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Sechstes Bild.

Geistgebiet in der gleichen Art wie im vorigen Bilde. Die Beleuchtung warm und nuanciert, doch nicht zu hell. Links stehen die Sylphen. Vorne Philia, Astrid, Luna.

Capesius’ Seele (steht rechts gegen die Mitte zu):

Das Bild, das sich zur Sonnenzeit mir zeigte,

das Gnade strahlte, Güte milde wirkte, ‒

es waltet mir im Wesen auch noch jetzt,

da andres Weisheitslicht dies Geistgebiet

mit vieler Farben Strahlung übergießt.

Doch kraftet aus dem Bilde jetzt noch mehr;

es will, daß ich für künft’ge Erdenzeiten

aus ihm mir ziehe, was im Sinnensein

die Seele einst mir gab, die sich im Bilde

bedeutsam meiner Sphäre offenbart.

Doch führt mich wirksam kein Gefühlestrom

zu dieser Seele hin.

Romanus’ Seele (in einer Gestalt, so daß der ganze Oberkörper bis zu den Hüften zu sehen ist, mächtige rote Flügel, die sich so fortsetzen, daß sie um den Kopf zu einer roten, in das Blaue nach außen verlaufenden Aura sich umbilden; steht in der Nähe von Capesius’ Seele; Bellicosus’ und Torqua­tus’ Seelen sind in der Nähe):                         

                                                            In dir errege

des Juden Bild, der Hass und Spott nur stets

von allen Seiten hörte; der jedoch

dem Mystenbunde treue Dienste tat,

zu dem du einst auf Erden dich gefunden.

Capesius’ Seele:

Es dämmern jetzt Gedankenbilder auf,

die mich mit starker Kraft erfassen wollen.

Es taucht mir Simons Bild aus Seelenfluten. ‒ ‒

Doch tritt zu ihm noch andres ‒ Seelensein.

Ein Büßer, ‒ könnt’ ich den mir ferne halten.

Romanus’ Seele:

Er kann hier nur zur Weltensonnenzeit

sein Werk verrichten; einsam wandelt er,

von Finsternis umzogen, wenn Saturn

Erleuchter dieses Geistesreiches ist.

Capesius’ Seele:

O, wie mich dieser Büßer jetzt beirrt. ‒

Es bohren seine Seelenstrahlen brennend

in meine eigne Seelenhülle sich. ‒ ‒

So wirken Seelen, welche andren Seelen

in tiefste Wesensgründe schauen können.

Felix Baldes Seele (mit dumpfer, wie umflorter Stimme):

»Mein lieber Kühne, Ihr erwieset Euch

Stets treu ... «

Capesius’ Seele:

                     Ich selbst, ‒ mein eignes Wort, ‒ von ihm, ‒ ‒

als Widerhall ‒ im Geistgebiet ‒ ertönend!!

Ich werde diese Seele suchen müssen.

Sie kennt mich gut, ‒ durch sie muß ich mich finden.

(Capesius’ Seele verschwindet, von links erscheinen die »andre Philia« mit Theodoras Seele, hinter ihr Frau Baldes Seele.)

Romanus’ Seele:

Zwei Seelen nähern sich dem Büßer dort,

Der Geist, den sich die Seelen durch die Liebe

Zum Führer stets erwerben, schreitet vor.

Der Sanftmut Licht entströmt der Einen Seele;

Es fliesst zur andern hin, die selbst sich uns

Als Büßerin erbildet. Das Bild erstrahlet

Der Schönheit Glanz, der hier als Weisheit lebt.

Torquatus’ Seele (Gestalt bis zur Brust zu sehen, blaue Aura, grüne Flügel):

Du schaust der Sehnsucht Widerschein, die ich

aus meinen Seelenhüllen ‒ deiner Sphäre

im treuen Geistesbunde strahlen lasse.

Des Schicksals Urgewalten haben mich

zum Wirker deiner Milde dir gegeben.

