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XX

Noch etwas von der bei Zweigversammlungen

notwendigen Stimmung.

Anthroposophische Betrachtungen sollten nicht zu einer Unterschätzung des äusseren Lebens führen. Es wird ja bei vielen Menschen so sein, dass entweder schwere Schicksalsschläge oder die Wahrnehmung der Wider­sprüche im äusseren Leben diejenige Vertiefung des Empfindens hervor­ruft, welche sich in dem Hinneigen zu einer geistgemässen Auffassung des Daseins ausdrückt.

Aber wie die physische Wesenheit des Menschen des Schlafes bedarf, um im Wachen tüchtig zu sein, so hat ein richtiges Drinnenstehen in der geistigen Welt den Sinn für das physische Erleben nötig, um Festigkeit und Sicherheit der Seele zu entwickeln. ‒ Denn die Erfüllung des menschlichen Inneren mit Erkenntnissen vom Geistigen ist ein Auf­wachen aus dem Leben in der sinnenfälligen Wirklichkeit und aus den Impulsen, die der Wille aus dieser Wirklichkeit schöpfen kann.

Deshalb sollten die in der Anthroposophischen Gesellschaft tätig wirkenden Mitglieder stets darauf bedacht sein, dass solchen Persön­lichkeiten, die aus einer Unterschätzung des äusseren Lebens das innere zu ergreifen suchen, die Kraft dieses Inneren zwar in aller nur mög­lichen Stärke gegeben werde, dass aber mit diesem ihnen die Schätzung des Aeusseren und die Tüchtigkeit für dieses erstehe.

Man sollte stets bedenken, dass das menschliche Erdenleben innerhalb des Gesamtdaseins des Menschen, das durch Geburtenund Tode geht, eine Bedeutung hat. In diesem Erdenleben ist der Menschengeist in dem materiellen Sein verkörpert. Er ist an dieses materielle Sein hin­gegeben. Was er in dieser Hingebung erleben kann, das kann ihm in keiner Daseinsform zukommen, in der er als Geist im Geistigen sich selbst gegeben ist.

Das Leben im materiellen Dasein ist für den Menschen diejenige Daseinsstufe, auf der er das Geistige ausserhalb von dessen Wirklichkeit, im Bilde wahrnehmen kann. Und ein Wesen, das den Geist nicht auch im Bilde erlebt, kann kein freies, aus der eigenen Wesenheit entsprin­gendes Hinneigen zum Geiste entfalten. Auch diejenigen Wesenheiten, die sich nicht nach Menschenart im materiellen Dasein verkörpern, machen Lebensstufen durch, in denen sie ihr eigenes Wesen an ein anderes Daseins-Element hinzugeben haben.

In dieser Hingabe liegt die Grundlage für die Entwickelung des Liebes-Impulses im Leben. Ein Wesen, das niemals in eine Entfremdung von dem eigenen Selbst eingeht, kann nicht diejenige Hinneigung zu einem andern in sich erbilden, die sich in der Liebe offenbart. Und das Erfassen des Geistigen durch den Menschen kann leicht in Lieblosigkeit verhärten, wenn es in Einseitigkeit mit einer Verachtung des in der äusseren Welt sich Offenbarenden sich verbindet.

Wahre Anthroposophie sucht nicht den Geist, weil sie die Natur geistlos findet und deshalb der Verachtung wert, sondern deshalb, weil sie in der Natur den Geist suchen will und ihn nur auf anthroposophi­sche Art darinnen finden kann.

Wenn eine in dieser Richtung wirkende Gesinnung dasjenige durchwaltet, was in unseren Zweigversammlungen getan wird, so werden diese den Mitgliedern ein Erleben bringen, das mit den Anforderungen, die des Menschen Gesamtdasein andiesen stellt, im Einklange sich befindet. Und die Weltfremdheit, die so leicht wie eine ungesunde Atmosphäre anthroposophischer Arbeit sich ergeben kann, wird ver­trieben werden.

Auch dieses gehört zu den Elementen, die die rechte Stimmung in der Arbeit unserer Gesellschaft bewirken sollen. Die Mitglieder werden ihre Besuche in den Zweigversammlungen nicht in der wünschenswerten Art verbracht haben, wenn sich ihnen ein Abgrund auftut zwischen dem, was sie durch Anthroposophie vernehmen und dem, was sie im äusseren Leben erfahren müssen. Der Geist, der in den Zweigversamm­lungen waltet, muss zum Lichte werden, das fortleuchtet, wenn das Mitglied den äusseren Anforderungen des Tages hingegeben ist. Waltet solcher Geist nicht, so wird das Mitglied durch Anthroposophie für das Leben, das doch seine Rechte hat, nicht tüchtiger, sondern untüchtiger. Dann aber wären manche Vorwürfe, die von Aussenstehenden der Anthroposophischen Gesellschaft gemacht werden, berechtigt. Und die Anthroposophische Gesellschaft würde Anthroposophie nicht fördern, sondern schädigen.

 

Weitere Leitsätze, vom Goetheanum ausgegeben.

44. Ein Uebergang zu der geisteswissenschaftlichen Betrachtung der Schicksalsfrage sollte dadurch herbeigeführt werden, dass man an Beispielen aus dem Erleben einzelner Menschen den Gang des Schicksalsmässigen in seiner Bedeutung für den Lebenslauf erörtert; z. B. wie ein Jugenderlebnis, das ganz sicher nicht in voller Freiheit durch eine Persönlichkeit herbeigeführt ist, das ganze spätere Leben zu einem grossen Teile gestalten kann.

