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Siebentes Bild

 

(Ein Zimmer jener Burg, die im vorigen Bild von außen zu sehen war. Alles geschmückt mit Symbolen einer mystischen Brüderschaft. Die geistigen Ritter während einer Versammlung, dann der Mönch mit einem der Ritter, später die Erscheinung des Geistes Benedictus’, der etwa fünfzig Jahre vorher verstorben. Lucifer und Ahriman. Der Großmeister mit vier Brüdern an einem langen Versammlungstisch.)

 

Großmeister:

Die ihr Gefährten mir geworden

im Suchen nach der Menschheit Zukunftzielen,

 die aus dem Geistgebiet zu tragen

ins Reich des Erdenwirkens

als Bundessatzung uns gegeben:

ihr sollt’ mir treu zur Seit’ auch stehn

in dieser Zeit der schweren Sorgen.

 Seit unser teures Haupt gefallen

als Opfer jener dunklen Mächte,

die aus dem Bösen ihre Kräfte holen,

um durch des Widerstandes Kraft

in ihrer Art der Weisheit Plan zu dienen,

 die Gutes auch aus Bösem wirkt –

seit dieser Zeit ist hoffnungslos all unser Erdenstreben.

Schon haben uns die Feinde überwältigt

gar manche unsrer Bundesburgen, –

und viele unsrer teuren Brüder

 sind kämpfend ihm gefolgt, dem großen Meister,

ins lichte Reich der Ewigkeiten.

Auch uns muß bald die Stunde schlagen,

in der auch diese Mauern fallen,  

die schützend uns umgeben.

 Schon spähen unsre Feinde allerorten,

wie sie der Güter uns berauben können,

die wir zum eignen Nutzen nicht erworben,

die nur als Mittel wir gebrauchten,

um uns zu scharen solche Menschen,

 in deren Seele wir

die Keime für die Zukunft pflanzen können.

Sie sollen reifen dann, wenn jene Menschen

die Rückkehr finden aus dem Geisterland

zu einem spätern Erdenleben.

1. Ceremonienmeister:

 Daß unser Bund sich beugen muß

dem dunklen Sinn des Schicksalsplanes:

begreiflich muß es scheinen.

Doch daß im Fallen die Gemeinschaft mit sich reißt

So vieler Brüder Einzelleben:

 Ein Unrecht scheint es vor dem Weltgesetz.

Nicht klagen soll mein Mund;

denn willig starben unsre Brüder. –

Doch sucht Verständnis meine Seele

des Opfers, das vom Menschen wird gefordert,

 der an ein Ganzes sich gebunden hat,

wenn Schicksalsmächte diesem Ganzen

den Untergang bereiten müssen.

Großmeister:

Es ist des Menschen Sonderleben

gar weise mit dem Weltenplan verknüpft.

 In unsrer Brüder Reihen

ist mancher wohl, der fähig sich erweist,

mit seinen Geisteskräften unserm Bund zu dienen,

und der doch Flecken hat in seinem Dasein.

Es müssen seines Herzens irre Wege

 die Sühne finden duch die Leiden,

die er im Dienst des Ganzen tragen muß.

 

Und wer nicht schuldig durch die eignen Taten

die Dornenwege wandern muß,

die aus dem Bundeskarma stammen,

 dem wird der Schmerz die Kraft verleihn,

zum höhern Leben aufzusteigen.

1. Ceremonienmeister:

So darf der Bund auch Menschen

in seiner Mitte dulden,

die nicht mit reinster Seele nur

 sich weihen können seinen hohen Zielen?

Großmeister:

Es wägt allein das Gute in den Seelen,

wer hohem Werke sich gewidmet,

und läßt das Schlimme seine Sühne finden

im Lauf der Weltgerechtigkeit.

 Ich habe euch, ihr Brüder, jetzt zu mir gerufen,

Um euch in unsern Trauertagen

Mit ernstem Worte zu erinnern:

Daß freudig uns geziemt zu sterben –

für unsre Ziele, denen lebend uns zu weihn

 wir treu gelobet haben.

