine natürliche Erweiterung, im Wir seine notwendige Vollendung erblickt, der Egoismus den Altruismus als seine höhere Wahrheit erkennt. … Nur vom Standpunkt des Glückseligkeitstriebes ist es erklärlich, daß einer für ein geliebtes Wesen oder einen erhabenen Zweck sein Leben hingibt: er sieht eben darin sein höheres Glück. Sein wahres Glück suchend, gelangt der Mensch zur Sittlichkeit; allein er hat dazu erzogen, so erzogen zu sein, daß er gar nicht anders kann. Er findet im beseligenden Gefühl des Adels seiner Tat den schönsten Lohn und fordert nicht mehr.« (Vgl. Carneris Buch: Der moderne Mensch. Einleitung.) Man sieht: Carneri hält das Glückseligkeitsstreben, wie er es ansieht, für eine naturgemäße Kraft in der wahren Menschennatur, für eine Kraft, die sich unter den rechten Bedingungen entfalten muß, wie sich ein Pflanzenkeim entfaltet, wenn er dazu die Bedingungen hat. Wie der Magnet durch die ihm eigene Wesenheit die Anziehungskraft hat, so das Tier den Selbsterhaltungstrieb, und so der Mensch den Glückseligkeitstrieb. Man braucht auf die menschlichen Wesen nichts aufzupfropfen, um sie zur Sittlichkeit zu führen; man braucht nur ihren Glückseligkeitstrieb recht zu entwickeln, so entfalten sie sich durch diesen zur wahren Sittlichkeit. Carneri betrachtet in Einzelheiten die verschiedenen Äußerungen des Seelenlebens: wie die Empfindung dieses Leben anregt oder abstumpft; wie die Affekte, die Leidenschaften wirken: und wie in all dem der Glückseligkeitstrieb sich entfaltet. Diesen setzt er in allen diesen Seelenäußerungen als deren eigentliche Grundkraft voraus. Und dadurch, daß er diesem Begriffe von Glückseligkeit einen weiten Sinn gibt, fällt allerdings für ihn alles Wünschen, Wollen und Tun der Seele in dessen Bereich. Wie der Mensch ist, das hängt davon ab, welches Bild ihm von seinem Glücke vorschwebt: der eine sieht sein Glück in der Befriedigung niederer Triebe, der andere in den Taten hingebungsvoller Liebe und Selbstverleugnung. Wenn von jemand gesagt würde: der strebt nicht nach Glück, der tut nur selbstlos seine Pflicht, so würde Carneri einwenden: gerade darin besteht seine Glücksempfindung, dem Glücke nicht bewußt nachzujagen. Aber mit solch einer Erweiterung des Begriffes von Glückseligkeit offenbart Carneri den durchaus idealistischen Grundton seiner Weltanschauung. Denn ist für verschiedene Menschen das Glück etwas ganz Verschiedenes, so kann die Sittlichkeit nicht in dem Streben nach Glück liegen; sondern es liegt die Tatsache vor, daß der Mensch seine Fähigkeit, sittlich zu sein, als ihn beglückend empfindet. Es wird dadurch das menschliche Streben nicht aus dem Gebiete der sittlichen Ideale herabgezogen in das Begehren des Glückes, sondern es wird als im Wesen des Menschen liegend erkannt, im Erringen der Ideale sein Glück zu sehen. »Unserer Überzeugung nach« – sagt Carneri – »hat die Ethik sich zu begnügen mit der Darlegung, daß der Weg des Menschen der Weg zur Glückseligkeit ist, und daß der Mensch, den Weg zur Glückseligkeit wandelnd, zu einem sittlichen Wesen heranreift.« (Grundlegung der Ethik, Seite 423.) – Wer nun glaubt, daß durch solche Ansichten Carneri die Ethik darwinistisch machen will, der läßt sich täuschen durch die Ausdrucksweise dieses Denkers. Diese ist erzwungen durch die überwältigende Kraft der in seinem Zeitalter herrschenden naturwissenschaftlichen Vorstellungsart. In Wahrheit will Carneri nicht die Ethik darwinistisch, sondern den Darwinismus ethisch machen. Er will zeigen, daß man den Menschen in seiner wahren Wesenheit nur zu erkennen braucht, wie der Naturforscher ein Naturwesen zu erkennen sucht, dann findet man in ihm nicht ein Natur-, sondern ein Geistwesen. Darin liegt Carneris Bedeutung, daß er den Darwinismus in eine geistgemäße Weltanschauung einfließen lassen will. Und damit ist er einer der bedeutenden Geister der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Man versteht die durch die naturwissenschaftlichen Einsichten dieses Zeitalters an die Menschheit gestellten Forderungen nicht, wenn man gleich denen denkt, die alles Erkenntnisstreben in Naturwissenschaft aufgehen lassen wollen. Gleich denen, die bis gegen das Ende des neunzehnten Jahrhunderts sich Bekenner des Materialismus nannten, aber auch gleich denen, die es heute in Wirklichkeit nicht weniger sind, wenn sie auch immer von neuem versichern, daß der Materialismus von der Wissenschaft »längst überwunden sei«. Gegenwärtig nennen sich viele nur deshalb nicht Materialisten, weil ihnen die Fähigkeit mangelt, einzusehen, daß sie es sind. Man kann geradezu sagen, jetzt beruhigen sich manche Menschen über ihren Materialismus dadurch, daß sie sich vortäuschen, sie hätten nach ihren Ansichten nicht mehr nötig, sich Materialisten zu nennen. Man wird sie trotzdem so bezeichnen müssen. Den Materialismus hat man damit noch nicht überwunden, daß man die Ansicht einer Reihe von Denkern der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts ablehnt, die alle geistigen Erlebnisse für bloße Stoffwirkung hielten; sondern nur dadurch, daß man sich darauf einläßt, über das Geistige in dem Sinne geistgemäß zu denken, wie man über die Natur naturgemäß denkt. Was damit gemeint ist, geht schon aus den vorangehenden Ausführungen dieser Schrift hervor, wird sich aber noch besonders zeigen in den als »Ausblick« gedachten Schlußbetrachtungen. – Aber man wird den erwähnten Forderungen auch nicht gerecht, wenn man eine Weltanschauung gegen die Naturwissenschaft begründet, und sich nur ergeht in Ablehnungen der »rohen« Vorstellungen des »Materialismus« . Es muß seit Gewinnung der naturwissenschaftlichen Einsichten des neunzehnten Jahrhunderts jede geistgemäße Weltanschauung, die ihrem Zeitalter entsprechen will, diese Einsichten als ein Glied in ihre Gedankenwelt aufnehmen. Und dieses hat Carneri kraftvoll erfaßt, und durch seine Schriften eindringlich ausgesprochen. Daß ein echtes Verständnis der neueren naturwissenschaftlichen Vorstellungen nicht zur Befestigung, sondern zur wahren Überwindung des Materialismus führt, das konnte Carneri, der die ersten Schritte auf dem Wege dieses Verständnisses machte, noch nicht voll einsehen. Deshalb war er der Meinung ‒ um noch einmal an die Worte Brentanos zu erinnern (vergleiche S. 66 f. dieser Schrift), ‒»daß für die Hoffnungen eines Platon und Aristoteles, über das Fortleben unseres besseren Teiles nach der Auflösung des Leibes Sicherheit zu gewinnen« von der neueren Wissenschaft keine Erfüllung zu erwarten sei. Wer aber sich in Carneris Gedanken so vertieft, daß er nicht nur den Inhalt derselben hinnimmt, sondern auf den Erkenntnisweg blickt, auf dem dieser Denker nur die ersten Schritte machen konnte, der wird finden, daß durch ihn, nach einer anderen Richtung hin, für die Fortbildung der Weltanschauung des deutschen Idealismus etwas Ähnliches geschehen ist wie durch Troxler, Immanuel Hermann Fichte und andere nach der in dieser Schrift gekennzeichneten Richtung hin. Diese Geister suchten mit den Kräften des Hegelschen Denkens nicht bloß in den versinnlichten Geist, sondern auch in dasjenige Geistgebiet einzudringen, das sich in der Sinneswelt nicht offenbart. Carneri strebt dahin, mit einer geistgemäßen Lebensanschauung an die naturwissenschaftliche Vorstellungsart sich hinzugeben. Die weitere Verfolgung des von diesen Denkern empfundenen Weges kann zeigen, daß die Erkenntniskräfte, an die sie sich gewandt haben, die »Hoffnungen eines Platon und Aristoteles über das Fortleben unseres besseren Teiles nach der Auflösung des Leibes« nicht vernichten, sondern ihnen eine feste Wissensgrundlage geben werden. Es ist sicherlich einerseits berechtigt, wenn der schon genannte F. v. Feldegg (Deutsche Worte, vom Nov. 1894) anknüpfend an den Konflikt, in den Carneri gegenüber Idealismus und Materialismus hineingestellt war, sagt: »Aber die Zeit ist nicht mehr ferne, in welcher dieser Konflikt nicht etwa bloß im einzelnen Individuum, sondern im ganzen Kulturbewußtsein zum Austrag kommen wird. Aber die ›Bedenken‹ Carneris sind vielleicht ein vereinzelter Vorläufer ganz anderer und gewaltigerer ›Bedenken‹, welche dann, gleich einem Sturme heranbrausend, hinwegfegen werden, was an unserem ›wissenschaftlichen‹ Glaubensbekenntnisse bis dahin noch nicht der Selbstzersetzung verfallen sein wird.« Anderseits aber kann anerkannt werden, daß Carneri durch die Art, wie er den Darwinismus für die Ethik verarbeitete, zugleich einer der ersten Überwinder der darwinistischen Denkart geworden ist.

