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VI. Das Ich-Erlebnis

In dem Erleben des ›Ich‹ selbst durch den Menschen liegt nichts, was durch einen Sinnesvorgang angeregt ist. Dagegen nimmt das Ich die Ergebnisse der Sinnesvorgänge in sein eigenes Erleben auf und baut sich aus ihnen das Gefüge seines Inneren, des eigentlichen ›Ich-Menschen‹. Dieser ›Ich-Mensch‹ besteht somit ganz aus Erlebnissen, welche außer dem Ich ihren Ursprung haben und dennoch nach den entsprechenden Sinneserlebnissen in dem Ich weiterbestehen. Sie können also in Ich-Erlebnisse umgewandelt werden. Wie das geschieht, darüber kann man eine Vorstellung gewinnen, wenn man die Erlebnisse des sogenannten Tastsinnes betrachtet. Bei diesem kommt nichts von einem Gegenstande der äußeren Welt in die Ich-Erlebnisse hinein. Das Ich strahlt gewissermaßen seine eigene Wesenheit bis zu der Berührungsstelle mit dem äußeren Gegenstande und läßt nach Maßgabe der Berührung dann diese eigene Wesenheit in sich zurückkehren. Die zurückstrahlende eigene Wesenheit bildet den Inhalt der Tastwahrnehmung. Warum erkennt nicht sofort das Ich die Tastwahrnehmung als den eigenen Inhalt? Weil dieser Inhalt von der anderen Seite, von außen her, einen Gegenstoß erhalten hat und nun so zurückkehrt, wie ihn dieser Anstoß der Außenwelt geprägt hat. Der Ich-Inhalt kehrt also zurück mit dem Gepräge, das er von außen erhalten hat. Das Ich empfängt somit in der Beschaffenheit seines eigenen Inhaltes eine gewisse Eigenheit der Außenwelt. Daß es wirklich innerliche Ich-Erlebnisse sind, welche nur in ihre Prägung die Eigenheit der Außenwelt aufgenommen haben, kann nur durch ein Urteil gewonnen werden. – Man nehme nun an, das Erleben des Ich könne nicht bis zur Berührung mit dem äußeren Gegenstand kommen. Derselbe strahle seine Wesenheit aus; und das Ich-Erleben müsse vor der Berührung zurückprallen. Dann entstände innerhalb des Ich ein ähnliches Erlebnis, wie das Tasterlebnis ist; nur wird durch den schwächeren Widerstand des Ich in seinem Erleben etwas auftreten wie ein Einströmen des Äußeren. Als ein solcher Vorgang kann in der Tat das Geruchserlebnis gekennzeichnet werden. – Ist der Anprall von außen so stark, daß sich die äußere Strahlung in das Ich-Erleben hineingräbt, dann kann die Einströmung von außen geschehen, und erst, wenn  sich das innere Erleben gewissermaßen zur Wehre setzt, kann es sich wie verschließen gegen die Eigenheit der Außenwelt. Es hat aber dann in sich die Strömung von außen aufgenommen und trägt sie nun in sich als eigene innere Wesenheit. In dieser Art kann man den Geschmackssinn kennzeichnen. – Wenn aber nun das Ich nicht sein eigenes ursprüngliches Erleben, sondern solche Wesenheit, die es selbst von außen aufgenommen hat, dem äußeren Dasein entgegenbringt, so kann von außen her eine Eigenheit einem Innenerlebnis eingeprägt werden, die selbst ursprünglich von außen in das Innere hereingenommen ist. Die Außenwelt prägt sich dann einem Innenerlebnis ein, das selbst erst von einem Äußeren verinnerlicht ist. In solcher Art stellt sich der Gesichtssinn dar. Es ist bei ihm so, wie wenn innerhalb der Ich-Erlebnisse die Außenwelt es mit sich selbst zu tun hätte. Wie wenn sie erst ein Glied ihrer Wesenheit in den Menschen hineingeschickt hätte, um dann ihre Eigenheit diesem Gliede einzuprägen. – Man nehme nun weiter an, daß die Außenwelt mit dem, was sie in das Innere als Sinnesorgan geschickt hat, das Ich-Erleben gleichsam ganz ausfülle; dann wird das  Innere die Eigenheit eines Äußeren in der Sinneswahrnehmung nacherleben, obgleich inneres Erlebnis und Außenwelt einander gegenüberstehen. Und ein Einstrahlen von seiten der Außenwelt wird dann als etwas sich offenbaren, was mit einem Inneren gleichartig ist. Das Ich wird Äußeres und Inneres als gleichartig erleben. So ist es beim Wärmesinn. – Nun vergleiche man die Erlebnisse des Wärmesinnes mit dem Lebensvorgang der Wärmung.Ein Wärmeeindruck muß als etwas anerkannt werden, was Gleichartigem seine Entstehung verdankt wie die im Inneren selbst erzeugte und dieses Innere erfüllende Wärme.

Bei Geruchssinn, Geschmackssinn und Gesichtssinn kann von einem Einströmen der Außenwelt in die Ich-Erlebnisse gesprochen werden. Durch den Wärmesinn wird das Innenleben mit der Eigenart der Außenwelt erfüllt. Eine Sinneswahrnehmung von innen gibt sich kund bei Gleichgewichts-, Eigenbewegungs- und Lebenssinn. Durch sie erlebt das Ich seine innere physische Erfüllung.

Ein anderes findet statt beim Gehörsinn. Da läßt die äußere Wesenheit nicht nur wie beim Tastsinn die Ich-Erlebnisse an sich herankommen; sie bohrt sich auch nicht in sie hinein, wie beim Geruchs-, Geschmacks- und Gesichtssinn, sondern sie läßt sich gleichsam von den Ich-Erlebnissen bestrahlen; sie läßt sie an sich herankommen. Und erst dann setzt sie die eigenen Kräfte entgegen. Das Ich muß dadurch etwas erleben, das wie ein Sichausbreiten in die Außenwelt ist, wie ein Verlegen dieser Ich-Erlebnisse nach außen. Ein solches Verhältnis kann vom Gehörsinn anerkannt werden. (Wer nicht abstrakte Vergleiche macht, der wird nicht einwenden, daß z. B. auch beim Gesichtssinn ein solches Sichausbreiten stattfinde. Die Tonwahrnehmung ist von wesentlich anderer Art als die Gesichtswahrnehmung. In der Farbe ist nicht in demselben Sinne das Ich-Erlebnis als solches enthalten wie in dem Ton.) In noch höherem Maße ist dieses Ausbreiten des Ich-Erlebnisses in die Umwelt beim Lautsinn und beim Begriffssinn gegeben.

   

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