45. Es sollte die Bedeutung der Tatsache, dass im physischen Lebenslaufe zwischen Geburt und Tod der Gute unglücklich im Aussenleben, der Böse wenigstens scheinbar glücklich werden kann, geschildert werden. Beispiele in Bildern sind für die Erörterung wichtiger als theoretische Erklärungen, weil sie die geisteswissenschaftliche Betrachtung besser vorbereiten.

46. Es sollte an Schicksalsfällen, die in das Dasein des Menschen so eintreten, dass man ihre Bedingungen im jeweilig gegenwärtigen Erdenleben nicht finden kann, gezeigt werden, wie gegenüber solchen Schicksalsfällen schon rein die verstandesgemässe Lebensansicht auf früheres Erleben hindeutet. Es muss natürlich aus der Art der Darstellung klar sein, dass mit solchen Darstellungen nichts Verbindliches behauptet, sondern nur etwas gesagt werden soll, das die Gedanken nach der geisteswissenschaftlichen Betrachtung der Schicksalsfrage hin orientiert.

 

XXI

Die Stellung der Eurhythmie in der

Anthroposophischen Gesellschaft.

In der Zeit von Mitte Mai bis Mitte Juni absolviert Frau Marie Steiner mit den Eurhythmisten des Goetheanums eine Eurhythmiereise durch die Städte Ulm, Nürnberg, Eisenach, Erfurt, Naumburg, Hildesheim, Hannover, Halle, Breslau. Die Nachrichten, die ich hierher ins Goetheanum von dieser Reise erhalte, sprechen von einem tiefgehenden Interesse, das eine verhältnismässig grosse Zuschauerschaft an der aus der anthroposophischen Bewegung hervorgegangenen Kunst nimmt. Dass da und dort ein paar Radaumacher Missklänge in die so befriedigende Aufnahme hineinbringen, kann den nicht befremden, der weiss, gegen welche Widerstände auf allen Lebensgebieten stets dasjenige zu kämpfen hat, das dem Gewohnten als etwas Neues entgegentritt.

Von der Anthroposophischen Gesellschaft möchte man erwarten, dass sie den Bestrebungen, die in der eurhythmischen Kunst wirken, volle Teilnahme entgegenbringt. Denn nur in einer solchen Teilnahme kann die Wärme unterhalten werden, die für diejenigen notwendig ist, die sich solchen Bestrebungen widmen.

Man weiss nicht überall innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft, auf welchen Grundlagen sich solche Bestrebungen aufbauen. Am Goetheanum wird, unter der Leitung von Marie Steiner, unausgesetzt gearbeitet, um die Vorübungen für die Vorstellungen zu absolvieren. Bei diesen Arbeiten ist eine grosse Hingabe aller derer unerlässlich, die daran beteiligt sind. Und es ist von aussen nicht immer ersichtlich, wie mühevoll es ist, für Künstlerisches ermüdende Reisen von Stadt zu Stadt zu machen, wie aufreibend, die künstlerische Stimmung zu entfalten innerhalb der ermüdenden Reisen. Um unter den nun einmal gegebenen Verhältnissen mit solchen Bestrebungen durchzukommen, ist eben viel Hingabe und eine reine Begeisterung für die Sache notwendig.

Die Eurhythmie als Kunst ist eine Frucht der in der anthroposophischen Bewegung wirkenden geistigen Impulse. Was in der menschlichen Organisation als Seele und Geist lebt, kommt durch sie zur wahrnehmbaren Offenbarung. Ihre Wirkung bei den Zuschauern beruht auf der Empfindung, dass in den äusserlich sichtbaren Bewegungen von Menschen und Menschengruppen Seele und Geist sich in unmittelbarer Anschauung entfalten. Man hat gewissermassen das Menschen-Seelenwesen vor Augen.

Und in dieses augenfällige Offenbaren des Menschen-Seelenwesens tönen die rezitatorische und die musikalische Kunst hinein. Man kann sagen, die rezitatorische Kunst erlebt an den eurhythmischen Bestrebungen die Bedingungen ihres Wesens. Sie ist ja zunächst an das Wort gebunden. Aber das Wort unterliegt leicht der Versuchung, vom Künstlerischen abzuirren. Es will Ausdruck des Verstandes- und Gefühls-Inhaltes sein. Künstlerisch wirksam kann aber nur die Gestaltung dieses Inhaltes sein. Wenn nun die Rezitation an die Seite der eurhythmischen Bewegungskunst tritt, muss sie ihren gestaltenden Charakter in aller Reinheit entfalten. Sie muss zur Offenbarung bringen, was durch die Sprache bildnerisch und musikalisch wirken kann. Es war daher für die Eurhythmie die Entwickelung der rezitatorischen Kunst in der Art notwendig, wie sie durch die Hingabe Marie Steiners für diesen Teil der anthroposophischen Bewegung ermöglicht worden ist. Man sollte innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft verfolgen, was seit dem Zeitpunkte, da 1914 in Berlin Marie Steiner mit einigen Eurhythmistinnen die Arbeit begann, entstanden ist. Eurhythmie konnte sich als sichtbare Sprachkunst nur entfalten an der Seite der künstlerisch erfassten, hörbaren Sprachkunst. Nur wer die künstlerische Erfassung dessen, was im hörbaren Worte liegt, hat, kann den rechten Sinn dafür entfalten, wie sich das Hörbare in der Eurhythmie zum Sichtbaren umgestaltet. Vor der Öffentlichkeit kann ja nur von Interesse sein, was zuletzt an künstlerischem Werte zutage tritt. Bei den Mitgliedern der anthroposophischen Gesellschaft kommt die intime Anteilnahme an dem Werden einer solchen Bestrebung in Betracht. Denn diese ist ein Teil des anthroposophischen Lebens.

In einer solchen Anteilnahme wird sich edelstes Menschentum entwickeln können. Und in dessen Entwickelung liegt doch eine der vornehmsten Aufgaben der Anthroposophischen Gesellschaft.