* * *

Carneri war eine Persönlichkeit, bei der das Denken über die Fragen des Daseins allem ihrem Wirken und Arbeiten im Leben das Gepräge gab. Keiner von denen, die zum »Philosophen« werden, indem sie die gesunden Wurzeln der Lebenswirklichkeit in sich verdorren lassen. Sondern einer von denen, welche den Beweis liefern, daß wirklichkeitsgemäßes Erforschen des Lebens praktischere Menschen erzeugen kann, als das ängstliche, aber auch bequeme Sich-Fernhalten von jeder Idee und das starrsinnige Pochen darauf, daß man sich die »wahre« Lebenspraxis nicht durch Begriffsträumereien verderben lassen dürfe. Carneri war österreichischer Volksvertreter, von 1861 ab im steierischen Landtag, von 1870‒1891 im Reichsrat. Ich muß oft noch jetzt denken an den herzerhebenden Eindruck, den ich empfing, wenn ich als junger fünfundzwanzigjähriger Lebensanfänger von der Galerie des Wiener Reichsrates Carneri reden hörte. Ein Mann stand da unten, der Österreichs Lebensbedingungen, der die aus der Entwickelung von Österreichs Kultur und aus den Lebenskräften seiner Völker entstandenen Verhältnisse tief in seine Gedanken aufgenommen hatte, und der, was er zum Ausdruck brachte, von jener hohen Warte aus sprach, auf die ihn seine Weltanschauung gestellt hatte. Und bei alledem, niemals ein blasser Gedanke; immer herzenswarme Töne; immer Ideen, die wirklichkeitsstark waren; nicht die Worte eines bloß denkenden Kopfes; sondern die Offenbarungen eines ganzen Menschen, der Österreich in der eigenen Seele pulsierend fühlte und dieses Gefühlgeklärt hatte durch die Idee: »Ganz wird die Menschheit ihren Namen erst verdienen und auf der Bahn der Sittlichkeit wandeln, wenn sie keinen anderen Kampf kennt, denn Arbeit, keinen anderen Schild, denn Recht, keine andere Waffe, denn Intelligenz, kein anderes Banner, denn Zivilisation.« (Carneri, Sittlichkeit und Darwinismus, Seite 508.)

Versucht habe ich zu zeigen, wie ein sinniger Idealismus die fest in der Wirklichkeit stehende Wurzel in Carneris Seelenleben ist; wie aber auch – überwältigt von einer materialistischen Zeitanschauung – dieser Idealismus neben einem Denken einhergeht, dessen Widersprüche zwar empfunden, aber nicht völlig gelöst werden. Ich glaube, daß dies in der Form, wie es bei Carneri auftritt, auf einer besonderen Eigenart beruht, welche das Volkstum in Österreich leicht der Seele aufdrücken kann. Einer Eigenart, die – wie mir scheint – auch selbst den Deutschen außerhalb Österreichs nur schwer verständlich ist. Man kann sie vielleicht nur empfinden, wenn man selbst aus österreichischer Volksart herausgewachsen ist. Durch die Entwickelung des österreichischen Lebens seit Jahrhunderten ist sie bedingt. Man wird da durch die Erziehung in ein anderes Verhältnis gebracht zu den Äußerungen des unmittelbaren Volkstums als in deutschen Gebieten außerhalb Österreichs. Was man durch die Schule aufnimmt, trägt Züge, die nicht in solch unmittelbarer Art eine Umwandlung dessen sind, was man aus dem Volkstum heraus erlebt wie bei den Deutschen Deutschlands. In Fichtes höchsten Gedankenentfaltungen lebt etwas, worin sich eine unmittelbare Fortsetzung erkennen läßt des Volkstümlichen, das in seinem mitteldeutschen Vaterlande gewirkt hat, im Hause des Bauern und Bandwirkers Christian Fichte. In Österreich trägt oft, was man durch Erziehung und Selbsterziehung in sich entwickelt, weniger solche unmittelbar bodenständige Züge. Es lebt das Bodenständige mehr mittelbar, wenn auch deshalb oft nicht weniger stark. Man trägt einen Konflikt der Empfindungen in der Seele, der in seinem unbewußten Wirken den Lebensäußerungen die besondere österreichische Färbung gibt. – Als Beispiel eines Österreichers mit dieser Seelenart möchte ich die Persönlichkeit Missons ansehen, eines der bedeutendsten österreichischen Dialektdichter.