So dienen geistig Seelen andern Seelen.

Allein erwürbest du zum harten Sinn

des Mitgefühles Lebensgabe nie.

Bellicosus’ Seele (Gestalt, wie Torquatus’ Seele, doch blauviolett Aura, blaugrüne Flügel):

Erkraftet Euch zum Geistgehör; ‒ es spricht

die Seele, die im Licht der Sanftmut strahlt.

Am Glanz Saturns entlockt sich hier den Seelen

dies Scheinen holder Geistesseligkeit.

Theodoras Seele (engelartige Gestalt, weiß mit gelben Flügeln und blaugelber Aura):

Du meine treue Geistgefährtin, ströme

die Liebe deiner Seelenhülle ihm

in sanftem Glanze zu; sie mildert ihm

der Einsamkeit verzehrend Feuerkraft ‒ ‒.

Und lenke ihm Gedankenstrahlen her

Von jenen Schattenseelen dort, die jetzt

in Geisteswelten sich die Kräfte sammeln,

daß ihre Seelenleiber lebend glimmern

und so aus ihrem Glimmerglanzesschaffen

den Menschenseelen Wachstums-Werdesinn

im Erdenleben sich erkraften möge.

Frau Baldes Seele:

Du Geist im Schein des Büßers, fühle mich;

empfange Sternenkraft, du Sonnenseele. ‒

Bis deine Geisteshülle sich entringt

dem Banne Lucifers, ‒ geleit’ ich dich

durch deine Einsamkeit und trage dir

die Kräfte zu, die ich von Stern zu Stern

im Weltall wandelnd für dich sammeln will.

Theodoras Seele:

Vergangnes Erdendenken regt sich glimmend

am Seelenufer dort ... Ein menschlich Bild ...

so sah ich’s erdenhaft; es folgt hieher;

es widerhallet einst Gehörtes hier:

»Aus Gottessein erstand die Menschenseele;

sie kann in Wesensgründe sterbend tauchen;

sie wird dem Tod dereinst den Geist entbinden.«

(Während der letzten Sätze erscheinen Lucifer und Thomasius’ Seele.)

Die andre Philia:

Dies tönend Wesensbild, es trägt hieher

aus edler Bruderliebe Wirkenskraft,

die du auf Erden treu entfaltet hast.

Ich will es dir in Seelenkraft verwandeln.

Der Schattenwesen Glimmerlicht empfängt

das Wort, das ich in deine Seele lenke.

Sie werden dir im Erdensein erregen,

was sie in Ewigkeiten sinnen dürfen. ‒

Und du, des Geisterlandes Büßerin:

die Seelenschritte lenk’ zu Sternen hin;

Dämonen sehnen sich nach deinem Werk,

aus dem sie Phantasie in Seelen strahlen

und so dem Erdenleben Flügel schaffen.

Frau Baldes Seele:

Ich folge dir, du meine Seelenschwester,

du meine Philia, die Liebe schafft,

von Stern zu Stern, von einem Geist zum andern.

Ich folge dir zu Sternenwelten hin,

ich trag’ dein Wort zu manchen Weltensphären.

Im Geisteswirken mich auch selber bildend

für meine künft’ge Erdenwanderschaft.

(Felix Baldes Seele, geführt von Frau Baldes Seele, verschwindet langsam, Theodora bleibt starr eine Weile stehen, sieht Johannes’ Seele an, dann ver­schwindet auch sie, ebenso Thomasius’ Seele mit Lucifer.)

Romanus’ Seele:

Daß wir an diesem Geistesorte jetzt

das Wort der Liebe mit dem Wort des Schaffens

zum Bund sich einen sahen, dies erkraftet

in unserm Wesen Keime, deren wir

im spätern Erdensein bedürftig werden.

(Romanus’, Torquatus’, Bellicosus’ Seelen verschwinden ‒ es erscheinen Benedictus’ Seele und Marias Seele an der Seite des Hüters der Schwelle.)

