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Fünftes Bild

 

(Eine Landschaft, in welcher sich das einsame Haus Baldes befindet. Abendstimmung. Frau Balde, Capesius, dann Felix Balde; später Johannes und dessen Doppelgänger, hernach Lucifer und Ahriman.)

 

Capesius (ankommend, und sich einer Bank nähernd vor Balde’s Haus, auf welcher Frau Balde sitzt):

Erlaubt Ihr wohl, daß Euer alter Freund

 Ein wenig weilen darf bei Euch?

Er braucht jetzt mehr als je vorher,

was er so oft in eurem Hause fand.

Frau Balde:

Schon als ich Euch von ferne kommen sah,

erzählten eure müden Schritte mir,

 und da Ihr näher tratet, Euer Auge auch,

daß Leid in eurer Seele heute wohnt.

Capesius (der sich gesetzt hat):

Viel Heiterkeit in Euer Heim zu bringen,

es war auch sonst mir nicht gegeben;

doch heute bitt’ ich um besondre Nachsicht,

 wenn ich mit meinem friedelosen Herzen

das Heim des Friedens überfalle.

Frau Balde:

Ihr waret damals schon so gerne hier gesehen,

als kaum ein andrer Mensch

in dieses Hauses Nähe kam. –

 Trotz manchem, was sich zwischen uns gestellt,

seid Ihr uns Freund geblieben,

auch jetzt, da unsre weltenferne Stätte

gar mancher gerne sucht.  

Capesius:

So ist denn wahr, was ich gehört,

 daß Euer lieber Felix,

der vordem so verschlossen war,

in diesen Tagen ist geworden

ein vielgesuchter Mann?

Frau Balde:

Ach ja, der gute Felix

 verschloß uns einst vor aller Welt – –,

Und jetzt muß er so vielen Leuten Rede stehn.

Als seine Pflicht erscheint dies neue Leben ihm.

In frühern Tagen wollte er

dem eignen Innern nur vertraun,

 was Wald und Fels ihm offenbarten

von Geistestaten und Naturgewalten.

Auch schien es früher keinem Menschen wissenswert.

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Wie hat die Zeit sich doch verändert!

Es hören jetzt recht viele Menschen

 Gar gierig auf die Wissenschaft,

die Felix ihnen offenbaren kann,

und die sie vorher doch nur töricht fanden.

Und wenn mein lieber guter Mann

(Felix Balde kommt aus dem Haus)

oft stundenlang erzählen muß,

 dann sehn’ ich mich nach alten Zeiten,

in denen Felix mir so ernst bedeutet hat,

wie nur im stillen Herzen tragen soll

die Seele ihre Geistesgaben,

die ihr aus Götterreichen

 in Gnade sind verliehn –,

und daß Verräter wird am hohen Geistesworte,

wer solchem Ohr es offenbart,

das nur der Sinnenwelt erschlossen ist.

Felix Balde:

Felicia kann nur recht schwer sich finden

 in unser ganz verändert Leben.  

Sie hat die alte Einsamkeit beklagt;

und klagt nicht minder jetzt,

da wir so manchen Tag nur wenig Stunden

noch für uns selber haben.

Capesius:

 Und was hat Euch bewogen,

das früher so verschlossne Haus

den Menschen gastlich zu eröffnen?

Felix Balde:

Gehorsam folgte ich der Geistesführung,

die mir im Herzen spricht,

 als sie zu schweigen mir gebot.

Und jetzt, da sie mich reden heißt,

will ich ihr gleich ergeben sein.

Der Menschheit Wesen ändert sich

im Werdegang des Erdenseins.

 An einem Zeitenwendepunkte stehen wir.

Es muß ein Teil der Geisterkenntnis

erschlossen werden allen Menschen,

die ihr Gemüt ihr öffnen wollen. –

Ich weiß, wie wenig meine Art entspricht

 den Formen, die man heute gelten läßt. ‒ ‒

Um auszusprechen, was im Geiste lebt,

verordnet man die strengste Logik und Gedankenfügung.

Sie werden meinen Reden abgesprochen.