* * *

Gewiß, Dialektdichtung ist aus ähnlichen Seelenuntergründen wie bei Misson auch bei anderen Deutschen erstanden. Bei ihm ist aber das Eigentümliche, daß er durch den angedeuteten Zug im Seelenleben vieler Österreicher zum Dialektdichter geworden ist. Joseph Misson ist zu Mühlbach im niederösterreichischen Viertel unterm Mannhardtsberg 1803 geboren; er machte die Schule in Krems durch und trat in den Orden der frommen Schulen ein. Er wirkte als Gymnasiallehrer in Horn, Krems, Wien. 1850 erschien von ihm eine Perle aller österreichischen Mundartdichtung: »Da Naz, a niederösterreichischer Bauernbui, geht in d’Fremd.« (Der Ignaz, ein niederösterreichischer Bauernjunge, geht in die Fremde.) Sie ist unvollendet herausgegeben. (Der Probst Karl Landsteiner hat später in einem schönen Büchelchen über Misson geschrieben, und die unvollendete Dichtung wieder gedruckt.) – Karl Julius Schröer sagt darüber (1875), wie ich meine, treffend: »So klein die Dichtung ist und so vereinzelt sie geblieben ist, indem Misson nichts weiter veröffentlicht hat, so verdient sie doch hervorgehoben zu werden. Sie nimmt unter den mundartlichen Dichtungen Österreichs den ersten Rang ein. Die epische Ruhe, die über das Ganze ausgegossen ist, die meisterhafte Schilderung im einzelnen, die uns fortwährend fesselt und uns durch ihre Wahrheit überrascht und erquickt, sind Eigenschaften, in denen kein Zweiter Misson gleichkommt.« Das Antreten der Wanderschaft eines niederösterreichischen Bauernjungen stellt Misson dar. Eine unmittelbar wahrheitgetragene Offenbarung niederösterreichischen Volkstums lebt in der Dichtung. Misson lebte in seiner durch Erziehung und Selbsterziehung errungenen Gedankenwelt. Dieses Leben stellte die eine Seite seiner Seele dar. Das war keine unmittelbare Fortsetzung des Lebens, das in seinem Niederösterreichertum wurzelte. Aber gerade darum trat, wie ohne Zusammenhang mit dieser Seite seelischen Erlebens – in seinem Gemüte das wahrste Bild seines Volkstums wie aus Seelenuntergründen auf, und stellte sich als die andere Seite inneren Erlebens hin. Der Zauber des unmittelbar Volkstümlichen von Missons Dichtung ist eine Wirkung der »zwei Seelen in seiner Brust«. Ich werde ein Stück dieser Dichtung hier folgen lassen, und dann in möglichst getreuer, anspruchsloser hochdeutscher Prosa die niederösterreichische Mundart wiedergeben. (Ich werde bei dieser Wiedergabe nur darauf achten, daß der Sinn der Dichtung empfindungsgemäß voll herauskommt. Wenn man bei solcher Übertragung einfach das Mundartwort durch das entsprechende hochdeutsche ersetzt, so wird im Grunde die Sache verfälscht. Denn das Mundartwort entspricht oft einer ganz anderen Empfindungsfärbung als das entsprechende hochdeutsche.)

Lehr vo main Vodern auf d’Roas

Naaz, iazn loos, töös, wos a ta so, töös sockt ta tai Voda.

Gottsnom, wails scho soo iis! und probiast tai Glück ö da Waiden.

Muis a da sogn töös, wos a da so, töös los der aa gsackt sai.

Ih unt tai Muida san olt und tahoam, woast as ee, schaut nix außa.

Was ma sih schint und rackert und plockt und obi ta scheert töös

Tuit ma für d’Kiner, wos tuit ma nöd olls, bolds’ nöd aus der Ort schlog’n! –

I is ma aamol a preßhafts Leut und san schwari Zaiden,

Graif an s’am aa, ma fint töös pai ortlinga rechtschoffan Kinern,

Gern untern Orm, auf taas mer d’Ergiibnus laichter daschwingan. –

Keert öppa s Glück pal dia ai, soo leeb nöd alla Kawallaa.

Plaib pain ann gleicha, Mittelstroß goldas Moß, nöd üwa t’Schnua haun.

S’ Glück iis ja kugelrund, kugelt so laicht wida toni wia zuuaha.

Geets owa gfalt und passiat der an Unglück, socks nöd ön Leuden.

Tui nix taglaicha, loß s goa nöd mirka, sai nöd goa z kloanlaud.

Klock’s unsan Heagoot, pitt’en, iih so ders, er mochts wida pessa!

Mocka’r und hocka’r und pfnotten und trenzen mit den kimt nix außa.

Kopfhängad, grod ols won amt’ Heana s Prot häden gfressa:

Töös mochts schlimmi nöd guit, gidanka’r ös Guidi no pessa!

Schau auf tai Soch, wost miit host, denk a wenk füri aufs künfti! –

Schenkt ta w’ea wos, so gspraiz ti nöd, nimms und so dafüa: gelts Goot!

Schau Naaz, mirk ta dos fai: weng da Höflikeit iis no koans gstroft woan! –

Holt ti nea ritterla, Fremd zügelt t’Leud, is a Sprichwoat, a Worwoat.

Los ti no glai ö koan Gspül ai, keer di nöd fainl nochn Tonzplotz.

Los ta ka Koatn nöd aufschlogn, suich da tai Glük nöd in Trambuich.

Gengan zween Wö unt tar oani is naich, so gee du en olden.

Geet oana schips, wos aa öftas iis, so gee du en groden –

Schau auf tain Gsund, ta Gsund iis pai olln no allwail tos Pessa.

So mer, wos hot tenn aa Oans auf da Welt, sobolds nöd ön Gsund hod?

‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Kimst a mol hahm und tu findst ö ten Stübl uns oldi Leud nimma,

Oft samma zebn, wo tai Aenl und Aanl mit Freuden uns gewoaten,

Unsari Guittäter finten und unsa vastoabani Freundschoft!

Olli, sö kenan uns glai – und töös, Naaz, töös is dos Schöner!«

 

Wiedergabe:

Eine Lehre von meinem Vater für die Wanderschaft.