Der Hüter:

Erkennet eure Weltenmitternacht!

Ich halte euch im Bann gereiften Lichts,

das jetzt Saturn euch strahlt, bis eure Hüllen

in stärkrem Wachen, durch des Lichtes Macht

euch selbst erleuchtend, ihre Farben leben.

Marias Seele:

Die Weltenmitternacht im Seelenwachen? ‒ ‒

Es war zur Mondeszeit, da sprach die Sonne

das ernste Schicksalswort: Die Menschenseelen,

die Weltenmitternacht im Wachen leben,

sie schauen Blitze, die im schnellsten Zucken

Notwendigkeiten blendend überleuchten,

daß Geistesblicke im Erkennen sterben, ‒ ‒

und sterbend sich zu Schicksalszeichen formen,

die ewig wirksam sich in Seelen prägen.

Es hören solche Seelen Donnerworte,

die in den Weltengründen dumpf verrollen

und rollend jeden Seelenwahn bedrohen.

(Lucifer und Thomasius’ Seele erscheinen wieder.)

Benedictus’ Seele:

Es dringt aus ewig leeren Eisgefilden

des Mystenfreundes Schicksalsruf zu uns.

Wenn wir die Weltenmitternacht erkennen,

erreichen wir der Seele Geisteskreis.

Marias Seele:     

Die Flammen nahn, ‒ sie nahn mit meinem Denken ‒

von meinem Welten-Seelen-Ufer dort;

es naht ein heisser Kampf; ‒ mein eignes Denken, ‒

es kämpft mit Lucifers Gedanken;

in andrer Seele kämpft mein eignes Denken ‒ ‒

es zieht das heisse Licht ‒ aus finstrer Kälte, ‒

wie Blitze flammt ‒ das heisse Seelenlicht, ‒ ‒

das Seelenlicht ‒ im Welten-Eis-Gefilde ‒.

Lucifer:

Erkenn’ das Licht, ‒ mein heisses Weltenlicht, ‒

und schau die Blitze, die dir eignes Denken ‒

aus Lucifers Gewaltenkreisen schlägt.

Die Seele, der du langverbunden warst,

ich bring’ sie dir in deinen Blickekreis,

da du die Weltenmitternacht erlebst.

Du mußt des Suchens Richtung künftig ändern,

wenn du dich dieser Seele nahen willst.

Du Seele, die du mir hieher gefolgt,

gebrauch’ die Lichteskräfte, die Saturn

in ihre Weltenmitternacht erstrahlt. ‒ ‒

Johannes’ Seele (engelartige Gestalt, rosarot, fußlos mit blauroten Flügeln):

Ich fühle Seelen, doch noch brauch’ ich Kraft,

ihr Licht in mir zur Wesenheit zu stärken.

Sind sie mir auch ganz nah, so zeugen sie

doch Denken, das mir nur im Fernen leuchtet.

Wie heb’ ich sie zu meiner Geistesschau?

Philia:

Du wirst sie schauen, wenn du schnell ergreifst,

was sie im Weltenlichte selbst erleuchten;

doch wenn du schaust, so nütz’ den Augenblick;

es schwindet dieses Leuchten bald dahin.

Johannes’ Seele:

Was jenes Führers Seele spricht zum Schüler,

zur mir so nahen, lieben Schülerseele,

soll mir beleuchten meinen Seelenkreis.

Benedictus’ Seele (zu Marias Seele):

In dieser Geistesmitternacht erzeug

den Willen, den du wieder fühlen willst,

wenn deiner Form die Erdenkraft ersteht.

Dein Wort, es wird der Freundesseele leuchten.

Marias Seele:

So sei im Weltenlicht das Wort erkraftet,

das ich zur Weltenmitternacht vertrau’

der Seele, die mir Lucifer gebracht.

Was mir in Seelentiefen teuer ist,

ich will es schauen, will es schauend sprechen,

daß dieser Seele sich’s zum Tone bilde,

den sie im Erdensein in ihrem Wesen

erfühlen und ihn liebend leben mag.