Ihr seid im rechten Sinne meine Brüder,

wenn mutig wiederklingt in euren Seelen

des Bruderbundes Weihespruch:

»Es muß sein Sondersein und Leben opfern,

 wer Geistesziele schauen will

durch Sinnesoffenbarung;

wer sich erkühnen will

in seinen Eigenwillen

den Geisteswillen zu ergießen.«

1. Praeceptor:

 Erhabner Meister, wenn du prüfen wolltest

die Herzen aller unsrer Brüder:

erklingen müßte dir der hellste Widerhall

der Worte unsres Weihespruches.

Doch möchten wir aus deinem Munde hören,

 wie wir zu deuten haben,

daß unsre Feinde mit unsern Gütern, unserm Leben,

uns rauben auch die Seelen,  

die wir in Liebe pflegten.

Schon zeigt es sich mit jedem Tage klarer,

 wie unsre Leute nicht allein

den Siegern sich durch Zwang ergeben;

wie sie auch hassen lernen

den Geistesweg, den wir gewiesen.

Großmeister:

Was wir gepflanzt in Seelen haben,

 es mag für diese Zeiten sterben;

doch werden wiederkehren solche Menschen,

die unsres Geistes Licht geatmet,

und unsre Werke dann der Welt verleihn.

So spricht zu meinem Geiste oft

 der große Führer aus dem Totenreich,

wenn ich in meinen stillen Stunden

In meine Seelengründe tauche,

und Kräfte mir erwachen,

zu weilen in dem Geisterlande.

Ich fühle dann des Meisters Gegenwart

und höre seine Worte,

wie ich im Sinnesleben

sie oftmals hören durfte.

Er spricht von unsres Werkes Ende nicht;

 nur von Erfüllung unsrer Ziele

in spätren Erdentagen.

(Es gehen der Großmeister und zwei Brüder ab, während zwei zurückbleiben.)

1. Praeceptor:

Er spricht von Geisteswelten in der gleichen Art,

wie andre Menschen über Dörfer oder Städte – ‒ ‒.

Bedrückend find’ ich diese Art,

 wie unsre höchstgeweihten Brüder

von andern Daseinsreichen sprechen.

Und doch bin ich ganz streng verbunden

mit allen unsern Erdenzielen.

2. Ceremonienmeister:

Ich halte mich an unsrer Meister Worte:

 Wer nicht mit vollem Glauben  

die Kunde kann vernehmen

von Geist und Geisteswelten, –

ihm fehlt es nicht an Fähigkeit,

zu fassen solche Offenbarung.

 Es fehlt ganz andres ihm.

Daß er nicht wert sich fühlen darf

der höhern Welten Glied zu sein,

er ahnt es wohl, doch möcht’ er sich’s verbergen.

Die Seele muß geheime Flecken haben

 und sich darüber täuschen wollen,

wenn sie sich nicht dem Geisteswissen beugen will.

(Die beiden gehen ab.)

(Der Mönch erscheint in demselben Zimmer; zu ihm tritt der zweite Praeceptor.)

2. Praeceptor:

Was führt Euch her in dieses Haus,

das auch als Feindesstätte gilt?

Mönch:

Ich muß zu meinen Freunden zählen,

 was Menschenantlitz trägt.

So will es unsre strenge Regel.

Doch feindlich könnt’ Euch wohl erscheinen,

was pflichtgetreu zu fordern mir obliegt.

In meiner Obern Auftrag bin ich hier.

 Sie wollen auf dem Friedenswege

der Kirche Gut zurückerstattet haben,

das ihr durch alter Briefe Inhalt zugehört.

Das Grundstück, das  zum Bergwerk umgestaltet,

ist unsrer Kirche rechtlich Eigentum.

 Es kann die Art als Recht nicht gelten,

wie Ihr das Gut erworben habt.

2. Praeceptor:

Ob wir durch Recht es unser nennen oder nicht,

darüber können Richter lange streiten.

Doch sicher ist es unser Eigentum

 Im Sinne eines höhern Rechtes.

Das Grundstück war ein ungenützter Boden  

als unser Bund es angekauft.

Es war Euch gänzlich unbekannt,

daß dieses Bodens Tiefen reiche Schätze bergen.

 Wir haben sie dem Menschenfleiß erobert.