Ignaz, nun höre zu, das, was ich dir sage, das sagt dir dein Vater.

In Gottes Namen, weil es doch so sein muß, und du dein Glück in der weiten Welt versuchen sollst,

Deshalb muß ich dir das sagen, und was ich dir sage, das beherzige wohl.

Ich und deine Mutter sind alt und zu Hause geblieben; du weißt, dabei kommt nichts heraus.

Man schindet sich viel, müht sich ab, arbeitet hart und schwächt sich sorgend durch Arbeit –

Man tut dies den Kindern zu Liebe; was möchte man nicht alles tun, sobald sie nicht auf falsche Wege geraten.

Ist man später schwach und kränklich geworden, und kommen schwere Zeiten

Springen sie uns auch liebevoll, man findet solches bei ordentlichen, rechtschaffenen Kindern,

Helfend bei, damit man eine Erleichterung habe, zu leisten, was der Staat und das Leben verlangen.

Sollte etwa das Glück bei dir einkehren, so leb nicht wie ein Kavalier.

Bleibe so, wie du warst, bei dem goldenen Maß der Mittelstraße, weiche nicht ab von dem rechten Lebenswege.

Das Glück ist rund wie eine Kugel; es rollt ebenso leicht von uns weg, wie zu uns.

Gelingt etwas nicht, oder trifft dich ein Unglück, so sprich davon nicht zu den Menschen.

Bleib’ gelassen; lasse dir nichts anmerken; sei nicht kleinmütig;

Klage alles nur Gott; bitte ihn; ich sage dir, er macht alles wieder besser!

Bekümmert tun, sich zurückziehn, saure Gesichter machen, weinerlich sein: dadurch wird nichts erreicht.

Den Kopf hängen lassen, als ob einem die Hühner das Brot weggegessen hätten:

Das bessert nichts Schlimmes, geschweige denn macht es das Gute noch besser!

Bewahre deinen Besitz, den du mit dir nimmst; sorge ein wenig für die Zukunft.

Schenkt dir jemand etwas, so nimm es, ohne dich zu zieren, und sage dafür: vergelte es Gott! –

Beachte, Ignaz; und erinnere dich daran wohl: der Höflichkeit wegen ist noch niemand bestraft worden! –

Zeige dich nicht widerborstig, die Fremde macht den Menschen bescheiden; dies ist ein Sprichwort und ein Wahrwort.

Lasse dich nicht zum Spielen verführen; mache dir nicht zu viel aus dem Tanzplatz.

Lasse dir nicht die Karten legen; und suche dein Schicksal nicht nach dem Traumbuch.

Gehen zwei Wege, und einer ist neu, so gehe du den alten.

Geht einer ungerade, was des öfteren ist, so gehe du den geraden.

Behüte deine Gesundheit; die Gesundheit ist von allen Gütern das bessere.

Gestehe mir doch zu: was besitzt man in der Welt wirklich, wenn man nicht die Gesundheit hat?

‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Kommst du einst nach Hause, und findest du uns alte Leute nicht mehr in diesem Stübchen,

Dann sind wir da, wo dein Großvater und deine Großmutter in Freuden uns erwarten,

Wo uns unsere Wohltäter finden und unsere verstorbenen Verwandten!

Alle werden uns sogleich wiedererkennen – und dies, Ignaz, ist etwas sehr Schönes.

* * *

Karl Julius Schröer schreibt 1879 von diesem Österreicher, aus dessen gelehrter Seele das Bauernleben – aber auch, wie gerade das angeführte Stück seiner Dichtung zeigt, die urwüchsige Bauernphilosophie – so prächtig auftauchte: »Sein Talent fand keine Aufmunterung. Obwohl er noch mancherlei dichtete, verbrannte er seine sämtlichen Dichtungen ... und nun lebt er, als Bibliothekar des Piaristenkollegiums bei St. Thekla auf der Wieden in Wien, abgeschieden von allem Umgang, nach seinem eigenen Ausspruch ›ohne Freud und Leid‹.« Wie Joseph Misson muß man viele Persönlichkeiten des österreichischen Geisteslebens in verborgenen Lebenslagen suchen. – Misson kann nicht als Denker unter den in dieser Schrift geschilderten Persönlichkeiten in Betracht kommen. Doch wenn man sich sein Seelenleben vorstellt, so gibt dies ein Verständnis für die besondere Färbung der Ideen österreichischer Denker. Die Gedanken Schellings, Hegels, Fichtes, Plancks gestalten sich plastisch auseinander wie die Glieder eines Gedankenorganismus. Der eine Gedanke wächst aus dem andern heraus. Und in der Physiognomie dieses ganzen Gedanken-Organismus erkennt man ein Volkheitmäßiges. Bei den österreichischen Denkern steht mehr ein Gedanke neben dem andern; und ein jeder wächst für sich – weniger aus dem andern – sondern aus dem gemeinsamen Seelengrunde hervor. Dadurch trägt nicht die Gesamtgestalt das unmittelbar Volkheitmäßige; dafür aber ist über jeden einzelnen Gedanken dieses Volkheitmäßige wie eine Grundstimmung ausgegossen. Solche Grundstimmung wird von den Denkern naturgemäß im Gemüte zurückgehalten; sie klingt nur leise an. Sie tritt in einer Persönlichkeit wie Misson als Heimweh nach dem Elementarischen der Volkheit auf. Bei Schröer, bei Fercher von Steinwand, bei Carneri, und auch bei Hamerling wirkt sie in der Grundtönung ihres Strebens überall mit. Das Denken erhält dadurch den Charakter des Sinnens.–

 

* * *

 

In Robert Hamerling ist dem niederösterreichischen Waldviertel einer der größten Dichter der neueren Zeit entsprossen. Er ist zugleich einer der Träger des deutschen Weltanschauungs-Idealismus. Über Wesen und Bedeutung von Hamerlings Dichtungen zu sprechen, beabsichtige ich für diese Schrift nicht. Wie er sich in die Weltanschauungsentwickelung der neueren Zeit hineingestellt hat, darüber nur will ich einiges andeuten. Er hat in dem Werke: »Die Atomistik des Willens« auch in Gedankenform seiner Weltansicht Ausdruck gegeben. (Der steiermärkische Dichter und völkische Schriftsteller Adolf Harpf hat nach Hamerlings Tode dieses Buch 1891 herausgegeben.) Das Buch trägt den Untertitel »Beiträge zur Kritik der modernen Erkenntnis«.