Was schaue ich in Seelentiefen jetzt?

Es leuchtet mir erhab’ne Flammenschrift.

Die Liebe zu der Führerseele flammt,

die mich im Erdensein, die mich im Geist

durch langer Zeiten Folge hat geleitet;

die mich stets fand, wenn meines Betens Inbrunst

in Erdgefahr sie sucht’, auch wenn sie selbst

in Geisteshöhen weilte; leuchtend hell

erscheint mir diese Liebe, töne mir

du Wort der Liebe hin zur andern Seele. ‒ ‒

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Doch welche Flammen weckt das Wort der Liebe?

Sie leuchten milde; und die Milde strahlet

erhab’nen Ernst; es zucken gnadevoll

der Weisheit Blitze durch den Weltenäther ‒ ‒

und Seligkeit ergiesst sich freudewebend

durch alle Weiten meines Seelenkreises.

O Zeitendauer, ich erflehe mir:

ergiesse dich in diese Seligkeit,

und lass’ den Führer, lass’ die andre Seele

mit mir in dir jetzt friedevoll verweilen.

Der Hüter:

So mögen Blitze jetzt in nichts zerrinnen,

die grell Notwendigkeiten überleuchten,

wenn Seelen wach erleben Welten-Norden.

Es soll der Donner seinen Schall verlieren,

der mahnend rollt zur Weltenmitternacht. ‒

Dir, Astrid, sei ein ernst Gebot erteilt:

Bewahre dieses Seelen-Ungewitter,

bis ihre nächste Weltenmitternacht

im Strom der Zeit die Seele wachend findet.

Sie soll dann anders vor sich selber stehn, ‒ ‒

in ältrer Zeiten Bild ihr Selbst erschauen,

Erkennen, wie zum Geisteshöhenflug

die Schwingen auch im Seelensturz erstarken.

Es darf die Seele niemals stürzen wollen;

doch muß sie Weisheit aus dem Sturze holen.

Astrid:

Ich will die Blitz- und Donnerkraft bewahren,

daß sie im Weltensein erhalten bleiben,

bis sich Saturn der Seele wieder neigt.

Marias Seele:

Verweilend fühl’ ich Sternenseligkeit,

betreten darf ich sie im Strom der Zeit.

Ich will im Gnadewalten schaffend leben

mit diesem langverbundnen Seelenwesen.

Luna:

Ich hüte dir dein Schaffen hier im Geiste,

daß dir im Erdensein die Früchte reifen.

Johannes’ Seele:

In meinem Seelenkreise ‒ dieser Stern!

Er leuchtet Seligkeiten, ‒ strahlet Gnade ‒,

ein Seelenstern ‒ im Weltenäther ‒ schwebend; ‒

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

doch dort, ‒ im matten Licht, ‒ ein andrer Stern,

er tönt mir leise; doch ich will ihn hören.

(Bei den letzten Worten erscheint der Geist von Johannes’ Jugend. Engelartig, silberlicht.)

Der Geist von Johannes’ Jugend:

Ich nähre deiner Wünsche Sein mit Leben;

mein Atem wird in deinen Jugendzielen

erleuchtend kraften, wenn dich Welten locken,

in welche ich dich freudig führen kann.

Verlierst du mich in dir, muß ich den Schatten

mit wesenlosem Sein mich lebend opfern.

Du Blüte meines Seins, ‒ verlaß mich nicht!

Lucifer:

Er wird dich nicht verlassen, ‒ ich erschaue

in seines Wesens Tiefen Lichtbegierden,

die nicht der andern Seele Spuren folgen. ‒

Wenn diese mit dem Glanz, den sie erzeugen,

im Seelen-Grunde sich zum Sein erkraften,

wird er die Früchte, die sie zeugen müssen,

in jenem Reiche nicht vergeuden wollen,

wo Liebe ohne Schönheit herrschen will.

(Langsam Vorhang.)

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