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Sechstes Bild

Ein Raum, der nicht von künstlichen Wänden begrenzt, sondern von baumartig geformten sich verschlingenden Gewächsen und Gebilden eingeschlossen ist, die sich ausweiten und Ausläufer ins Innere senden. Das Ganze durch Naturvorgänge wild bewegt und zuweilen stürmisch erfüllt. Capesius und Maria sind auf der Scene, wenn der Vorhang aufgeht. Dann kommen Benedictus, Philia, Astrid, Luna,  Lucifer, Ahriman und die tanzartig sich bewegenden Wesen, welche Gedanken darstellen, zuletzt Frau Baldes Seele.

Benedictus (noch unsichtbar, nur hörbar):

In deinem Denken leben Weltgedanken.

 

Capesius:

Das ist des Benedictus edle Stimme,

und seine Worte tönen geistig hier.

Es sind die gleichen, die im Lebensbuche

für seine Schüler eingeschrieben sind,

und die für Erdenseelen schwer begreiflich

und noch viel schwerer zu erleben sind.

An welchem Ort des Geisterlandes tönen

die Worte, die auf Erden Seelen prüfen?

Maria:

Du weilst so lange schon im Geisterland

in einer Art, die vieles offenbart,

und unbekannt ist dir noch dies Gebiet?

Capesius:

Was hier in eigner Wesenheit sich lebt,

ist leicht verständlich geistgewöhnten Seelen;

es klärt das eine sich durch andres auf.

Das Ganze ist voll Licht, wenn auch der Teil,

für sich allein gesehn, oft dunkel ist.

Doch wenn sich geistig Sein mit Erdenwesen

zu Einem Schaffen bilden will, beginnt

die Seele ihr Verständnis zu verlieren.

Und nicht der Teil allein, das Ganze hüllt

sich ihr dann oft in tiefe Finsternis.

Warum an diesem Orte widerhallen

die Worte, die in Benedictus’ Buch

für Erdenseelen sich geschrieben finden,

dies macht zum Rätsel, was sich hier begibt.

Benedictus (noch immer unsichtbar):

In deinem Fühlen weben Weltenkräfte.

Capesius:

Schon wieder solch ein Wort, das drüben

von Benedictus Schülern anvertraut

und hier in seiner Stimme sich erschafft.

Es strömet, Dunkelkraft durch sich erregend,

durch dieses Reiches grenzenlose Weiten.

Maria:

Schon fühle ich, was ich erfahren soll

in dieses Reiches fernelosen Weiten;

und Benedictus’ Nähe winket mir.

Er will an diesem Ort mich schauen lassen,

was unverständlich ist der Erdenseele,

so lang sie sinnbegabt im Leibe weset,

auch wenn die Geistesschülerschaft errungen.

Sie muß dem Lehrer folgen zu den Orten,

wo er die Worte nicht in Menschensprache

zu Zeichen nur der Wesen prägen kann;

wo er im Weltgeschehn die Schrift erreget,

die weltbedeutend sich der Seele gibt.

Ich will das Innre mir vom Erdensein,

verdichtend meine Seelenkräfte, lösen

und so erwarten, was sich offenbarend

mir durch die Geistesweiten zeigen will.

Es wird, wenn ich zum Erdensein mich wende,

Gedanke sein, der mir im Nach-Erdenken

im Seelen-Innern als Erkenntnis leuchtet.

Benedictus (erscheint aus dem Hintergrunde):

Gewinne dich in Weltgedankenkraft,

verliere dich durch Weltenkräfteleben;

du findest Erdenziele, spiegelnd sich

durch deine Wesenheit im Welten-Licht.

Capesius:

Auch Benedictus selber hier im Geiste!

Und seine Worte klingen nicht allein?

So trägt der Geisteslehrer Erdenwissen

zu Geistesorten wirksam lebend hin?

Und was bedeuten diese Worte hier,

die er im Erdenleben anders wendet?

Benedictus:

Capesius, du bist in meine Kreise

in deinen Erdenzeiten eingetreten,

obgleich du wissend nie mein Schüler warst.

Capesius:

Capesius ist nicht an diesem Orte;

und seine Seele will von ihm nicht hören.

Benedictus:

Du willst nicht in Capesius dich fühlen,

doch sollst du ihn erinnernd geistig schauen.