Hamerling wußte, daß viele, die sich Philosophen nennen, diese seine »Beiträge« mit – vielleicht nachsichtiger – Verwunderung aufnehmen werden. Was sollte – so mochte mancher denken – der idealistisch gestimmte Dichter in einem Felde anzufangen wissen, in dem strenge Wissenschaftlichkeit herrschen muß? Und die Ausführungen seines Buches überzeugten diejenigen nicht, in denen ein solches Urteil nur die an die Oberfläche getriebene Welle ist aus Seelentiefen, in denen es auf unbewußte (oder unterbewußte) Art aus Denkgewohnheiten gebildet wird. Solche Menschen können sehr scharfsinnig, sie können wissenschaftlich sehr bedeutend sein: das Ringen der wahren Dichternatur ist ihnen doch nicht verständlich. Derjenigen Dichternatur, in deren Seele alle die Konflikte leben, aus denen heraus sich die Rätsel der Welt vor den Menschen hinstellen. Die deshalb innere Erfahrung über diese Welträtsel hat. Wenn sich eine solche Natur dichterisch ausspricht, so waltet in den Untergründen ihrer Seele die fragende Weltenordnung, die ohne im Bewußtsein sich in Gedanken umzuwandeln, in der elementarischen Kunstschöpfung sich offenbart. Allerdings ahnen von dem Wesen solch wahrer Dichternaturen auch diejenigen Dichter nichts, welche vor einer Weltanschauung zurückzucken, wie vor Feuer, das ihre »lebensvolle Ursprünglichkeit« anbrennen könnte. Ein wahrer Dichter mag vielleicht nie in seinem Bewußtsein in Gedanken formen, was in den Wurzeln seines Seelenlebens an unbewußten Weltgedanken kraftet: er steht deshalb doch mit seinem inneren Erleben in denjenigen Tiefen der Wirklichkeit, von welchen man nichts ahnt, wenn man in behaglicher Weisheit dort nur Träumereien erblickt, wo der Sinneswirklichkeit ihr Dasein aus dem Geiste heraus verliehen wird. Wenn nun einmal eine wahre Dichternatur wie Robert Hamerling ohne Abstumpfung ihrer dichterischen Schöpferkraft das oft bei andern unbewußt Bleibende als Gedankenwelt ins Bewußtsein zu heben weiß, dann kann man einer solchen Erscheinung gegenüber auch die Ansicht haben, daß dadurch aus Geistestiefen herauf besondere Lichter auf die Rätsel der Welt geworfen werden. Hamerling selbst spricht in dem Vorwort seiner »Atomistik des Willens« darüber, wie er zu seiner Gedankenwelt gekommen ist. »Ich habe mich nicht plötzlich auf die Philosophie geworfen vor längerer oder kürzerer Zeit, etwa weil ich zufällig Lust dazu bekam, oder weil ich mich einmal auf einem andern Gebiete versuchen wollte. Ich habe mich mit den großen Problemen der menschlichen Erkenntnis beschäftigt von meiner frühen Jugend an, infolge des natürlichen, unabweisbaren Dranges, welcher den Menschen überhaupt zur Erforschung der Wahrheit und zur Lösung der Rätsel des Daseins treibt. Ich habe in der Philosophie niemals eine spezielle Fachwissenschaft erblicken können, deren Studium man betreiben oder beiseite lassen kann, wie das der Statistik oder der Forstwissenschaft, sondern sie stets als die Erforschung desjenigen betrachtet, was jedem das Nächste, Wichtigste und Interessanteste ist. … Ich für meine Person konnte es mir schlechterdings nicht versagen, dem ursprünglichsten, natürlichsten und allgemeinsten aller geistigen Antriebe zu folgen und mir im Laufe der Jahre ein Urteil über die Grundfragen des Daseins und Lebens zu bilden.« – Einer derjenigen, die Hamerlings Gedankenwelt hoch schätzten, war der in Wien lebende gelehrte und feinsinnige Benediktinerordenspriester Vincenz Knauer. Er hat als Privatdozent der Wiener Universität Vorlesungen gehalten, durch die er darstellen wollte, wie Hamerling in der Entwickelungsströmung der Weltanschauungen steht, die mit Thales in Griechenland anhebt und in dem österreichischen Dichter und Denker sich in der für das Ende des neunzehnten Jahrhunderts bedeutungsvollsten Erscheinung offenbart. Allerdings gehörte Vincenz Knauer zu den Forschern, denen Engherzigkeit fremd ist. Er hat als junger Philosoph ein Buch über die Moralphilosophie in Shakespeares Dichtungen geschrieben. (Knauers Wiener Vorlesungen sind unter dem Titel »Die Hauptprobleme der Philosophie von Thales bis Hamerling« im Druck erschienen.) –

Auch in der Dichtung Robert Hamerlings lebt die idealistische Grundstimmung seiner Anschauung von der Wirklichkeit. Die Gestalten seiner epischen und dramatischen Schöpfungen sind nicht eine Wiedergabe dessen, was eine geistscheue Beobachtung im äußeren Leben sieht; sie zeigen überall, wie die Menschenseele aus einer geistigen Welt herein Richtungen und Impulse erhält. Die geistscheue Beobachtung schilt auf solche Schöpfungen. Sie nennt sie blutleere Gedankenerzeugnisse, denen die Vollsaftigkeit des Lebens fehle. Man kann diese Ansicht oft die Formel bemühen hören: die Menschen dieses Dichters sind keine Personen, die in der Welt wandeln; sie sind Schemen aus der Abstraktion heraus geboren. Wenn so sprechende »Wirklichkeitsmenschen« doch ahnen könnten, wie sehr sie selbst wandelnde Abstraktionen sind und ihr Bekenntnis die Abstraktion einer Abstraktion ist! Wenn sie nur wüssten, wie seelenleer ihre bluterfüllten Gestalten dem sind, der einen Sinn hat nicht nur für pulsierendes Blut, sondern auch dafür, wie Seele im Blute pulsiert. Man hat von solch einem Wirklichkeitsstandpunkte aus gesagt, die dramatische Dichtung Hamerlings »Danton und Robespierre« bereichere nur das Schattenvolk ehemaliger Revolutionshelden um eine Anzahl neuer Schemen.