Es wandern heute diese Schätze

in fernste Länder, Menschenwohl zu fördern.

Und viele wackre Leute schaffen

in jenes Bodens Schachten,

 die Ihr als Wüstenei besessen habt.

Mönch:

So haltet Ihr es nicht für Recht,

in eurem Bunde durchzusetzen,

daß er im Frieden sich mit uns verständigt,

wie wir zu unserm Rechte kommen sollen?

2. Praeceptor:

 Da wir uns keiner Schuld bewußt,

vielmehr des vollen Rechtes sicher sind,

so können wir in Ruhe warten,

ob auch in dieser Sache Euch belieben wird,

das Unrecht doch auf eure Seite hinzuwenden.

Mönch:

 Ihr habt es eurem starren Willen zuzuschreiben,

wenn wir zu andern Mitteln so gezwungen sind.

2. Praeceptor:

Die Ehre unsres Bundes heischt,

daß er nur kämpfend

sich seines Rechts berauben läßt.

Mönch:

 So ist mein Auftrag denn erfüllt,

ich kann nun Euch und mir die weitern Worte sparen.

Ist’s möglich wohl, zu sprechen

das Haupt, das hier gebietet?

2. Praeceptor:

Der Meister wird Euch wohl zu Diensten stehn;

 Doch bitt’ ich Euch, verweilet kurze Zeit,

er wird sogleich nicht kommen können.

(Er geht ab.)  

Mönch:

O, daß mein Amt mich zwingt,

die Räume des verhaßten Bundes zu betreten.

Es trifft mein Blick nach allen Seiten

 auf Teufelszeichen und auf Sündenbilder.

Ein Grauen will mich fast ergreifen ...

Es knistert – oh, es poltert durch den Raum;

Ich fühle wie von bösen Mächten mich umgeben.

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Da ich bewußt mir keiner Sünde bin,

 will ich den Widersachern trotzen –

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Es wird ganz furchtbar …

Oh – ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

(Es erscheint der Geist des Benedictus.)

Ihr guten Geister, steht mir bei!

Benedictus:

Besinne dich, mein Sohn!

 Ich durfte oft mich zu dir wenden,

wenn deines Betens Inbrunst

dich in die Geisteswelt entrückte.

So höre mutvoll auch in dieser Stunde,

was du erkennen mußt,

 wenn Geisteshelle statt der Finsternis

in deiner Seele walten soll.

Mönch:

Wenn ich um Klarheit flehte

in solch’ bedeutungsvollen Dingen,

und mein ergebnes Beten

 Erhörung fand im Geistesland,

erschienst du mir, mein großer Meister,

der unsres Ordens Zierde war,

als er im Erdenleibe lebte.

Du sprachst zu mir aus höhern Reichen,

 erleuchtend mir den Sinn,

und stärkend mir die Kraft.

Es schaute dich mein Seelenblick,  

es hörte dich mein Geistgehör.

Ergeben will ich auch in dieser Stunde

 der Offenbarung lauschen,

die du in meine Seele fließen läßt.

Benedictus:

Du bist im Hause eines Bruderbundes,

den deine Seele böser Ketzerei beschuldigt.

Er scheint zu hassen, was wir lieben;

 und zu verehren, was uns Sünde dünkt.

Es halten unsre Brüder sich verpflichtet,

den Untergang der Geistessünde zu befördern.

Sie können sich dabei auf jene Worte stützen,

die ich im Erdensein gesprochen.

 Sie ahnen nicht, daß diese Worte

sich lebend nur erzeugen können,

wenn sie im rechten Sinne fortgebildet werden

von jenen, welche meiner Arbeit Folger sind.

So lasse du in deiner Seele

 im Sinne einer neuen Zeit erstehen,

was ich auf Erden habe denken dürfen.

Den Orden, welcher aus der Mystik Reich

sich seine Ziele weisen läßt,

erblicke ihn in jenem Lichte,

 in dem ich selbst ihn heute sehen würde,

wenn mir beschieden wäre,

im Erdenleibe wirksam unter euch zu wandeln.

Der Bund ist hohen Zielen zugewandt.