Unsere Musiker, die ihre künstlerischen Begabungen in den Dienst der Eurhythmie stellen, bringen, nach meiner Überzeugung, durch die Art, wie sie dies tun, und durch den grossen Enthusiasmus, der sie beseelt, gerade im Zusammenwirken mit der verwandten Kunst die Musik in einer ganz eigenartigen Richtung vorwärts. Ich glaube, dass der musikalische Sinn, der in ihnen lebt, gerade seine wahre Befreiung in dem Hineinstellen in den Zusammenhang findet. Jedenfalls lebt in der Betätigung unserer Musiker im Rahmen des eurhythmischen Wirkens eine tief befriedigende Ausweitung des Musikalischen in das allgemein künstlerische. Und die zeigt ihre Fruchtbarkeit wieder an dem schönen Zurückwirken auf das spezifisch Musikalische.

Marie Steiners Bestrebungen für das Eurhythmische ist das Eurhythmeum in Stuttgart entsprungen. Der Gedanke eines eurhythmischen Konservatoriums liegt zugrunde. Eurhythmie in allen ihren Verzweigungen wird gelehrt. Die Hilfsfächer, Poetik, Ästhetik, Kunstgeschichtliches, Musikwissenschaftliches usw. werden vorgetragen. Alles das in künstlerischer Auffassung in dem Lichte, in dem Eurhythmie stehen muss. Was in dieser Art in Stuttgart entstanden ist, trägt in sich viele Möglichkeiten eines weiteren Ausbaues.

Alle solche Bestrebungen kämpfen bei uns mit den schwersten äussern Existenzmöglichkeiten. Denn wir sind eine recht arme Gesellschaft. Man hat oft die Empfindung, was alles könnte noch getan werden, wenn wir nach dieser Richtung nicht so hart zu kämpfen hätten?

Wir hatten vor kurzem eine Konferenz zur Besprechung des Lehrplanes des Stuttgarter Eurhythmeums. Künstlerische Möglichkeiten von weittragender Bedeutung traten den Teilnehmern an dieser Konferenz vor die Seele.

Es ist tiefbefriedigend, zu sehen, wie aus dem Schosse unserer Gesellschaft viele Mitglieder mit wärmster Anteilnahme sich der Förderung der eurhythmischen Bestrebungen widmen. Diese Anteilnahme ist in einem erfreulichen Wachstum begriffen. Es ist dadurch in unsere Bewegung ein Zug hineingekommen, der durchaus zu ihren Lebensbedingungen gehört. Denn die Kunst steht mitten zwischen den Offenbarungen der Sinnenwelt und der geistigen Wirklichkeit. Anthroposophie will vor den Menschen die geistige Welt hinstellen. Kunst ist der Abglanz des Geistes in der Sinneswelt. Lebte sie auf anthroposophischem Boden nicht, so könnte dies nur von einem Mangel dieses Bodens selbst herrühren. Man hat in der letzten Zeit in anthroposophischen Kreisen dieses immer mehr eingesehen; hoffentlich reifen solche Einsichten auch weiterhin.

 

Weitere Leitsätze

47. Was in der Schicksalsgestaltung des Menschen liegt, das tritt nur zum allerkleinsten Teile in das gewöhnliche Bewusstsein ein, sondern es waltet zumeist im Unbewussten. Aber gerade durch die Enthüllung des Schicksalsgemässen wird ersichtlich, wie Unbewusstes zum Bewusstsein gebracht werden kann. Es haben eben diejenigen durchaus Unrecht, die von dem zeitweilig Unbewussten so sprechen, als ob es absolut im Gebiete des Unbekannten bleiben müsste und so eine Erkenntnisgrenze darstellte. Mit jedem Stück, das sich von seinem Schicksale dem Menschen enthüllt, hebt er ein vorher Unbewusstes in das Gebiet des Bewusstseins herauf.

48. Durch ein solches Herauf heben wird man gewahr, wie innerhalb des Lebens zwischen Geburt und Tod das Schicksalsgemässe nicht gewoben wird; man wird dadurch gerade an der Schicksalsfrage auf die Betrachtung des Lebens zwischen Tod und neuer Geburt gewiesen.

49. In dem Besprechen dieses Hinausweisens des menschlichen Erlebens aus sich selbst an der Schicksalsfrage wird man ein wahres Gefühl entwickeln können für das Verhältnis des Sinnlichen und des Geistigen. Wer das Schicksal im Menschenwesen waltend schaut, der steht schon im Geistigen darinnen. Denn die Schicksalszusammenhänge haben gar nichts Naturhaftes an sich.

 

XXII

Der Besuch der Anthroposophischen

Gesellschaft in Frankreich.

Vom 23. bis zum 27. Mai hatte ich Vorträge in Paris für die französischen Freunde der Anthroposophie zu halten. Fräulein Alice Sauerwein, die von mir zur Leiterin der Anthroposophischen Gesellschaft in Frankreich ernannt worden ist, hat in der hingehendsten, opferwilligsten und umsichtigsten Art diesen Besuch vorbereitet. Und dank dieser Vorbereitungen ist die Veranstaltung auch in der allerbefriedigendsten Weise verlaufen. Vom Vorstande am Goetheanum waren Frau Dr. Ita Wegman, die Schriftführerin, und Frl. Dr. Vreede mitgekommen.