Dir hat des Denkens starke Wirkenskraft

im Seelenleib das Geistessein erschlossen.

Es löste dann dein Seelenleben sich

von Denkenstraumesspiel im Erdenleibe.

Zu schwach erfühlt’ es sich, mit ihm zu wandeln

aus Weltenfernen in die Seelentiefen;

zu stark, mit ihm das Geisteshöhenlicht

durch Erdenfinsternisse nur zu schauen.

Ich muß begleiten jeden, der von mir

im Erdensein das Geisteslicht empfangen,

ob er sich wissend, ob nur unbewußt

sich mir als Geistesschüler hat ergeben,

und muß die Wege weiter ihn geleiten,

die er durch mich im Geist betreten hat.

Du hast gelernt durch Seelenschau dem Geiste

in Weltenweiten dich erkennend nahen,

weil du vom Leib gelöst ihm folgen kannst.

Doch du erschaust noch nicht gedankenfrei

im Geistgebiet die wahre Wesenheit.

Den Sinnesleib vermagst du abzulegen,

Doch nicht des Denkens feines Leibgewebe.

Du kannst die Welt erst wahrhaft wirklich schauen

wenn nichts, das dir von Eigenheit geblieben,

des Schauens Klarheit wirksam trüben kann.

Nur wer das eigne Denken ausser sich

zu schauen hat gelernt, wie Seherkräfte

den Erdenleib von sich gelöst erschauen,

der dringt in Geisteswirklichkeiten ein.

So schau im Bilde, daß das Bild sich dir

zum Wissen durch die Seherkräfte wandle,

Gedanken, die sich räumlich wesenhaft

zu Formen bilden, Menschendenken spiegelnd.

(Eine freundlich gedämpfte Beleuchtung tritt ein, es erscheinen Philia, Astrid, Luna

in glimmender Wolke. Benedictus, Capesius, Maria gehen ab.)

Stimme (zusammenklingend von Philia, Astrid, Luna gesprochen):

Es schweben Gedanken

wie webendes Träumen

sich wesenhaft bildend

an Seelen heran;

sich schaffender Wille,

sich regendes Fühlen,

sich wirkendes Denken

erstehe dem Träumer.

(Während dies erklingt, kommt Lucifer von der einen, Ahriman von der anderen Seite.

Sie suchen ihre Orte zu beiden Seiten des Raumes auf.)

Lucifer (mit breitem Tone jedes Wort hervorhebend):

In deinem Willen wirken Weltenwesen.

(Von der Seite des Lucifer bewegen sich Wesen heran, welche Gedanken darstellen.

In tanzartiger Weise führen diese Bewegungen aus, welche Gedankenformen,

den Worten Lucifers entsprechend, darstellen.)

Ahriman (auch breit sprechend, doch rauh):

Die Weltenwesen, sie verwirren dich.

(Nach diesen Worten bewegen sich von Ahrimans Seite die Gedankenwesen und führen Tanzbewegungen, seinen Worten als Formen entsprechend, aus. Nach diesen werden die Bewegungen von beiden Gruppen zusammen ausgeführt.)

Lucifer:

In deinem Fühlen weben Weltenkräfte.

(Es wiederholen nun die Gedankenwesen auf Lucifers Seite ihre Bewegungen.)

Ahriman:

Die Weltenkräfte, sie verführen dich.

(Es wiederholen die Gedankenwesen auf Ahrimans Seite ihre Bewegungen,

dann wieder beide zusammen.)

Lucifer:

In deinem Denken leben Weltgedanken.

(Wiederholung der Bewegungen durch Lucifers Gruppe.)

Ahriman:

Die Weltgedanken, sie beirren dich.

(Wiederholung der Bewegung durch Ahrimans Gruppe.)

(Dann 4malige Wiederholung der Bewegungen jeder Gruppe einzeln und 3malige des Zusammenwirkens.)

(Die Gedankenwesen verschwinden links und rechts, Lucifer und Ahriman bleiben; es treten Philia, Luna, Astrid wieder aus dem Hintergrunde vor und sprechen die Worte, die sie vorher gesprochen, mir folgender Abänderung):

 Es schwebten Gedanken

wie webendes Träumen

Sich wesenhaft bildend

an Seelen heran;

sich schaffender Wille,

sich regendes Fühlen,

sich wirkendes Denken

erstanden dem Träumen.