Hamerling hat solche Einwürfe in dem »Epilog an die Kritiker« abgewehrt, den er den späteren Auflagen seines »Ahasver in Rom« beigefügt hat. In diesem Epilog stehen die Worte: »… Man besagt, ›Ahasver in Rom‹ sei eine ›allegorische‹ Dichtung, bei welchem Worte viele sogleich von einer Gänsehaut überlaufen werden. – Allegorisch ist das Gedicht allerdings insofern, als eine mythische Gestalt hineinverwoben ist, deren Existenzberechtigung immer nur darauf beruht, daß sie etwas bedeutet. Denn jeder Mythus ist eine durch die Volksphantasie verbildlichte Idee. Aber, sagt man, auch Nero will etwas ›bedeuten‹ – den ›Lebensdrang‹! Nun ja, er bedeutet den Lebensdrang; aber nicht anders als Molières ›Geiziger‹ den Geiz, Shakespeares ›Romeo‹ die Liebe bedeutet. Es gibt allerdings poetische Gestalten, die gar nichts weiter sind als allegorische Schemen und nichts an sich haben, als ihre innere abstrakte Bedeutung – dem kranken, magern Kanonikus bei Heine vergleichbar, der zuletzt aus nichts anderem bestand, als aus ›Geist und Pflastern‹. Aber für eine mit realem Leben erfüllte dichterische Figur ist die innewohnende Bedeutung kein Vampyr, der ihr das Blut aussaugt. Existiert überhaupt etwas, das nichts ›bedeutet‹? Ich möchte doch wissen, wie es der Bettler anstellen sollte, um nicht die Armut, und ein Krösus, um nicht den Reichtum zu bedeuten? … Ich glaube also, daß der lebensdurstige Nero dadurch, daß er dem todessehnsüchtigen Ahasver gegenüber den Lebensdrang ›bedeutet‹, an seiner Realität so wenig einbüßt, als ein reicher Kaufherr an seiner blühenden Wohlbeleibtheit einbüßen würde, wenn er zufällig neben einen Bettler zu stehen käme und notgedrungen den Kontrast von Armut und Reichtum in einer allegorischen Gruppe versinnlichte.« In solcher Art weist der von idealistischer Weltanschauung beseelte Dichter die Angriffe von Menschen zurück, welche erschaudern, wenn sie irgendwo eine in der wahren Wirklichkeit – der Geistwirklichkeit – wurzelnde Idee wittern.

Beginnt man mit dem Lesen von Hamerlings »Atomistik des Willens«, so kann man allerdings zunächst die Empfindung erleben, er habe sich durch den Kantianismus von der Unmöglichkeit überzeugen lassen, daß es eine Erkenntnis der wahren Wirklichkeit, des »Dinges an sich« geben könne. Doch sieht man im weiteren Verlaufe der Darstellung seines Buches, daß es Hamerling mit dem Kantianismus so ergangen ist wie Carneri mit dem Darwinismus. Er hat sich durch die suggestive Kraft gewisser Kantscher Gedanken überwältigen lassen; dann aber siegt die Ansicht bei ihm, daß der Mensch, wenn er auch durch die Sinnesanschauung nach außen hin nicht an die wahre Wirklichkeit herandringen kann, dieser doch begegnet, wenn er durch die Oberfläche des seelischen Erlebens hindurch in die Seelenuntergründe eintaucht.