Sie begann mit einem Mitgliedervortrage am 23. Mai, den ich in der Art hielt, die durch die Weihnachtstagung am Goetheanum bedingt ist. Ich muss besonders dankbar unserem Freunde Dr. Jules Sauerwein sein, der schon während des französischen Kurses (1922) am Goetheanum sich der Mühe unterzogen hatte, meine deutsch gehaltenen Vorträge zu übersetzen, und der auch diesmal diese Aufgabe für meine sämtlichen Pariser Vorträge übernommen hat. Es war zu bemerken, ein wie schöner Widerhall in den Herzen der Freunde sich zeigte gegenüber dem Ton, der durch die Weihnachtstagung in die Mitteilungen aus dem Geistgebiete gekommen ist. Das Ablegen aller Reserven und die ganz unmittelbare Darstellung dessen, was aus den Offenbarungen der geistigen Welt sich ergibt, kommt dem entgegen, was die Seelen von Anthroposophie erwarten. Man darf wohl im allgemeinen sagen: seit Weihnachten gelingt es, die Seelenwärme, die zur Mitteilung anthroposophischer Anschauungen eine so grosse Wohltat ist, wirklich in den Vortragsräumen zu haben.

Für diese Veranstaltung innerhalb der französischen Anthroposophischen Gesellschaft ist noch das besonders hervorzuheben, dass diese Seelenwärme durch die ausgezeichnete Ubersetzungsart Dr. Sauerweins hindurch sich voll erhielt, so dass im ganzen mir, dem Vortragenden, die schönste Stimmung aus dem Mitgliederkreise entgegenkam.

Dieser Mitgliedervortrag wurde durch zwei weitere, am 24. und 25. Mai fortgesetzt. Inhalt dieser Vorträge war die Schicksals- (Karma-) Frage. Die Art, wie das Schicksal im Erdenleben des Menschen drinnen steht, wie in seinem Wirken eine ganz andere Gesetzmässigkeit als in den Naturvorgängen sich offenbart, wurde auseinandergesetzt. Die Schicksalsbildung in dem Menschendasein zwischen Tod und neuer Geburt führt in der Schilderung dann zu den geistigen Welten, denen der Mensch angehört und die er in diesem Dasein durchwandert. Von besonderer Wichtigkeit erscheint auch die Darstellung, wie durch die Menschen selbst in ihren aufeinanderfolgenden Erdenleben die Kräfte der einen Geschichtsepoche in die andere hinübergetragen werden. Beispiele, die ich jetzt ganz rückhaltlos für dieses Gebiet gebe, scheinen mir den esoterischen Zug zu erhöhen. Das Wesen des Christus innerhalb aller dieser Tatsachenkomplexe wurde entsprechend charakterisiert.

Am 25. Mai fand die Generalversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in Frankreich statt. Ich durfte Fräulein Sauerwein die vollste Anerkennung ihres so energischen Wirkens durch den Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft am Goetheanum zum Ausdruck bringen. Dann setzte ich die Bedeutung der Impulse der Weihnachtstagung für das weitere Wirken der Anthroposophischen Gesellschaft auseinander und erinnerte daran, wie ich genau vor zehn Jahren in Paris einen Vortrag über Anthroposophie vor einer begrenzten Öffentlichkeit halten konnte.

Und einen ebensolchen öffentlichen Vortrag vor einem eingeladenen Publikum konnte ich auch diesmal am 26. Mai halten. Er behandelte das Thema »Wie gewinnt man Erkenntnisse der geistigen Welten?« Ich glaube, man wird sagen können, der esoterische Zug, der seit der Weihnachtstagung in der anthroposophischen Bewegung waltet, lebte auch in diesem öffentlichen Vortrag. Und auch hier konnte man bemerken, wie sich die Seelen öffnen, wenn man ohne alle Reserve von der Wahrheit der geistigen Welt spricht. Es waren über vierhundert Zuhörer da, und auch hier ergab die Notwendigkeit des Übersetzens keine Beeinträchtigung der Stimmung.

Frl. Rihouet führte uns Besuchern vom Goetheanum die Kinder der von ihr so hingebungs- und einsichtsvoll geleiteten Eurhythmieschule vor. Wir konnten nur unsere vollste Befriedigung über die schönen Erfolge, die Frl. Rihouet erzielt hat, aussprechen. Es ist mir auch Herzensbedürfnis, hier zu sagen, dass ich innige Freude empfinde über das Wirken Frl. Rihouets innerhalb der französischen Gesellschaft. Das von ihr redigierte, unter grossen Opfern herausgegebene Journal »Science spirituelle« muss die besten Früchte zeitigen, denn es ist vorzüglich gestaltet und vertritt ganz energisch die anthroposophische Sache.

Es konnten auch zwei esoterische Stunden der freien Hochschule für Geisteswissenschaft am 26. und 27. Mai gehalten und auch damit ganz unmittelbar im Geiste des Goetheanums gewirkt werden.

Am 27. Mai konnte ich mit meiner lieben Mitarbeiterin, Frau Dr. Ita Wegman, zusammen einen medizinischen Abend veranstalten. Dr. Auzimour, der ausgezeichnete Arzt, gab uns dazu die Möglichkeit, indem er in ausserordentlich liebenswürdigem Entgegenkommen sein Heim zu diesem Abend zur Verfügung stellte und ihm befreundete Ärzte zu diesem Vortrage einlud. Ich setzte die Prinzipien der Pathologie und Therapie auseinander, die von der Anthroposophie her die Medizin bereichern können. Ich machte darauf aufmerksam, wie es der Anthroposophie ganz ferne liegt, in dilettantischer oder laienhafter Art die wissenschaftliche Medizin zu unterschätzen, wie es ihr vielmehr darauf ankäme, diese voll anzuerkennen und nur zu ihr hinzuzufügen, was aus einer wirklich wissenschaftlichen Geist-Erkenntnis für das Erfassen des Erkrankungs- und Heilungsvorganges erfasst werden könne. ‒ Ich erwähnte, wie die alten Mysterien stets im innigen Vereine das Erringen geistiger Erkenntnisse innige Verbindung des in Arlesheim unmittelbar mit dem Goetheanum verbundenen, von Frau Dr. Wegman so sachgemäss geleiteten klinisch-therapeutischen Institutes, der Anfang zu einer Erneuerung des Mysterienwesens auch auf diesem Gebiete gemacht werden soll. Es ist aber selbstverständlich, dass nicht die seelisch-instinktive Art der alten Mysterien wieder aufleben kann, sondern eine solche, die dem voll-entwickelten, aber zum Spirituellen gehobenen modernen Bewusstsein entspricht, angestrebt werden muss. Wir müssen Dr. Auzimour für sein freundschaftliches Entgegenkommen und für seine Förderung unserer Sache den allerwärmsten Dank aussprechen.

