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Siebentes Bild

Eine Landschaft aus Phantasieformen. Majestätisch in ihrer Zusammensetzung aus wirbelnden Wassermassen, die sich zu Gestalten formen auf der einen Seite, aus lodernden Feuerwirbeln auf der andern Seite. In der Mitte ein Erdschlund, aus dem Feuer sprüht, das sich wie zu einem Tore auftürmt, welches sich vor einem aus Feuer und Wasser sich gestaltenden gebirgsartigen Gebilde befindet. Der Hüter, Thomasius, Maria, später Lucifer, dann die andre Philia.

Der Hüter:

Welch ungestümes Wünschen tönt hierher;

so stürmen Menschenseelen, die mir nahen,

bevor sie noch Gelassenheit sich voll errungen.

Es treibt jedoch Begierde solche Wesen,

und nicht die Kraft, die schaffend sprechen darf,

weil sie sich schweigend selber schaffen konnte.

Die Seelen, welche hier sich so bezeugen,

ich muß zur Erde sie zurück verweisen.

Sie können doch in Geistesreichen nur

Verwirrung stiften und die Taten stören,

die Weltenmächte weise vorbereiten.

Und auch dem eignen Wesen schaden sie.

sich selbst erzeugen sie Zerstörungstriebe,

die sie für Schöpferkräfte halten können,

weil sie den Wahn für Wahrheit nehmen müssen,

wenn Erdenfinsternis sie nicht mehr schützt.

(Es erscheinen Thomasius und Maria.)

Thomasius:

Du siehst vor deiner Schwelle nicht die Seele,

die aus Thomasius, dem Geistesschüler

des Benedictus, sich dir öfter nahte,

obgleich sie doch Thomasius’ Gestalt

auf Erden noch die ihre nennen muß.

Der kam zu dir mit Wissensdurst erfüllt.

Er konnte deine Nähe nicht ertragen.

Er hüllte sich in seine Eigenheit,

wenn er dich fühlte; und so sah er oft

in Welten, die ihm alles Daseins Ursprung

und alles Seins Bedeutung scheinbar zeigten.

Er fand in ihnen Wissensseligkeit

und fand auch Kräfte, die dem Künstler gaben,

was ihm Gemüt und Hand in Schöpfungs-Spuren

so lenkte, daß er wahrhaft glauben konnte,

in ihm erlebten Weltenkräfte sich

und hielten ihre Wirkung bildhaft fest.

Er wußte nicht, daß nichts vor ihm erstand

in allem, was er schaffend denken konnte,

als nur der eignen Seele Wesens-Inhalt.

Der Spinne gleich, die sich ins Netz verspinnt,

so formte er sich selbst, als Welt sich fühlend.

Er glaubte einst Maria geistig wirklich

sich gegenüberstehend; doch er schaute

das Bild, das sie in seine Seele erst

geprägt, und das als Geist sich offenbarte.

Und als er dann für wenig Augenblicke

das eigne Wesen wirklich sehen durfte,

da hätte er sich selbst entfliehen mögen;

er glaubte sich im Geist und fand sich nur

als Wesenheit im eignen Blute vor.

Er lernte kennen dieses Blutes Macht;

es war in Wahrheit, und nur Bild das andre.

Und echtes Schauen gab ihm nur sein Blut.

es ward ihm wahrer Lehrer; es zeigte,

wer Vater ihm und wer ihm teure Schwester

in lang vergangnen Erdenzeiten war.

Zu Blutsverwandten führte ihn sein Blut.

Da wußte er, wie stark die Menschenseele

sich täuschen muß, wenn sie vom Stoff zum Geiste

in Eitelkeit empor sich heben will.

Solch Streben kann die Seele wahrlich fester

dem Stoff verbinden als das Tagessein,

das menschlich dumpf den Daseinstraum erlebt.

Und als Thomasius als seine Lage

dies vor die Seele sich so stellen konnte:

da warf er jener Macht sich kräftig hin,

die ihn nicht trügen konnte, wenn sie auch

im Scheine nur sich zeigte; wußt’ er doch,

Daß Lucifer selbst dann noch wirklich ist,

wenn er sich nur im Bilde zeigen kann.