Hamerling beginnt ganz Kantisch: »Gewisse Reizungen erzeugen den Geruch in unserem Riechorgan. Die Rose duftet also nicht, wenn sie niemand riecht. – Gewisse Luftschwingungen erzeugen in unserm Ohr den Klang. Der Klang existiert also nicht ohne ein Ohr. Der Flintenschuss würde also nicht knallen, wenn ihn niemand hörte. … Wer dies festhält, wird begreifen, welch ein naiver Irrtum es ist, zu glauben, daß neben der von uns ›Pferd‹ genannten Anschauung oder Vorstellung noch ein anderes, und zwar erst das rechte, wirkliche ›Pferd‹ existiere, von welchem unsere Anschauung eine Art Abbild ist. Außer mir ist – wiederholt sei es gesagt – nur die Summe jener Bedingungen, welche bewirken, daß sich in meinen Sinnen eine Anschauung erzeugt, die ich Pferd nenne.« Diese Gedanken wirken mit solch suggestiver Kraft, daß Hamerling an sie die Worte zu schließen vermag: »Leuchtet dir, lieber Leser, das nicht ein und bäumt dein Verstand sich vor dieser Tatsache wie ein scheues Pferd, so lies keine Zeile weiter; laß dieses und alle anderen Bücher, die von philosophischen Dingen handeln, ungelesen; denn es fehlt dir die hierzu nötige Fähigkeit, eine Tatsache unbefangen aufzufassen und in Gedanken festzuhalten.« Ich möchte Hamerling gegenüber sagen: Mögen sich doch recht viele Menschen finden, deren Verstand zwar bei diesen Eingangsworten seines Buches sich wie ein scheues Pferd bäumt, die aber Ideenstärke genug besitzen, um die tiefdringenden späteren Kapitel recht zu würdigen; und ich bin froh, daß Hamerling doch diese späteren Kapitel geschrieben hat, obgleich sich sein Verstand nicht bäumte bei der Behauptung: da ist in mir die Vorstellung »Pferd«; aber da draußen existiert nicht das rechte wirkliche Pferd, sondern nur die »Summe jener Bedingungen, welche bewirken, daß sich in meinen Sinnen eine Anschauung erzeugt, die ich Pferd nenne«. Denn man hat es hier wieder mit einer Behauptung zu tun, wie Carneri eine mit Bezug auf Materie, Stoff und Geist aussprach. Mit einer Behauptung, die überwältigende Macht über einen Menschen bekommt, weil er so gar nicht sieht, in welch unmöglichen Gedanken er sich eingesponnen hat. Der ganze Hamerlingsche Gedankengang ist nicht mehr wert als dieser: Gewisse Wirkungen, die von mir ausgehen auf die Fläche einer belegten Glasscheibe, erzeugen mein Bild im Spiegel. Es entsteht durch die von mir ausgehenden Wirkungen nichts, wenn kein Spiegel da ist. Außer dem Spiegel gibt es nur die Summe jener Bedingungen, welche bewirken, daß sich im Spiegel ein Bild erzeugt, das ich mit meinem Namen bezeichne. – Ich höre im Geiste alle Deklamationen über einen bis zur Frivolität gehenden philosophischen Dilettantismus, der es wagt, ernste wissenschaftliche Philosophengedanken mit solch einem kindischen Einwand abzutun. Weiß ich doch, was seit Kant alles im Sinne dieser Gedanken beigebracht worden ist. Von dem Chor, von dem dies ausgeht, wird man nicht verstanden, wenn man spricht, wie es hier geschehen ist. Man muß sich an die unbefangene Vernunft wenden, die begreift, daß die Form der Gedankenführung in beiden Fällen dieselbe ist: ob ich gegenüber der Vorstellung des Pferdes in der Seele das äußere Pferd wegdekretiere, oder ob ich gegenüber dem Bilde im Spiegel meine Existenz bezweifle. Auf gewisse erkenntnistheoretisch sein sollende Widerlegungen dieses Vergleiches braucht man nicht erst einzugehen. Denn was da vorgebracht würde über die doch ganz anderen Beziehungen der »Vorstellung zu dem Vorgestellten« als des Spiegelbildes zu dem sich Spiegelnden, steht für gewisse Erkenntnistheoretiker mit unbedingter Sicherheit fest; für andere Leser aber könnte eine entsprechende Widerlegung dieser Gedanken doch nur ein Gewebe von unfruchtbaren Abstraktionen sein. – Hamerling empfindet aus seinem gesunden Idealismus heraus, daß eine Idee, die in einer Weltanschauung Berechtigung haben soll, nicht nur richtig, sondern auch wirklichkeitsgemäß sein muß. (Ich muß hier durch die Vorstellungen mich ausdrücken, die ich in den Ausführungen dieser Schrift über Ch. K. Planck gekennzeichnet habe.) Wäre er weniger durch die angedeutete Denkweise suggestiv beeinflusst gewesen, so hätte er bemerkt, daß in Gedanken, wie diejenigen, die er für notwendig hält, trotzdem »der Verstand wie ein scheues Pferd« sich davor bäumt, nichts Wirklichkeitsgemäßes steckt. Sie entstehen in der menschlichen Seele, wenn diese von wirklichkeitfremdem Abstraktionssinn angekränkelt, sich dem Fortspinnen von Gedanken überläßt, die in sich zwar logisch zusammenhängend sind, in denen aber keine geistige Wirklichkeit lebendig waltet. Aber eben der gesunde Idealismus führt Hamerling in den weiteren Gedanken seiner Willensatomistik über das Gedankengewebe hinaus, das er in den Anfangskapiteln dargestellt hat. Besonders deutlich wird dies da, wo er von dem menschlichen »Ich« im Zusammenhange mit dem Seelenleben spricht. Man sehe, wie Hamerling sich zu dem »Ich denke, also bin ich« des Descartes verhält. Fichtes Vorstellungsart (von der in den Ausführungen dieser Schrift über Fichte gesprochen ist) wirkt wie ein leise mitklingender Grundton in den schönen Worten auf Seite 223 des ersten Bandes der »Atomistik des Willens«. »Das Cogito ergo sum des Cartesius (Descartes) bleibt aller Begriffshaarspalterei zum Trotz, welche an ihm nörgelt, der zündende Lichtblitz aller modernen Spekulation. Aber dieses ›Ich denke, somit bin ich‹ ist, genau genommen, nicht darum gewiß, weil ich denke, sondern weil ich sage, daß ich denke. Die Folgerung würde gleiche Gewißheit haben, auch wenn ich die Prämisse in ihr Gegenteil verkehrte und sagte: ›Ich denke nicht, somit bin ich.‹ Um dies sagen zu können, muß ich existieren.« Bei Besprechung von Fichtes Weltansicht ist in dieser Schrift gesagt, daß gegenüber dem Schlafzustand der Satz »Ich denke, also bin ich« nicht zu halten ist. Man muß die Gewißheit vom Ich ergreifen so, daß diese Gewißheit nicht durch die Innenwahrnehmung »Ich denke« erschöpft erscheinen kann. Hamerling empfindet dieses; deshalb sagt er, es gelte auch das: »Ich denke nicht, somit bin ich.« Er sagt es, weil er fühlt: im menschlichen Ich wird etwas erlebt, das die Gewißheit seines Daseins nicht vom Denken empfängt, sondern dem Denken vielmehr seine Gewißheit gibt. Das Denken wird von dem wahren Ich in gewissen Zuständen entfaltet; das Erleben des Ich ist aber von der Art, daß sich die Seele durch dasselbe in eine Geistwirklichkeit versenkt fühlen kann, in der sie ihr Dasein auch für andere Zustände verankert weiß als die sind, für welche das »Ich denke, also bin ich« des Descartes gilt. Alles dies aber beruht darauf, daß Hamerling weiß: wenn das »Ich« denkt, so lebt in seinem Denken der Lebenswille. Das Denken ist gar nicht bloß Denken; es ist gewolltes Denken. »Ich denke« ist als Gedanke ein bloßes Gespinst, das nie und nirgends da ist. Es ist immer nur das »Ich denke wollend« da. Wer an das Gespinst: »Ich denke« glaubt, der kann sich damit absondern von der gesamten Geisteswelt; und dann entweder zum Bekenner des Materialismus werden oder zum Zweifler an der Wirklichkeit der Außenwelt. Zum Materialisten wird er, wenn er von dem in seinen Grenzen voll berechtigten Gedanken sich einfangen läßt, daß zum Denken, wie es Descartes im Sinne hat, die Nervenwerkzeuge notwendig sind. Zum Zweifler an der Wirklichkeit der Außenwelt wird er, wenn er in den – wieder innerhalb gewisser Grenzen berechtigten – Gedanken sich verwickelt, daß alles Denken über die Dinge doch in der Seele erlebt wird; man also mit seinem Denken doch nie an eine an sich bestehende Außenwelt herankommen könnte, auch wenn diese Außenwelt existierte. Wer den Willen in allem Denken bemerkt, der kann, wenn er zur Abstraktion neigt, nun allerdings den Willen vom Denken begrifflich absondern und im Stile Schopenhauers von einem Willen sprechen, der in allem Weltdasein walten soll, und der das Denken wie Schaumwellen an die Oberfläche der Lebenserscheinungen treibt. Wer aber die Einsicht hat, daß nur das »Ich denke wollend« Wirklichkeit hat, der denkt in der menschlichen Seele Wille und Denken so wenig getrennt, wie er bei einem Menschen Kopf und Leib getrennt denkt, wenn er den Gedanken von einer Wirklichkeit haben will. Ein solcher weiß aber auch, daß er mit dem Erleben eines vom Willen getragenen erlebten Denkens aus den Grenzen seiner Seele herausgeht und in das Erleben des auch durch seine Seele pulsierenden Weltgeschehens eintritt. Und in der Richtung nach einer solchen Weltanschauung bewegt sich Hamerling. Nach einer Weltanschauung, die weiß,daß sie mit einem wirklichen Gedanken ein Erlebnis des Weltenwillens in sich hat; nicht bloß ein Erlebnis des eigenen »Ich«. Einer Weltanschauung strebt Hamerling zu, die nicht in das Chaos einer Willensmystik sich verirrt, die vielmehr in der Klarheit der Ideen den Weltenwillen erleben will. – Mit diesem Ausblick auf den durch die Ideen erschauten Weltenwillen weiß sich nun Hamerling stehend in dem Mutterboden des deutschen Weltanschauungs-Idealismus. Seine Gedanken erweisen sich vor ihm selber als wurzelnd im deutschen Volkstum, das schon in Jakob Böhme in elementarischer Art nach Erkenntnis rang. Auf Seite 259 f. von Hamerlings »Atomistik des Willens« liest man: »Den Willen zum obersten philosophischen Prinzip zu machen, ist – was man bisher übersehen zu haben scheint – ein vorzugsweise deutscher Gedanke, ein Kerngedanke des deutschen Geistes. Von den deutschen Naturphilosophen des Mittelalters bis zu den Klassikern der deutschen Spekulation und bis herab zu Schopenhauer und Hartmann durchzieht dieser Gedanke, bald mehr, bald weniger hervortretend, oft nur gleichsam auf einen Augenblick hervortretend, um dann in den gärenden Ideenmassen unserer Denker wieder zu verschwinden, die Philosophie des deutschen Volkes. Und so war es auch der ›philosophus teutonicus‹, der in Wahrheit deutscheste und tiefste aller modernen Philosophen, der in seiner tiefsinnigen originellen Bildersprache den Willen zuerst ausdrücklich als das Absolute, als die Einheit erfaßte. …« Und um noch auf einen anderen deutschen Denker dieser Richtung hinzuweisen, führt Hamerling Worte Jacobis, des Zeitgenossen Goethes, an: »Erfahrung und Geschichte lehren, daß des Menschen Tun viel weniger von seinem Denken, als sein Denken von seinem Tun abhängt; daß seine Begriffe sich nach seinen Handlungen richten und sie gewissermaßen nur abbilden, daß also der Weg der Erkenntnis ein geheimnisvoller Weg ist – kein syllogistischer – kein mechanischer.« – Weil Hamerling aus dem Grundton seiner Seele heraus ein Empfinden dafür hat, daß zur bloßen logischen Richtigkeit einer Idee deren Wirklichkeitsgemäßheit hinzukommen muß, kann er auch die Lebensansichten der pessimistischen Philosophen nicht gelten lassen, die durch abstrakt-begriffliches Abwägen bestimmen wollen, ob die Lust oder die Unlust im Leben überwiege, dieses also als Gut oder als Übel angesehen werden müsse. Nein, darüber entscheidet nicht das zur Theorie gewordene Nachdenken; darüber wird in viel tieferen Gründen des Lebens entschieden, in Tiefen, die über dieses Nachdenken zu richten haben; aber sich nicht von ihm richten lassen. Darüber sagt Hamerling: »Die Hauptsache ist nicht, ob die Menschen recht haben, daß sie alle, mit verschwindend kleinen Ausnahmen, leben wollen, leben um jeden Preis, gleichviel, ob es ihnen gut ergeht oder schlecht. Die Hauptsache ist, daß sie es wollen, und dies ist schlechterdings nicht zu leugnen. Und doch rechnen mit dieser entscheidenden Tatsache die doktrinären Pessimisten nicht. Sie wägen immer nur in gelehrten Erörterungen Lust und Unlust, wie es das Leben im besonderen bringt, verständig gegeneinander ab; aber da Lust und Unlust Gefühlssache, so ist es das Gefühl und nicht der Verstand, welcher die Bilanz zwischen Lust und Unlust endgültig und entscheidend zieht. Und diese Bilanz fällt tatsächlich bei der gesamten Menschheit, ja man kann sagen, bei allem, was Leben hat, zugunsten der Lust des Daseins aus. Daß alles, was da lebt, leben will, leben unter allen Umständen, leben um jeden Preis, das ist die große Tatsache, und dieser Tatsache gegenüber ist alles doktrinäre Gerede machtlos.« In die geistige Wirklichkeit hinein sucht Hamerling den Weg in einer ähnlichen Art wie ihn die Denker von Fichte bis Planck gesucht haben, die in dieser Schrift geschildert sind. Nur ist er bestrebt, der naturwissenschaftlichen Vorstellung in einem höheren Grade Recht widerfahren zu lassen, als dies etwa Schelling oder Hegel vermochten. Nirgends verstößt die »Atomistik des Willens« gegen die Forderungen des naturwissenschaftlichen Weltbildes. Überall aber ist sie durchdrungen von der Einsicht, daß dieses Weltbild nur ein Glied der Wirklichkeit darstellt. Sie beruht auf der Anerkennung des Gedankens, daß man sich dem Glauben an eine unwirkliche Welt hingibt, wenn man es ablehnt, die Kräfte einer geistigen Welt in die Gedankenwelt aufzunehmen. (Ich gebrauche hier das Wort unwirklich in dem Sinne, wie es bei der Besprechung von Planck angewendet ist.)