 

Weitere Leitsätze

50. Es ist von ganz besonderer Wichtigkeit, darauf hinzuweisen, wie die Betrachtung des geschichtlichen Lebens der Menschheit dadurch belebt wird, dass man zeigt, es sind die Menschenseelen selbst, welche die Ergebnisse der einen Geschichtsepoche in die andere hinübertragen, indem sie in ihren wiederholten Erdenleben von Epoche zu Epoche wandeln.

51. Man wird leicht gegen eine solche Betrachtung einwenden, dass sie der Geschichte das Elementarische und Naive nimmt; aber man tut damit unrecht. Sie vertieft vielmehr die Anschauung des Geschichtlichen, das sie bis in das Innerste der Menschenwesenheit hinein verfolgt. Geschichte wird dadurch reicher und konkreter, nicht ärmer und abstrakter. Man muss nur in der Darstellung Herz und Sinn für die lebende Menschenseele entwickeln, in die man dadurch tief hineinschaut.

52. Es sollen die Epochen im Leben zwischen Tod und neuer Geburt mit Beziehung auf die Karmabildung behandelt werden.

Das »Wie« dieser Behandlung der Karmabildung soll den Inhalt der weiteren Leitsätze bilden.

 

 

 

XXIII

Die Veranstaltungen in Koberwitz und in Breslau.

Seit längerer Zeit war es der Wunsch einer Anzahl von Anthroposophen, die in landwirtschaftlichen Berufen stehen, dass von mir ein Kursus abgehalten werde, der enthalten solle, was aus anthroposophischer Anschauung über Landwirtschaft zu sagen ist. Vom 7. bis 16. Juni konnte ich die Zeit finden, diesem Wunsche zu entsprechen.

Koberwitz bei Breslau, wo Graf Carl Keyserlingk ein grosses landwirtschaftliches Gut in vorbildlicher Art verwaltet, war einer der für einen solchen Kursus gegebenen Orte. Es war ja selbstverständlich, dass über Landwirtschaft da gesprochen wurde, wo die zu der Veranstaltung Versammelten die Dinge und Vorgänge, auf die sich die Ausführungen bezogen, um sich herum haben konnten. Das gibt einer solchen Veranstaltung Stimmung und Farbe.

Die Nähe des Gutes Koberwitz von Breslau ermöglichte ja auch, den landwirtschaftlichen Kursus mit andern anthroposophischen Arbeiten zu verbinden.

Nun haben wir in Koberwitz-Breslau in dem Grafen Carl Keyserlingk und in Rektor Bartzsch zwei Persönlichkeiten, die jederzeit bereit sind, für die Pflege der Anthroposophie mit hingebungsvollem Enthusiasmus, mit zielsicherer Umsicht und eindringlicher Energie zu arbeiten.

Deren Hingabe ist es zuzuschreiben, dass wir in der angegebenen Zeit eine grosse Anzahl unserer Mitglieder in anthroposophischem Streben versammelt hatten.

Die Vormittage von 11/2 bis 3 Uhr waren der Landwirtschaft gewidmet. Zu dieser Zeit durften sich eine grössere Zahl von Landwirten in dem Heim von Gräfin und Graf Keyserlingk in Koberwitz versammeln. Man war übereingekommen, dass auch für die Sache Interessierte, die nicht unmittelbar in der landwirtschaftlichen Praxis stehen, in geringerer Zahl anwesend sein konnten.

Der Vormittag wurde jeden Tag mit meinem Vortrage begonnen. Ich machte zum Inhalte das Wesen der Erzeugnisse, welche von der Landwirtschaft geliefert werden und der Bedingungen, unter denen diese Erzeugnisse entstehen können. Das Ziel dieser Auseinandersetzungen war, zu solchen praktischen Gesichtspunkten für die Landwirtschaft zu kommen, die zu dem heute durch praktische Einsicht und wissenschaftliche Untersuchung Gewonnenen das hinzufügten, was von einer geistgemässen Betrachtung der einschlägigen Fragen gegeben werden kann.

An den Vortrag schloss sich eine Frühstückspause, in der das Haus Keyserlingk in der »eingehendsten« Weise für die Bewirtung der in Breslau wohnenden und zum Kursus nach Koberwitz gekommenen Teilnehmer sorgte.

Dann folgte eine Aussprache über die jeweils behandelten Fragen. Die Lebhaftigkeit, mit der es da zuging, zeugte von dem allerstärksten Interesse der Versammelten an der anthroposophischen Behandlung von Dingen, die ihnen nahestehen.

Unser Freund, Herr Stägemann, sprach gleich im Beginne der Tagung von Dingen, die sich für ihn an Gespräche knüpften, die ich vor einiger Zeit schon mit ihm über Landwirtschaftliches haben konnte. Er hat ja auf Grund des so Gesagten bereits praktische Versuche auf dem von ihm bewirtschafteten Gute gemacht. Was sich ihm da ergeben hatte, und was er an sich daran knüpfenden Wünschen hatte, brachte er vor.