Die Götter wollen in der Wahrheit nur

dem Menschen nahn; doch Lucifer - der bleibt

er selbst, ob wahr, ob falsch der Mensch ihn schaut.

Deshalb erkenn’ ich auch, daß ich fürwahr

die Wirklichkeit erfühle, wenn ich glaube,

daß ich die Seele finden muß, die er

in seinem eignen Reiche mir verband.

Mit all der Kraft, die Lucifer verleiht,

gerüstet, will ich mich an dir vorbei

zu Theodora drängen, welche ich

im Lande jenseits dieser Schwelle weiß.

Der Hüter:

Thomasius, bedenke, was du weißt.

Was jenseits dieser Schwelle sich erlebt,

ist dir wohl unbekannt: vertraut jedoch

bist du mit allem, was ich fordern muß,

bevor du dieses Reich betreten kannst.

Du mußt dich trennen erst von vielen Kräften,

die du im Erdenleibe dir erworben.

Behalten kannst du doch von ihnen nur,

was sich in geistig reinem Streben dir

erschlossen und auch rein verblieben ist.

Doch dieses hast du selbst von dir geworfen

und Ahriman als Eigentum gegeben.

Was dir jetzt noch erhalten, das hat dir

für Geisteswelten Lucifer verdorben.

Ich muß es an der Schwelle dir benehmen,

wenn du gerecht sie überschreiten willst.

So bleibt dir nichts; ‒ ein wesenloses Wesen

das wirst du sein, wenn du dich geistig findest.

Thomasius:

Doch werd’ ich sein und Theodora finden.

Sie muß mir Quelle vollen Lichtes sein,

das ihrer Seele ohne Erdenwissen

so reichlich stets sich offenbaren kann.

Das ist genug. Und du wirst dich vergebens

mir widersetzen, auch dann, wenn die Kraft,

die ich auf Erden mir erworben habe,

der Meinung nicht entspricht, die sich in dir

vom guten Geiste einst gebildet hat.

Maria:

Bekannt ist dir, der dieses Reiches Schwelle

behüten muß seit Erdenurbeginn,

was, um es zu betreten, Wesen brauchen,

die deiner Art und deiner Zeit gehören;

und auch die Menschen, welche dir begegnen,

sie müssen, wenn sie nur sich selber bringen

und rechtes Geistesgut nicht zeigen können,

von hier zurück ins Erdenleben gehen.

Doch dieser hat die andre Seele dir

mit sich an deine Schwelle bringen dürfen,

die ihm das Schicksal eng verbunden hat.

Du bist bestellt von hohen Geistesmächten,

um viele Menschen hier zurückzuhalten,

die sich der Pforte dieses Reiches nahen,

und die Zerstörung nur sich selber brächten,

wenn sie die Schwelle überschreiten würden.

Doch du vermagst sie jenen doch zu öffnen,

die sich durch ihres Wesens Eigenart

im Geistesreiche solcher Liebe neigen

und sich mit ihr auch ganz durchdringen können,

die deine Götter ihnen vorbestimmt,

bevor noch Lucifer zum Kampfe schritt.

Vor seinem Throne stehend hat mein Herz

sich streng geloben dürfen, dieser Liebe

in künftgen Erdenzeiten so zu dienen,

daß ihr Erkenntnis, die von Lucifer

in Menschenseelen strömt, nicht schaden kann.

Und Menschen werden stets sich finden müssen,

die auf der Götter Liebeoffenbarung

mit starkem Sinne hören, wie sie einst

auf Lucifers Erkenntnisworte hörten.

Johannes hat im Erdenleibe jetzt

Gehör für meine Stimme nicht wie früher,

als ich in langvergangnen Erdenleben

ihm offenbaren durfte, was mir selbst

vertraut Hybernias Weihestätten hatten,

von jenem Gotte, der im Menschen wohnt,

und der einst über Todesmächte siegte,

weil er der Liebe Wesen leben konnte.

