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Siebentes Bild.

Ein Tempel nach ägyptischer Art. Die Stätte einer weit zurückliegenden Initiation.

Drittes Kulturzeitalter der Erde. Zunächst nur ein Gespräch zwischen dem Opferweisen, dem Schwellenhüter und dem Mysten.

Der Opferweise:

Ist alles würderichtig vorbereitet,

mein Schwellenhüter, daß die Weihetat

den Göttern und den Menschen heilsam werde?

Der Schwellenhüter:

Soweit der Mensch es vorzusehn vermag,

ist alles wohl bereitet; ‒ Weiheluft

erfüllt den Raum seit vielen Tagen schon.

Der Opferweise:

Mein Myste; zu des Königs Rater ist

der Priester ausersehn, der heut empfängt

geheimer Weisheit Weiheoffenbarung.

Habt Ihr die Prüfung denn auch so gestaltet,

daß jener Myste nicht allein der Weisheit

ergeben ist, die irdisch sorgenlos

nur aufmerksam auf Geisteslehren ist?

Uns müsst’ ein solcher Rater schädlich sein.

Der Myste:

Die Prüfung ward Gebot-gemäss vollzogen,

die Meister fanden sie gerecht; ‒ mich dünkt

daß unser Myste nur geringen Sinn

für irdisch Sorgen hat; er hat die Seele

dem Geistesstreben nur, der Selbstentfaltung

ergeben; geistentrückt kann man ihn sehn.

Zuviel ist’s nicht, zu sagen, daß er schwelgt,

wenn seine Seele geistgeeint sich fühlt.

Der Opferweise:

Ihr habt ihn so wohl öfter schon gesehn?

Der Myste:

Er zeigt sich wahrhaft oft in solcher Art.

Er würde wohl zum innern Tempeldienst

sich besser als zu eurem Rater eignen.

Der Opferweise:

Es ist genug. Ihr geht an Euer Amt

und sorgt, daß unsre Weihetat geling’. ‒

Doch du, mein Hüter, höre weiter mich.

Du weißt, ich schätze deinen Mystensinn;

du stehst als Weisheitträger mir viel höher,

als deinem Tempelgrad entspricht; und oft

hab’ ich an deinem Seherblick die Probe

gesucht für meine eigne Geistesschau.

Ich frage dich, wie groß ist dein Vertrauen

in dieses neuen Mysten Geistesreife?

Der Schwellenhüter:

Wer frägt nach meiner Meinung; meine Stimme

wird nicht gezählt. ‒

Der Opferweise:              

      Ich zähl’ sie stets für mich.

Auch heute sollst du mir zur Seite stehn;

wir müssen diese Weihetat verfolgen

mit strengem Seelenblick; und wenn der Myste

auch nur gering dem Geist-Erleben nach

dem hohen Sinn der Handlung nicht entspricht,

so hindre ich, daß er zum Rater werde.

Der Schwellenhüter:

Was könnte sich bei diesem Weihefeste

an diesem neuen Mysten offenbaren?

Der Opferweise:

Ich weiß, daß er nicht würdig ist der Ehre,

die ihm die Tempeldiener zugedacht.

Sein menschlich Wesen ist mir wohlbekannt.

Ihm ist die Mystik nicht der Herzenstrieb,

der sich im Menschen regt, wenn geistig Licht

von oben Seelen gnädig zu sich zieht.

Die Leidenschaft durchwühlt sein Innres stark;

die Sinnestriebe schweigen ihm noch nicht.

Ich will fürwahr nicht Götterwille tadeln,

der auch in Trieb und Leidenschaft sein Licht

noch weisheitvoll im Werdestrom erstrahlt.

Doch wenn der Trieb sich vor sich selbst verbirgt

und in der Andacht Maske mystisch schwelgt,

belügt er nur das Denken, fälscht das Wollen.

Es dringt in solche Seelen nicht das Licht,

das in den Geisteswelten Wesen webt;

es dampft die Leidenschaft als Mystennebel.

Der Schwellenhüter:

Mein Opferweiser, strenge ist das Urteil,

das Ihr dem Manne zuerteilt, der, jung

und unerfahren, sich nicht selbst erkennen,

der nur sich so verhalten kann, wie ihm

die Opferlenker und die Mystenführer

das Ziel des rechten Seelenpfades schildern.

Der Opferweise:

Ich will mit meinem Urteil nicht den Mann,

ich will die Tat nur treffen, welche hier

an heilig ernster Stätte sich vollzieht.

Was wir als mystisch Weihewerk vollbringen,

Bedeutung hat es doch nicht hier allein.

Es geht des Weltgeschehens Schicksalsstrom

durch Wort und Tat des ernsten Opferdienstes.

Was hier im Bilde sich vollzieht, es schafft

in Geisteswelten ewig wirksam Sein.

Doch jetzt, mein Hüter, geht an Euer Werk;

Ihr werdet selber finden, wie Ihr mir

am besten bei der Handlung helfen könnt.

(Es geht der Schwellenhüter links ab.)

Der Opferweise (allein):

An diesem jungen Mysten liegt es nicht,

der heute sich der Weisheit opfern will,

wenn in den nächsten Stunden unrecht Fühlen,

das seinem Herzen leicht entströmen kann,

in unsre Opfertat erstrahlt, und mystisch

im Tatensinnbild Geistessphären naht,

aus welchen später unheilvoll die Wirkung

zurück ins Menschenleben fliessen muß.

Die Führer und die Lenker werden schuldig.

Erkennen die denn noch die Mystenkraft,

die jedes Wort und jedes Zeichen hier

geheimnisvoll durchgeistigt, ‒ die auch wirkt,

wenn Seeleninhalt sich in sie ergiesst,

der unheilvoll dem Weltenwerden ist?

Statt daß der junge Myste sich dem Geiste

bewußt hier opfert, schleppen seine Lehrer

als Opfer ihn zur Weihestatt, und unbewußt

ergibt er hier sein Seelensein dem Geiste,

das er in andre Wege wahrlich lenkte,

wenn er bewußt es in sich leben könnte.

Im Kreise unsrer Mystenschaft erkennt allein der

höchste Opferkenner wirklich,

was mystisch in den Opferformen lebt.

Doch der ist schweigsam wie die Einsamkeit;

denn so ist seiner Würde streng Gebot.

Die andern blicken völlig unverständig,

Wenn ich vom Ernst des Opfers ihnen spreche.

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

So bin ich ganz allein mit meiner Sorge,

die mich im Innern oft erdrücken will,

wenn ich den Sinn des Opferortes fühle.

Ich lerne sie fürwahr hier tief erkennen:

die Einsamkeit am ernsten Geistesort. ‒ ‒ ‒

Warum bin ich an diesem Ort allein?

Die Seele muß es fragen; ‒ doch der Geist ‒

wann wird er dieser Seele Antwort geben?

(Vorhang fällt langsam.)

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