An diese Auseinandersetzungen Stägemanns schloss sich ein Vorschlag des Grafen Keyserlingk, der sogleich darauf ausging, über das durch den Kursus Anzudeutende die nötigen Versuche zu machen. Für dieses Ziel sollte eine Gemeinschaft von Berufslandwirten sich zusammenfinden. Eine solche wurde denn auch in einer darauffolgenden Versammlung der anwesenden Landwirte gegründet. Man kam überein, dass das im Kursus Mitgeteilte zunächst als Winke betrachtet werde, von dem man vorläufig nicht ausserhalb des Kreises der Teilnehmer spricht, sondern das man als die Grundlage für Versuche betrachtet, durch die es in die Form gebracht werden soll, in der man es veröffentlichen kann. Diese Gemeinschaft, bei deren Versammlungen abwechselnd Graf Keyserlingk und Herr Stägemann den Vorsitz führen sollen, wurde als eine Vereinigung von Menschen erklärt, die sich der naturwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum eingliedert. Von dieser Sektion aus soll den Versuchsarbeiten fortdauernd Richtung und Ziel gegeben werden.

Graf Keyserlingk hat damit dem, was der Kursus anregen konnte, mit sicherer Hand die sachgemässe Orientierung gegeben.

Frl. Dr. Vreede, die anwesend war, wurde gebeten, als sachverständige Mitarbeiterin bei der Leitung der Versuche vom Goetheanum aus zu wirken.

In reger Art wurden die nötigen Vorbesprechungen dieser Gemeinschaft in einer Reihe von Versammlungen gepflogen.

Nach einer entsprechenden Pause schlossen sich an die landwirtschaftlichen Veranstaltungen andere anthroposophische in Breslau.

Zu einem Kursus über künstlerische Behandlung der Sprache, der von Frau Marie Steiner abgehalten wurde, hatten sich so viele Teilnehmer gemeldet, dass in dieser Richtung eine Begrenzung der Teilnehmerzahl eintreten musste. Es ist sachgemäss, dass bei einem solchen Kurse die Anwesenden zu wirklichen Übungen im Sprechen kommen. Man kann deswegen nicht eine unbegrenzte Teilnehmerzahl haben. Diesmal wurde nun ein Mittelweg dadurch eingeschlagen, dass man einer möglichen Teilnehmerzahl die vorderen Plätze anwies, wo mit ihnen die Übungen gemacht werden konnten, während eine grössere Anzahl von Zuhörern in den weiteren Sitzreihen das entgegennehmen konnte, was durch stummes Zuhören zu gewinnen ist. Frau Marie Steiner wählte diesen Weg, weil sie dem so befriedigenden Interesse entgegenkommen wollte, das sich in Anthroposophenkreisen für die Sprachkunst in einem weiten Umfange zeigt. Dieses Interesse ist im höchsten Grade erfreulich. Denn es zeigt ein Wachsen des Verständnisses für die Art der künstlerischen Sprachbehandlung, die aus dem anthroposophischen Geiste heraus durch Frau Marie Steiner gepflegt wird. Es steht zu hoffen, dass durch das weitere Wachsen dieses Verständnisses die Kunst des Sprechens in immer weiteren Kreisen Eingang finden wird. Das kann bei der grossen Bedeutung, welche diese Kunst für die Persönlichkeitskultur hat, recht segensreich wirken.

Eine Eurhythmievorstellung mit den Eurhythmiekünstlern vom Goetheanum und unter der Leitung und rezitatorischen Mitwirkung von Marie Steiner, wie auch unter der Mitwirkung von Max Schürmann, fand im vollbesetzten Lobe-Theater und bei regster Anteilnahme des Publikums am Montag, den 9. Juni statt.

Zwei Klassenvorträge der freien Hochschule des Goetheanums konnte ich am 12. und 13. Juni im Rahmen der Breslauer Veranstaltungen abhalten. Ich zeigte, wie der Weg zur Geisterkenntnis und die seelischen Erlebnisse beim Übergang vom sinnlichen zum geistigen Anschauen durch innere Seelenarbeit verstanden werden kann.

Zwei Versammlungen der in Breslau bestehenden Jugendgruppe der anthroposophischen Gesellschaft konnten abgehalten werden. Als tief befriedigend darf diese Tatsache bezeichnet werden. Mit offenem Herzen und aus ernster Seelenstimmung sprachen einzelne Teilnehmer des Jugendkreises; offene Herzen und teilnahmsvolle Seelen schaute ich vor mir, wenn ich sprach. Man redete über das Wesen der Jugendbewegung und über Ziele derselben, welche die Zeit fordert. Es lag viel Idealismus, Seelensorge, aber auch viel guter Wille in den Teilnehmern dieser Versammlungen. Man möchte wünschen, dass in Einigkeit die Jugend nach der Verwirklichung dessen strebt, was sie im Herzen nach der geistigen Welt hindrängt, und dass sie sich nicht durch Uneinigkeit schwach macht.

Den Abschluss der Tage bildete immer der Mitgliedervortrag, den ich zu halten hatte. Mit unseren Breslauer Freunden hatten sich eine grosse Zahl auswärtiger Mitglieder aus einem grossen Umkreise vereinigt, so dass diese Mitgliederabende eine sehr grosse Zahl von Freunden der anthroposophischen Bewegung vereinigte. Ich sprach über das menschliche Schicksal in seiner Entwicklung durch die aufeinanderfolgenden Erdenleben hindurch, über die Art, wie an der Gestaltung dieses Schicksales (Karma) in dem menschlichen Dasein zwischen Tod und neuer Geburt die Wesenheiten einer übersinnlichen Welt wirken; ich gab Beispiele, an denen ich aus der Geistesforschung heraus diese Gestaltung veranschaulichen konnte.