Man sagt, daß wahrer Wissenschaft,

 die nur auf festen Stützen ruhen soll,

mein Wesen bloß als Beispiel dienen kann,

wie Menschen-Seelen träumen,

wenn sie, der Wissenschaft und Bildung fremd,

auf eignen Wegen Weisheit suchen.

 doch sei es wertvoll, meinen manche,

wie durch die Wirrnis meiner Worte

zuweilen etwas zu entdecken ist,

daß mit Vernunft sich fassen läßt.

Ich bin ein Mann, dem ohne Kunst

 ins Herz muß strömen,  

was sich ihm offenbaren mag.

Ich kenne nicht ein Wissen ohne Worte. –

Wenn ich in Herzenstiefen Einkehr halte,

und auch, wenn ich Natur belausche,

 so lebt in mir das Wissen,

das Worte nicht erst suchen muß – ‒ ‒;

Die Sprache ist ihm so verbunden,

wie seine Leibesform dem Erdenmenschen. –

Ein Wissen, das in dieser Art

 Aus Geisteswelten sich uns offenbart,

ist nützlich auch den Menschen, die es nicht verstehn.

Es soll deshalb ein jeder zu mir kommen dürfen,

der hören will, was ich zu sagen habe.

Ich weiß recht gut, wie nur die Neugierd’

 Und andre wenig gute Gründe viele leiten.

Auch wenn die Seelen solcher Menschen

in dieser Erdenzeit noch nicht ergriffen werden:

es wird das Gute in sie eingepflanzt,

und wird in ihnen weiter wirken.

Capesius:

 Ich möchte offen mit Euch sprechen. – ‒ ‒

Seit vielem Jahren muß ich Euch bewundern.

Doch war auch mir der Sinn bisher verschlossen,

der Euren sonderbaren Worten eigen ist.

Felix Balde:

Er wird sich Euch gewiß erschließen.

 Ihr strebt mit gutem Geist und edlem Herzen;

da müssen auch die Zeiten kommen,

wo Ihr der Wahrheit Stimme hört.

Ihr achtet nicht, wie inhaltreich

Der Mensch als Bild der Weltenreiche ist.

 Sein Haupt, es ist des Himmels Spiegelbild;

durch seine Glieder wirken Sphärengeister;

in seiner Brust bewegen Erdenwesen sich;

und allen stehn entgegen, machtvoll ringend,

Dämonen aus dem Mondbereich,

 die jener Wesen Ziele kreuzen müssen.  

Was als ein Menschenwesen vor uns steht,

was als die Seele wir erleben,

was als der Geist uns leuchtet:

es schwebte vielen Göttern vor seit Ewigkeiten,

und ihre Absicht war,

aus ihren Welten Kräfte zu verbinden,

die im Verein den Menschen bilden.

 

Capesius:

Fast ängstlich werde ich bei diesem Wort,

das kühn als alle Götterleistung

 des Menschen Wesenheit betrachten will.

Felix Balde:

Darum ist höchste Demut jedem nötig,

der Geisteswissenschaft erlangen will.

Und wer in Hochmut und in Eitelkeit

sich selbst erkennen will,

 dem öffnen sich die Wissenspforten nicht.

Capesius:

Wie schon so oft, wird mir auch dieses Mal

Die liebe Frau Felicia wohl helfen,

daß meine Seele sich zum Bilde wende

und, an dem Bild erwarmend, eure Worte

 in rechter Art zu fassen fähig wird.

Frau Balde:

Es hat der liebe Felix

mir öfter schon die Worte wiederholt,

die er soeben sprach.

Sie lösten aus dem Herzen mir

 ein Bild, von dem ich mir schon immer sagte,

ich müßt’ es Euch erzählen.

Capesius:

O tut es, liebe Frau – ‒,

mich dürstet nach Erquickung

aus eurem Bilderschatze.

Frau Balde:

 Es sei – ‒ ‒ ‒ ‒.

Es war einmal ein Knabe,  

der wuchs als armer Förstersleute einzig Kind

in Waldeseinsamkeit heran. –

Er lernte außer seinen Eltern

 nur wenige Menschen kennen.

Er war von schwachem Gliederbau;

durchscheinend fast war seine Haut.

Man konnte lang ins Aug’ ihm schaun;

es barg die tiefsten Geisteswunder.

 Und wenn auch wenig Menschen nur

Des Knaben Lebenskreis betraten,

Es fehlte ihm an Freunden nicht.