(Philia, Astrid, Luna verschwinden; es kommt Capesius, und, nachdem er

einige Worte gesprochen, tritt Maria hinzu, die ihm zuerst unsichtbar ist.)

Capesius:

Die Seele, sie erlebt sich innerlich;

sie glaubt zu denken, weil sie nicht Gedanken

im Raume vor sich hingestellt erschaut.

Zu fühlen glaubt sie, weil Gefühle nicht

wie Blitze aus den Wolken zuckend leuchten;

sie sieht des Raumes Reiche und erblickt

Die Wolken über sich ... Und wenn dies nicht

sich so verhielte: wenn die Blitze zuckten,

und nicht ein Auge sich nach oben lenkte ...

Sie müsste glauben, daß in ihr der Blitz.

Sie sieht nicht Lucifer, aus dem Gedanken

entspriessen und Gefühle sich ergiessen ‒

so kann sie sich allein mit ihnen glauben.

Weshalb ergibt sie solchem Wahne sich?

O Seele, gib dir Antwort... doch . . . woher?

Aus dir? O tu es nicht … vielleicht ist auch

die Antwort … nicht von dir … von Lucifer …

Maria:

Und wenn sie’s wäre: deshalb suchst du nicht?

So steige in die Tiefen, sie zu finden …

Capesius:

Ein Wesen hier, das Seelen hören kann?

Maria:

Es sind die Seelen hier doch nicht getrennt.

Das sind sie nur, wenn sie den Leib gebrauchen.

Hier hört sich jede selbst im Wort der andern.

Drum sagst du dir nur selbst, wenn ich dir sage:

daß du in Tiefen Antwort suchen sollst.

Capesius:

O in den Tiefen … droht die finstre … Furcht.

Maria:

Ja, wahrlich, sie ist da; doch frage dich,

da du hinab dich zwangest in ihr Reich,

ob sie nicht deutlich sich dir offenbart.

Von Lucifer, vor dem du stehst, erfrage,

ob er dir Furcht in deine Schwäche gießt.

Lucifer:

Die Wesen, die mich fliehen, lieben mich.

Es liebten mich die Erdenkinder stets,

nur glauben sie, daß sie mich hassen sollen.

Doch suchen sie in meinen Taten mich.

In kalter Wahrheit Formen müssten sie

hinschmachten durch das lange Erdenwerden,

wenn ich in ihre Seelen ihnen nicht

die Schönheit senkte als des Daseins Zierde.

In Künstlerseelen flöße ich die Kräfte.

Was jemals Menschen als ein Schönes schauen,

in seinem Urbild ist’s in meinem Reich.

Nun frage dich, oh du mich fürchten sollst.

Maria:

In Lucifers Gebieten wäre Furcht

an ihrer rechten Stelle wahrlich nicht.

Er muß als Gaben Wünsche vor sich her,

und nicht die Furcht, in Menschenseelen senden.

Sie stammt fürwahr aus andrem Machtbereich.

Ahriman:

Ich war den Göttern ebenbürtig einst.

Sie mußten mir die alten Rechte kürzen.

Ich wollte meinem Bruder Lucifer

für seine Reiche so die Menschen bilden,

daß jeder seine Welt in sich nur trüge,

Da Lucifer als Gleicher unter Gleichen

im Geistesreiche nur sich geben wollte

und Vorbild nur für andre, niemals aber

ein Herrscher über Wesen konnte sein.

so wollte ich dem Menschen Stärke geben,

daß er dem Lucifer sich gleich bezeuge.

Und wär’ ich in dem Götterreich geblieben,

es wär’ dies auch im Urbeginn geschehn.

Doch wollten Götter Herrscher sein auf Erden;

so mußten sie aus ihrem Reiche einst

in Abgrundtiefen meine Kraft verbannen,

daß ich die Menschen nicht zu stark erkrafte.

und so vermag ich nur von diesem Orte

zur Erde hin die starke Kraft zu senden.

Sie wird auf diesem Wege aber ‒ Furcht.

(Bei Ahrimans letzten Worten erscheint Benedictus.)

Capesius:

Wer das gehört, was hier die beiden Mächte

von ihren Orten durch die Welten sprachen,

der weiß dadurch die Furcht und auch den Hass

in ihren eignen Reichen aufzusuchen.