Die Menschen, die sich ihm gewidmet,

 empfinden ahnend spätre Erdenzeiten;

und ihre Führer schauen schon im Vorgesicht

die Früchte, die in Zukunft reifen sollen.

Es werden Wissenschaft und Lebensführung

die Formen und die Ziele wandeln.

 Und was der Bund, den du verfolgen hilfst,

in dieser Zeit zu leisten sich getrieben fühlt,

sind Taten, welche dieser Wandlung dienen.

Nur wenn zum Friedenswerk sich einen will  

das Ziel, dem unsre Brüder dienen,

 mit jenem, dem die Ketzer folgen,

kann Heil dem Erdenwerden blühn.

Mönch:

Die Mahnung, der ich würdig bin befunden,

wie kann ich ihr nur folgen – ‒ ‒?

Sie weicht gewaltig ab von allem,

 was mir bisher als richtig wollte scheinen.

(Es erscheinen Ahriman und Lucifer.)

Doch nahen mir noch andre Wesen!

Was wollen sie an deiner Seite?

Ahriman:

Die weitre Weisung kommt von andern Orten.

Es kann dir leicht nicht scheinen,

 des Vorfahrs Winken zu gehorchen.

Bedenk’, daß er im Reich der Seligkeiten lebt.

Was dort Gebot und Pflicht ersehnt,

es kann in eurer Gegenwart

auf Erden nur Verwirrung stiften.

 Erheb’ den Blick zu seinen Höhen,

wenn du Erbauung suchen willst

im Glück, das fernsten Erdentagen

von Weltengeistern wird beschieden sein.

Doch willst du jetzt schon richtig wirken,

 so lass’ von dem allein dich führen,

was dir Vernunft und Sinne lehren.

Es ist dir gut gelungen,

die Sünden jener Bundesbrüder zu ergründen,

die sie vor aller Welt verbergen müssen.

 Sie zeigen dir, wie ihre Zukunftssatzung

gar wohl in Sünderseelen leben kann.

Wie könntest du bei solcher Wissenschaft

In Frieden mit dem Bunde leben wollen!

Der Irrtum ist ein schlechter Boden;

 er läßt nicht gute Früchte reifen.

Lucifer:

Es hat dein frommer Sinn  

Die rechten Wege dir gewiesen.

Wohl wandeln sich die Zeitenziele;

doch dürfen Ketzer nicht

 des Menschen Pfade vorbestimmen.

An diesem Geistesbunde ist gefährlich,

daß er in Worten Wahrheit spricht,

und doch der Wahrheit jene Wendung gibt,

durch die sie an Gefährlichkeit

 den Irrtum übertreffen muß.

Wer offen wollt’ der Lüge dienen,

der müßte sinnbetört wohl sein,

wenn er im Glauben leben könnte,

die Menschen folgten seiner Führung.

 Die Geistesritter sind so unklug nicht; –

sie sprechen wohl von Christi Wesenheit,

weil dieser Name alle Tore öffnet,

die zu den Menschenseelen führen.

Man kann für Christi Gegenbild

 am besten Menschenherzen fangen,

wenn  Christi Namen man dem Bilde gibt.

Mönch:

Verwirrend klingen mir aus Seelenwelten

die Stimmen, die ich oft gehört,

und die doch stets bekämpfen wollten,

 was frommer Sinn befiehlt.

Wie soll ich denn die guten Wege finden,

wenn böse Mächte sie mir loben.

Bedünken will es mich doch fast – ‒ ‒;

Doch nein, das Wort, es bleibe ungedacht –.

 Mein weiser Führer wird mich leiten,

daß seiner Worte Sinn sich mir enthüllen kann,

der mir so dunkel scheint.

Benedictus:

Ich kann den rechten Weg dir weisen,

wenn du in tiefster Seele dich durchdringst

 mit Worten, die ich einst auf Erden sprach.  

Und willst du dieser Worte Leben

In jenen Welten dann erstreben,

in welchen du mich jetzt erschauen kannst,

wird dir der rechte Weg gewiesen sein.

(Vorhang fällt, während noch der Mönch, der Geist des Benedictus,

Lucifer und Ahriman im Saale sind.)  

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