Wenn in den nahen Bergen

Erglühte golden Sonnenhelle,

 Dann sog des Knaben sinnend Auge

Das Geistesgold in seine Seele ein;

Und seines Herzens Wesen,

Es ward so morgensonnengleich. ‒

Doch wenn durch finstre Wolken

 der Morgensonne Strahl nicht drang,

und düstre Stimmung alle Berge überzog,

da ward des Knaben Auge trüb,

und wehmutvoll sein Herz – –.

So war er hingegeben ganz

 dem Geistesweben seiner engen Welt,

die er nicht fremder fühlte seinem Wesen,

als seines Leibes Glieder.

Es waren ihm ja Freunde auch

Des Waldes Bäume und die Blumen;

 es sprachen Geisteswesen aus den Kronen,

den Kelchen und den Wipfeln –,

verstehen konnte er ihr Raunen – –.

Geheimer Welten Wunderdinge

erschlossen sich dem Knaben,

 wenn seine Seele sich besprach

mit dem, was leblos nur

den meisten Menschen gilt.

Und sorgend oft vermißten abendlich  

die Eltern den geliebten Sprossen. –

 An einem nahen Orte war er dann,

wo aus den Felsen eine Quelle drang,

und tausendfach zerstäubend

die Wassertropfen über Steine sprengte.

Wenn Mondeslichtes Silberglanz

 in Farbenfunkelspielen zauberhaft

sich spiegelt’ in des Wassers Tropfenstrom,

da konnt’ der Knabe stundenlang

am Felsenquell verharren.

Und Formen, geisterhaft gebildet,

 entstanden vor dem Knabenseherblick

im Wassertreiben und im Mondenlichtgeflimmer.

Zu dreien Frauenbildern wurden sie,

die ihm von jenen Dingen sprachen,

nach denen seiner Seele Trieb gerichtet. –

 Und als in einer milden Sommernacht

Der Knabe wieder an der Quelle saß,

ergriff der Frauen eine viele tausend Stäubchen

des bunten Wassertropfenwesens,

und reichte sie der zweiten Frau.

 Die formte aus den Tropfenstäubchen

Ein silberglänzend Kelchgefäß,

und reichte es der dritten Frau.

Die füllte es mit Mondessilberlicht,

und gab es so dem Knaben.

 Der hatte alles dies geschaut

mit seinem Knabenseherblick.

Ihm träumte in der Nacht,

die dem Erlebnis folgte,

wie er beraubt des Kelches

 durch einen wilden Drachen ward.

Nach dieser Nacht erlebte jener Knabe

nur dreimal noch das Quellenwunder.

Dann blieben ihm die Frauen fort,

auch wenn der Knabe sinnend saß

 am Felsenquell im Mondensilberlicht.  

Und als dreihundertsechzig Wochen

zum drittenmal verstrichen waren,

war längst der Knabe Mann geworden,

und von dem Elternhause und dem Waldesgrund

 in eine fremde Stadt gezogen.

Da sann er eines Abends,

von harter Arbeit müde,

was ihm das Leben wohl noch bringen möge.

Es fühlte sich der Knabe plötzlich

 nach seinem Felsenquell entrückt;

und wieder konnte er die Wasserfrauen schauen,

und dieses Mal sie sprechen hören.

Es sagte ihm die erste:

Gedenke meiner jeder Zeit,

 wenn einsam du dich fühlst im Leben.

Ich lock’ des Menschen Seelenblick

in Ätherfernen und in Sternenweiten.

Und wer mich fühlen will,

dem reiche ich den Lebenshoffnungstrank

 aus meinem Wunderbecher. –

Und auch die zweite sprach:

Vergiß mich nicht in Augenblicken,

die deinem Lebensmute drohen.

Ich lenk’ des Menschen Herzenstriebe

 in Seelengründe und auf Geisteshöhn.

Und wer die Kräfte sucht bei mir,

dem schmiede ich die Lebensglaubensstärke

mit meinem Wunderhammer. –

Die dritte ließ sich so vernehmen:

 Zu mir erheb’ dein Geistesauge,

wenn Lebensrätsel dich bestürmen.

Ich spinne die Gedankenfäden

in Lebenslabyrinthen und in Seelentiefen.