Benedictus:

In Weltenworten sollst du dich erkennen,

erfühlen dich in Weltgedankenkraft.

Und da du ausser dir jetzt schauen konntest,

was du als deine Eigenheit dir träumtest,

so finde dich und schaudre künftig nicht

beim Worte, welches dir gerecht erklingt

und dir das eigne Sein bezeugen soll.

Capesius:

So darf ich künftig wieder mir gehören.

Ich werde mich jetzt suchen, weil ich mich

im Weltendenken schauend leben darf.

Benedictus:

Und binde dir, was du gewonnen jetzt,

an alt erworbenes auch, zum Weltbesitz.

(Im Hintergrunde an Benedictus’ Seite erscheint Frau Balde in ihrer gewöhnlichen Kleidung.)

Frau Balde (im sinnigen Märchenton):

Es war einmal ein helles Götterkind.

Das war den Wesen wahlverwandt, die Weisheit

im Geistesreiche sinnvoll weben dürfen.

Das Wesen wuchs, gepflegt vom Wahrheitvater,

in seiner Welt zur Urgewalt heran.

Und als es fühlte den gereiften Willen

in seinem Lichtesleib sich schaffend regen,

da blickt es oft voll Mitgefühl zur Erde,

wo Menschenseelen sich nach Wahrheit sehnten.

Es sagt’ das Wesen dann zum Wahrheitvater:

»Es dürsten Menschen nach dem Trank, den du

aus deinen Quellen ihnen reichen kannst.«

Mit ernster Würde sprach der Wahrheitvater:

»Die Quellen, welche ich behüten muß,

sie lassen Licht aus Geistessonnen strömen;

und trinken dürfen Licht nur solche Wesen,

die nicht nach Luft zum Atmen dürsten müssen.

Drum hab ich mir am Licht das Kind erzogen,

das Mitleid mit den Erdenseelen fühlen

und Licht in Atemwesen zeugen kann.

So wandle du zu Menschen hin und bringe

das Licht aus ihren Seelen meinem Licht

vertrauensvoll und geistbelebt entgegen.«

Da wandte sich das helle Lichteswesen

zu Seelen hin, die atmend sich erleben.

Es fand auf Erden viele gute Menschen,

die freudig ihm die Seelenwohnung gaben.

Es lenkte dieser Seelen Blick zum Vater

am Lichtesquell in treuer Liebe hin.

Und wenn das Wesen aus dem Menschenmund

und frohem Menschensinne Phantasie

als Zauberwort vernahm, dann wußt’ es sich

in guten Menschenherzen froh erlebt.

Doch eines Tages trat zu diesem Wesen

ein Mann, der ihm gar fremde Blicke warf.

»Ich lenk’ auf Erden Menschenseelen hin

zum Wahrheitvater an dem Lichtesquell.«

So sprach das Wesen zu dem fremden Manne.

Da sprach der Mann: »Du webst in Menschengeistern

nur wilde Träume und betrügst die Seelen.«

Und seit dem Tage, welcher dieses sah,

verleumden viele Menschen dieses Wesen,

das Licht in Atemseelen bringen kann.

(Es erscheinen in einer Lichtwolke: Philia, Astrid, Luna und die andre Philia.)

Philia:

Es findet die Seele,

die trinket das Licht,

in Weltengefilden

sich kräftig erwacht.

Astrid:

Es fühlet der Geist,

der furchtlos sich weiß,

im Welten-Erleben

sich kraftvoll erstehen.

Luna:

Es wolle der Mensch,

der Höhen erstrebt,

in Gründen des Seins

sich machtvoll erhalten.

Die andre Philia:

Es strebet der Mensch

zum Träger des Lichts,

der Welten erschliesst,

die fröhliche Sinne

im Menschen erquicken.

Begeistert Bewundern

entführet den Geist

in Göttergefilde,

die leuchtende Schönheit

in Seelen erweckt.

Errungenes tröstet

Gefühle, die wagen

an Schwellen zu treten,

die strenge behütet

vor fürchtenden Seelen.

Und Stärke, sie findet

das reifende Wollen,

das furchtlos sich trägt

zu Schöpfergewalten,

die Welten erhalten.

(Vorhang fällt, während noch Benedictus, Capesius, Maria, Frau Balde,

Lucifer, Ahriman und die vier Seelengestalten an ihren Orten sind.)

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