In welch einem hohen Sinne Hamerlings Denken wirklichkeitsgemäß war, dafür spricht eindringlich seine satirische Dichtung »Homunculus«. In dieser zeichnet er mit großer dichterischer Kraft den Menschen, der selber seelenlos wird, weil zu seiner Erkenntnis nicht Seele und Geist sprechen. Was würde aus Menschen, die einer solchen Weltordnung wirklich entstammten, wie sie die naturwissenschaftliche Vorstellungsart dann sich als Glaubensbekenntnis zurechtlegt, wenn sie eine geistgemäße Weltanschauung ablehnt? Was wäre der Mensch, wenn das Unwirkliche dieser Vorstellungsart wirklich wäre? So etwa könnte man die Fragen stellen, die im »Homunculus« ihre künstlerische Antwort finden. Homunculismus müßte sich einer solchen Menschheit bemächtigen, die nur an eine im Sinne der mechanischen Naturgesetze gezimmerte Welt glaubte. Auch bei Hamerling zeigt sich, wie der zu den Ideen des Daseins Strebende den gesünderen Blick hat für das praktische Leben dem gegenüber, der geistesscheu vor der Ideenwelt zurückzuckt und sich dadurch als rechter »Wirklichkeitsmensch« fühlt. An Hamerlings Homunculus könnten diejenigen gesunden, die gerade in der Gegenwart sich von der Meinung verführen lassen, daß Naturwissenschaft die einzige Wissenschaft vom Wirklichen sei. Solche sprechen in ihrer Geistesscheu davon, daß ein heute, wie sie meinen, überwundener Idealismus der klassischen Zeit des Denkens den homo sapiens zu sehr in den Vordergrund gerückt habe. »Wahre Wissenschaft« müsse erkennen, daß der Mensch als homo öconomus innerhalb der Welt- und Menschenordnung vor allem zu betrachten sei. »Wahre Wissenschaft« ist für solche Menschen allein die aus der naturwissenschaftlichen Vorstellungsart entsprossene. Homunculismus entsteht aus solchem Glauben. Die ihn vertreten, ahnen nicht, wie sie dem Homunculismus zustreben. Hamerling hat mit dem Seherblick des Erkennenden diesen Homunculismus gezeichnet. Daß durch die rechte Schätzung des »homo sapiens« im Sinne Hamerlings nicht eine Überschätzung des Literatentums gezeugt wird, das können aus dem »Homunculus« auch diejenigen ersehen, welche sich vor solcher Überschätzung fürchten.

  

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