Der Freund, er wird im Geistesreiche wieder

das Wort aus meiner Seele hören können,

für welches Lucifer sein Erdgehör

ihm trüben konnte durch die Wahneskraft.

Thomasius (wie ein Wesen geistig schauend):

Maria, siehst du dort im langen Kleid

den würdevollen Greis, das Antlitz ernst,

die Stirne edel, leuchtend seine Blicke.

Er schreitet durch die Gassen, die von Menschen

gefüllt; doch alle weichen ehrerbietig

zur Seite, daß in Ruhe jener Greis

des Weges gehen könne und ihm nicht

des Denkens Lauf unsanft zerrissen werde.

Denn sehen kann man, wie er ganz in sich

gedankenkräftig Wesenhaftes sinnt.

Maria, siehst du ihn?

Maria:

                                                Ich sehe ihn,

Wenn ich mit deinem Seelenauge blicke.

nur dir allein will er in dieser Zeit

bedeutungsvoll im Bild sich offenbaren.

 

Thomasius:

Ich kann ihm jetzt in seine Seele sehn;

Bedeutungsvolles lebt in ihren Tiefen,

Erinnerung an kurz vorher Gehörtes.

Es steht ein weiser Lehrer ihm vor Augen.

Er lässt durch seine Seele Worte ziehn,

die er von ihm gehört; er kommt von ihm.

An alles Daseins Quellen rührt sein Denken;

wie einst die Menschen alter Erdenzeit

der Geistesschau noch nahestehen durften,

doch traumhaft nur das Seelenleben war;

Des Greises Seele folgt Gedankengängen,

die vom erhabnen Lehrer er vernommen.

Und jetzt verliert er sich dem Seelenauge;

O könnt’ ich doch noch weiter ihn erblicken!

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Ich sehe aus der Volkesmasse Männer

besprechend sich; ich höre ihre Worte.

Von jenem Greise sprechen sie mit Achtung.

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Er war in jungen Jahren tapfrer Krieger,

es brannte Ruhmbegierde und der Ehrgeiz

in seiner Seele; als der erste Kämpfer

In seinen Reihen gelten, seine Lust.

Er hat im Waffendienste Grausamkeiten

verrichtet ohne Zahl; er wollte glänzen.

Es gab in seinem Leben solche Zeiten,

in welchen er viel Blut vergossen hat.

Es kam dann auch die Zeit, in welcher schnell

das Glück des Krieges sich von ihm gewandt.

Er zog vom Kampfe schimpflich, schmachbeladen

in seine Heimat; Hohn und Spott erfuhr

der Mann, und wilder Hass erfüllte ihm

seit dieser Zeit die Seele, die an Stolz,

an Ehrbegierde nicht verloren hatte.

Er sah in seinen Volksgenossen jetzt

nur Feinde, welche er vernichten wollte,

sobald Gelegenheit sich ihm ergebe.

Doch weil des Mannes stolze Seele sich

gar bald gestehen mußte, daß ihm Rache

an seinen Feinden während seines Lebens

nicht möglich sei, bezwang er sich nun selbst.

Er kämpfte nieder Stolz und Ruhmbegierde.

Im Greisenalter noch entschloss er sich,

dem kleinen Schülerkreise beizutreten,

der damals sich in seiner Stadt gebildet.

Der Mann, der Lehrer dieses Kreises war,

besaß in seiner Seele alle Weisheit,

die von den Meistern alter Menschheitszeiten

den Eingeweihten überliefert ward.

Das höre ich von Männern aus dem Volke.

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Ich fühle warme Liebe, wenn ich so

das Seelenauge wende zu dem Greise,

der nach den Siegen, die ihm Ruhmbegierde

errungen, den grössten noch erkämpfen durfte,

der Menschen möglich, jenen über sich. ‒

Weshalb erblicke ich an diesem Orte

den Menschen, welchem ich mich ganz ergebe,

auch wenn er nur im Bilde vor mir steht?

Gefühle, wie sie sich aus mir erzwingen,

sie bildet nicht der Augenblick; verbunden

durch langvergangne Leben muß ich sein

der Seele, die ich lieben muß wie diese.