Und wer zu mir Vertrauen hegt,

 dem wirke ich die Lebensliebestrahlen

aus meinem Wunderwebestuhl. – – –

Es träumt’ in jener Nacht,  

die dem Erlebnis folgte,

dem Manne, daß ein wilder Drache

 in Kreisen um ihn her sich schlich –

und nicht ihm nahen konnte:

Es schützten ihn vor jenem Drachen

die Wesen, die er einst am Felsenquell geschaut,

und die aus seiner Heimat

 mit ihn zum fremden Ort gezogen waren.

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Capesius:

Habt Dank, Ihr liebe Frau,

ich gehe reichbeschenkt von Euch.

(Steht auf und geht; Frau Balde geht ins Haus.)

(Capesius allein in einiger Entfernung das folgende sprechend):

Capesius:

Ich fühle, wie gesundend solch ein Bild

In meiner Seele wirkt, und allem Denken

 Verlorne Kräfte wiedergeben kann.

Es war so einfach, was die Frau erzählte;

und doch erregt es mir Gedankenkräfte,

die mich in unbekannte Welten tragen. – –

Ich will in dieser schönen Einsamkeit

 dem Träumen mich ergeben, das so oft

Gedanken meiner Seele schenken wollte,

die wohl weit besser sich erwiesen haben

als manche Früchte wochenlangen Grübelns.

(Er verschwindet hinter einem dichten Gesträuch.)

Johannes (erscheint in tiefes Nachdenken verloren in derselben Waldgegend):

War’s Traum, war’s Wirklichkeit – – –?

 Ich kann es nicht ertragen, was die Freundin

in milder Ruhe, doch so ernst

von unsrer Trennung sprach.

O könnte ich nur denken, daß Vernunft,

dem Geistestriebe widersetzlich,

 sich zwischen sie und mich  

als Trugbild stellen wollte. –

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Ich kann nicht – ich will sie nicht befolgen,

die Mahnung, die Maria fand,

zu übertönen meiner Seele Stimme,

 die unaufhörlich spricht »Ich liebe sie«. –

und meine Liebe ist mir Quelle

des Wirkens, das allein ich kennen will.

Was ist mir aller Schaffens-Trieb,

was Ausblick zu den hohen Geisteszielen,

 wenn sie das Licht mir rauben wollen,

das mir das Sein beleuchten kann? –

In diesem Lichte muß ich leben dürfen;

und wird es mir genommen,

so will ich nur den Tod für Ewigkeiten.

 Ich fühle, wie die Kraft mir schwindet,

wenn ich versuchen will zu denken:

Ich müßt’ auf Wegen wandeln,

die nicht von ihrem Licht beleuchtet wird.

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Es webt sich mir vor Augen

 ein Nebel, der die Wunder,

die herrlich diese Wälder, diese Felsen

mir sonst vor Augen malten,

in Wirrnis mir verwandelt – ‒ ‒

Ein wilder Traum entsteigt dem Abgrund – ‒ ‒ ‒

 O wie er schaurig mich durchrüttelt – ‒ ‒

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

O weiche von mir – ‒ !

Ich lechze nach der Einsamkeit,

die mir die eignen Träume lassen will;

in ihnen darf ich noch erstreben,

 was mir verloren scheint – ‒

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

– – Er will nicht weichen – – !

So will ich ihm entfliehen –

(fühlt sich wie am Boden festgehalten).  

O welche Fesseln halten mich

An diesen Ort geschmiedet.

(Der Doppelgänger des Johannes Thomasius erscheint.)

 Ach – – – – – –,

 wer du auch bist,

ob menschlich Blut in deiner Form sich birgt,

ob geistig nur dein Sein –

verlasse mich – – –

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Wer ist es – – – ?