Am Sonntag, den 15. Juni, fand noch eine Vorführung der Iphigenie statt durch die Schauspieler, die sich um Kugelmann zu neukünstlerischen Bühnenspielen vereinigt haben. Kugelmann hat die Anregungen, die er in einem Kursus über künstlerische Sprachbehandlung empfing, den vor einiger Zeit Marie Steiner am Goetheanum gehalten hat, für die Schauspielkunst angewendet. In dieser Vorführung zeigte er die Früchte seines schönen Mühens.

Ich schreibe diese Erzählung von unserer Breslauer und Koberwitzer Tagung nach dem letzten Mitgliedervortrag; und ich danke auch an dieser Stelle Herrn Rektor Bartzsch für die lieben Worte, mit denen er nach der Beendigung dieses Vortrages den Schluss dieses Teiles der Tagung verschönt hat. Wir haben nun noch am 16. Juni eine Versammlung der Teilnehmer am landwirtschaftlichen Kursus, eine Sprachkursstunde von Marie Steiner, und ein geselliges Zusammensein der Kursteilnehmer vor uns.

Vom Vorstande am Goetheanum sind hier anwesend: Marie Steiner, Dr. Vreede, Dr. Wachsmuth.

Allerherzlichsten Dank müssen alle Teilnehmer dieser Tagung empfinden gegenüber der Gräfin und dem Grafen Keyserlingk und den übrigen Mitgliedern des Keyserlingkschen Hauses, die in einer Art, wie sie schöner, würdiger, anthroposophische Arbeit zielsicher gestaltet und in ein wahres Fest eingerahmt haben. Es gehörte viel aus dem Geiste der Anthroposophie geborener Enthusiasmus und eine tiefe Liebe zur Sache dazu, um in solcher Art diese Tagung zu gestalten.

 

Weitere Leitsätze

53. Die Entfaltung des Menschenlebens zwischen Tod und neuer Geburt geschieht in aufeinanderfolgenden Stufen. Während weniger Tage unmittelbar nach dem Durchgang durch die Todespforte wird in Bildern das vorangegangene Erdenleben überschaut. Dieses Ueberschauen zeigt zugleich die Ablösung des Trägers dieses Lebens von der menschlichen Seelen-Geist-Wesenheit.

54. In einer Zeit, die ungefähr ein Drittel des eben vollendeten Erdenlebens umfasst, wird in Geisteserlebnissen, welche die Seele hat, die Wirkung erfahren, welche im Sinne einer ethisch gerechten Weltordnung das vorangegangene Erdenleben haben muss. Es wird während dieses Erlebens die Absicht erzeugt, das nächste Erdenleben zum Ausgleich der vorangegangenen so zu gestalten, wie es diesem Erleben entspricht.

55. Eine langdauernde, rein geistige Daseinsepoche folgt, in der die Menschenseele mit andern mit ihr karmisch verbundenen Menschenseelen und mit Wesenheiten der höhern Hierarchien das kommende Erdenleben im Sinne des Karma gestaltet.

 

XIV

Breslau-Koberwitzer Tagung, Waldorfschule,

Jugendsehnsucht.

Die Erzählung von unserer Breslauer und Koberwitzer Tagung konnte ich in der letzten Nummer nur bis zu ihrem vorletzten Tage führen. Der letzte brachte noch die Schlussversammlung der Teilnehmer am landwirtschaftlichen Kurse, die letzte Sprachkursstunde von Marie Steiner und das gesellige Zusammensein der Kursteilnehmer am Abend des 16. Juni.

In dem letzten Vortrage ergänzte ich das über Landwirtschaft Gesagte durch einige Auseinandersetzungen über Obstbau, Tierernährung, Waldkultur, über die Schädlinge des Feldbaues und über sogenannte Pflanzenkrankheiten. Graf Keyserlingk betonte nochmals in eindringlicher Art, dass der Inhalt der Vorträge über Landwirtschaft zunächst als Arbeitsmaterial der eben enstandenen Gemeinschaft der Landwirte innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft dienen soll. Mitteilungen darüber sollen in keiner Art gemacht werden, bevor die Mitglieder dieser Gemeinschaft durch die Ergebnisse ihrer Versuchsarbeiten werden sprechen wollen. Diejenigen Teilnehmer am Kurse, denen als für die Landwirtschaft interessierte Nicht-Landwirte das Zuhören ermöglicht worden ist, wurden daher gebeten, das Gehörte nur als Anregung für sich selbst zu betrachten und nirgends darüber zu berichten. Wenn es sich um Dinge handelt, die von vorneherein dazu bestimmt sind, in der Lebenspraxis ihre Auswirkung zu finden, so ist eine solche Massnahme voll berechtigt. Was die Anthroposophie zunächst über Landwirtschaft zu sagen hat, wird im Kreise der landwirtschaftlichen Fachleute zunächst seine bestmögliche Pflege finden; und man muss es ihnen überlassen, damit im Verein mit der naturwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum so zu verfahren, wie sie es für gut finden.