Ich habe nicht in diesem Augenblicke

in mir erregt, was so gewaltig ist,

wie solche Liebe, die ich jetzt erfühle.

Erinnerung an alte Zeiten ist’s;

Gedanken fassen sie noch nicht, doch ruft

Gedächtnis mir Gefühle jetzt herbei.

Ich war wohl dieses Mannes Schüler einst,

und blickte voll Bewundrung auf zu ihm.

O wie ersehne ich, der Erdenseele,

die vormals diesen Leib den ihren nannte,

in dieser Stunde wieder zu begegnen,

ob sie auf Erden, ob sie anderswo.

Ihr soll mein starkes Lieben sich bezeugen;

Sie kann nur gute Kräfte mir erneuern,

die würdig ernste Menschheitsbande schufen.

Maria:

Und bist du auch gewiß, Johannes,

daß diese Seele, wenn sie jetzt dir naht,

sich auf der gleichen lichten Höhe zeigt,

auf der sie stand in jener alten Zeit,

die eben sich vor deine Seele malte?

Vielleicht ist sie gefesselt von Gefühlen,

nicht würdig dessen, was sie einst gewesen.

Es wandelt wahrlich mancher Mensch auf Erden,

der nur mit Schamgefühl erblicken würde,

wie wenig er in seiner Gegenwart

entspricht dem Leben, das er einst geführt.

Vielleicht ist dieser Mann von Leidenschaft,

von Trieben aufgewühlt, und du erblicktest

ihn jetzt mit tiefer Trauer und Bestürzung.

Thomasius:

Maria, warum sprichst du diese Worte?

Ich kann nicht sehen, was dazu dich führt;

bewegen hier Gedanken anders sich

als an den Orten, die der Mensch gewohnt?

Der Hüter:

Johannes, was sich hier an diesem Orte

jetzt offenbart, ist Prüfung deiner Seele.

In deines Wesens Untergründen schaue,

was du nicht wissend willst und doch vermagst.

Was dir in deinen Tiefen sich verbarg,

so lange du mit blinder Seele lebtest:

(Lucifer erscheint)

Es wird vor dich nun treten und dir rauben

die Finsternis, in deren Schutz du warst.

Erkenne, wer die Menschenseele ist,

zu der du dich in heisser Liebe neigst,

und die den Leib bewohnte, den du schaust.

Erkenne, wem du stärkste Liebe geben kannst.

Lucifer:

Versenke dich in deines Wesens Gründe;

erkenne deiner Seele starke Kräfte.

Und lerne wissen, wie dich starke Liebe

im Weltenwerden aufrecht halten kann.

Thomasius:

Ja, jetzt erfühle ich das Seelenwesen,

das sich mir zeigen wollte ‒ ‒ Theodora ‒

sie selbst, sie wollte sich mir offenbaren.

Sie stand vor mir, weil ich sie sehen werde,

wenn diese Pforte sich mir öffnen wird.

Ich darf sie lieben, ihre Seele stand

vor mir in jener andren Leibesform,

die mir gezeigt, daß ich sie lieben muß.

In dir nur will ich jetzt mich wieder finden

in deiner Kraft die Zukunft mir erkämpfen.

Der Hüter:

Ich kann dir nicht verwehren, was du mußt.

Im Bilde sahst du schon das Seelenwesen,

das du am meisten liebst; du sollst es schauen,

wenn du die Schwelle überschritten hast.

Erkenn’ es und erlebe, ob es dir

so heilsam bleiben darf, wie du erträumst.

Die andre Philia:

O höre nicht den strengen Hüter,

er führet dich in Lebensöden

und raubet dir die Seelenwärme;

er kann nur Geisteswesen schauen,

und kennt nicht Menschenleiden,

die Seelen nur ertragen,

wenn Erdenliebe sie bewahrt

vor kalten Weltenweiten.

Die Strenge eignet ihm,

die Milde fliehet ihn,

und Wunscheskräfte,

die hasset er

seit Erdenurbeginn.  

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