 Ein Dämon stellt mich vor mich selber hin. – – –

Er will nicht weichen – – – –;

es ist das Bild des eignen Wesens –,

es scheint selbst stärker noch,

 als dieses Wesen selbst zu sein – – – – –

Der Doppelgänger spricht:

 Ich liebe dich, Maria . . . .

mit pochendem Herzen,

mit fieberndem Blute

nur kann ich vor dir stehn. –

 Und wenn dein Blick mich trifft,

 durchrieseln heiße Schauer mich;

und wenn du deine liebe Hand

in meine Hand willst legen,

erfüllt mich Seligkeit,

 in allen Gliedern – – – – – –

Johannes:

 Du Spukgestalt, aus Nebeldunst gewoben,

du wagst es, hier zu lästern

des Herzens reinstes Fühlen – – – :

O welche Schuld hab’ ich auf mich geladen,

 daß ich erblicken muß

 ein lüstern Zerrbild meiner Liebe,

die mir so heilig ist – – – –

Der Doppelgänger spricht:

Ich habe deinen Worten oft gelauscht –;

ich schien in meine Seele sie zu saugen  

 als Kunde aus dem Geisterland. –

 Doch mehr als alle Offenbarung

empfand ich liebend deine Nähe.

Und wenn du sprachst von Seelenwegen,

erfüllte mich die Seligkeit,

 die stürmisch wogt im Blute – ‒ ‒

Die Stimme des Gewissens spricht:

 So spricht verschwiegene,

doch nicht vertriebene,

vom Schein gemiedene,

im Blut gebliebene

 geheime Kraft

 der Leidenschaft.

Der Doppelgänger spricht (mit etwas andrer Stimme):

Ich darf dich nicht verlassen;

Du wirst mich oft an deiner Seite finden;

ich weiche nicht von dir,

 bis du die Kraft gefunden,

 dich mich zum Gleichnis macht

des Wesens, das du werden sollst.

Noch bist du’s nicht in dieser Zeit.

Nur in dem Wahne deiner Eigenheit

 erblickst du es in dir.

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

(Es erscheinen Lucifer und Ahriman.)

Lucifer:

 O Mensch, besiege dich,

O Mensch, erlöse mich.

Du hast mich überwunden

in deinen Seelenhöhen;

 Ich bleibe dir verbunden

 in deinen Wesenstiefen.

Du wirst mich immer finden

auf deinen Lebenswegen,

willst du dich unterwinden,

 dich ganz vor mir zu schützen.

 O Mensch, besiege dich,

O Mensch, erlöse mich.  

Ahriman:

O Mensch, erkühne dich,

O Mensch, erlebe mich.

 Du konntest dir erwerben

 das Geistersehen;

Ich mußte dir verderben

das Herzensleben;

Du sollst noch oft erleiden

 die stärkste Seelenpein,

 willst du dich nicht bescheiden

an meine Kräfte halten.

O Mensch, erkühne dich,

O Mensch, erlebe mich.

(Lucifer und Ahriman verschwinden; desgleichen der Doppelgänger. ‒

Johannes geht in tiefem Sinnen in das Dunkel des Waldes.)

(Capesius erscheint wieder. Er hat hinter dem Gesträuch die Scene zwischen

Johannes und dem Doppergänger wie in einer Vision mitgemacht.)

Capesius:

 Wie war mir eben? Wie ein schwerer Alp

 belastet’s mich. Thomasius kam des Weges;

Er schien in tiefes Sinnen mir versunken.

er blieb dann stehen, wie mit jemand sprechend,

und doch war niemand außer ihm am Orte.

 Ich fühlte, wie wenn schwere Angst mich drückte;

 ich sah nicht mehr, was dann um mich geschah.

Wie schlafend, unbewußt muß ich doch wohl

in jene Bilderwelt versunken sein,

auf die ich mich ganz gut besinnen kann.

 Es muß nur kurze Zeit gewesen sein,

 daß ich so träumend selbstverloren saß.

Und doch, wie reich war jene Traumeswelt,

und wie befremdend scheint sie mit zu sein.

Ich konnte Menschen aus vergangnen Tagen

 ganz deutlich sehen und auch sprechen hören.

 Von einem Geistesbunde träumte ich,

der nach der Menschheit Höhen zielvoll strebte.    

Mich selbst erkannt’ ich klar in ihrer Mitte.

Und fühlen mußt’ ich mich vertraut mit allem.

 Ein Traum nur –, doch erschütternd war der Traum.

Ich weiß, daß ich gewiß in diesem Leben

dergleichen niemals kann erfahren haben.

Und was mir als Empfindung ist geblieben,

erfüllt die Seele wie das volle Leben.

 Mich zieht es urgewaltig nach den Bildern – – ;

O könnte ich den Traum doch wieder schauen.

(Vorhang, während Capesius stehen bleibt.)

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