In der geselligen Zusammenkunft am Abend sprach zunächst liebe Schlussworte eine Persönlichkeit, die nach einer langen und wirksamen Tätigkeit in der Landwirtschaft dazu übergegangen ist, priesterlicher Mitarbeiter in der Bewegung für christliche Erneuerung zu werden, als der er jetzt wirkt, Herr v. Koschützky. Dann dankte Rektor Bartsch Frau Marie Steiner für ihre Mitwirkung an der Tagung. Graf Keyserlingk übernahm es schon am Vorabend, auf die finanziell schwierige Lage der Waldorfschule hinzuweisen und zu einer Sammlung unter den Kursteilnehmern anzuregen. Am letzten Abend wiederholte er dieses. Er hat damit auf etwas hingewiesen, das mit möglichster Stärke im Bewusstsein der Mitglieder leben sollte. Und seinem Beispiele sollten Andere nachfolgen. Denn mit der Waldorfschule ist es doch so, dass sie in ganz sichtbarer Art in immer weiteren Kreisen an Anerkennung gewinnt. Wir haben eine Schülerzahl von ungefähr achthundert. Der grösste Teil der Jahrgänge arbeitet in zwei Parallelklassen; für den fünften und sechsten Jahrgang mussten wir sogar je drei Parallelklassen errichten. Die Zahl der Lehrkräfte, die an dieser Institution arbeitet, muss fortdauernd vergrössert werden. Wir können nicht mehr alle Bewerber, die in die Waldorfschule kommen wollen, annehmen. Und bei dieser so tief befriedigenden Sachlage ist in finanzieller Beziehung die Schule der Gegenstand allerschwerster Sorge. Wir stehen schon in den nächsten Monaten vor der Tatsache, dass wir nicht wissen, wie wir die Schule erhalten sollen, wenn nicht die Freunde derselben durch finanzielle Hilfe uns noch mehr unterstützen als bisher. Zunächst hat sich ein stets opferbereites Mitglied unserer Gesellschaft gefunden, das uns für einen Teil der fehlenden Mittel Hilfe gebracht hat. Allein auch damit ist die Höhe des Fehlbetrages, den wir in den nächsten Monaten haben werden, noch nicht gedeckt. Freunde können Hilfe bringen entweder durch Beiträge, oder durch Werbung von Mitgliedern für den Waldorf-Schulverein, oder durch Übernahme von Patenschaften für solche Kinder, deren Angehörige das Schulgeld nicht bezahlen können. Man wird sich an das Sekretariat des Waldorf-Schulvereins wenden können, um das Genauere zu erfahren über die Art, in der man helfen kann. ‒ Die Sammlung, zu der Graf Keyserlingk bei der Tagung in Breslau Anregung gegeben hat, war von dem grössten Erfolg, den eine einmalige Sammlung haben kann. Aber wir sind darauf angewiesen, dass das hier gegebene Beispiel bei jeder Gelegenheit im Umkreise der Anthroposophischen Gesellschaft Nachfolge findet. Denn nur dadurch wird es möglich sein, die Waldorfschule, deren Arbeit mit so grossen Hoffnungen begonnen wurde, die so vielversprechend sich weiterentwickelt, fortzuführen.

An dem landwirtschaftlichen Kursus haben auch eine Anzahl jüngerer Mitglieder unserer Gesellschaft teilgenommen. Diese fühlten am Ende der Tagung noch das Bedürfnis, ihren Kreis zu versammeln. Das geschah in den frühen Morgenstunden des 17. Juli. Aus tiefstem Herzen sprachen da jüngere Freunde über ihre Sehnsucht, im Schaffen und in der Arbeit an die Einsichten aus dem geistigen Gebiete heranzukommen, die den Menschen mit den wirksamen Kräften der Natur verbinden. Es war eine Aussprache aus dem Innersten der Seele der Jugend heraus, die über den unfruchtbaren Materialismus hinauskommen möchte, der mit der Natur nicht verbindet, sondern den Menschen von ihr trennt und seine Arbeit zur Unfruchtbarkeit verurteilt. Ich durfte bei dieser Jugendversammlung auf die Wege hinweisen, auf denen diese Sehnsucht sich bewegen sollte, um zu einem Ziele zu kommen.

Ich möchte diese Erzählung nicht abschliessen, ohne das noch einmal kurz auszusprechen, was ich schon im Rahmen der geselligen Zusammenkunft gesagt habe. Der befriedigende Fortgang unserer Bewegung in Schlesien steht im innigen Zusammenhange mit dem langjährigen, energischen und einsichtsvollen Wirken des Rektors Bartsch. Durch viele Jahre hindurch hat er durch seine Schriften und durch sein stets eindrucksvolles Wort das für die Sache der Anthroposophie getan, was ein Mensch nur tun kann. Die Gesellschaft verdankt ihm viel. Wie wohltuend ich es stets empfunden habe, wenn meine Arbeit in seinem Wirken eine so kräftige Förderung fortdauernd gefunden hat, das auszusprechen, hatte ich bei der geselligen Zusammenkunft in Breslau das Bedürfnis.

 

Weitere Leitsätze

56. Die Daseinsepoche zwischen Tod und neuer Geburt, in der das Karma des Menschen gestaltet wird, kann nur auf Grund der Ergebnisse geistiger Forschung dargestellt werden. Aber es ist immer im Bewusstsein zu halten, dass diese Darstellung der Vernunft einleuchtend ist. Diese braucht nur das Wesen der Sinneswirklichkeit unbefangen zu betrachten, dann wird sie gewahr, dass dieses ebenso auf ein Geistiges hinweist, wie die Form eines Leichnams auf das ihm einwohnende Leben.

57. Die Ergebnisse der Geisteswissenschaft zeigen, dass der Mensch zwischen Tod und Geburt ebenso Geistesreichen angehört, wie er zwischen Geburt und Tod den drei Reichen der Natur, dem mineralischen, pflanzlichen und tierischen angehört.

58. Das mineralische Reich ist in der augenblicklichen Gestaltung des Menschen zu erkennen, das pflanzliche ist als Aetherleib die Grundlage seines Werdens und Wachsens, das tierische als Astralleib der Impuls für Empfindungs- und Willensentfaltung. Die Krönung des bewussten Empfindungs- und Willenslebens im selbstbewussten Geistesleben macht den Zusammenhang des Menschen mit der Geisteswelt unmittelbar anschaulich.

  

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