top of page

LI

Himmelsgeschichte. Mythologische Geschichte.

Erdgeschichte. Mysterium von Golgatha.

Im räumlichen Kosmos stehen einander gegenüber: Weltenweite und Erdenzentrum. In der Weltenweite sind die Sterne gewissermassen »ausgestreut«. Vom Erdenzentrum strahlen Kräfte nach allen Richtungen der Weltenweite.

So wie der Mensch in der gegenwärtigen kosmischen Epoche in der Welt darinnen steht, kann ihm das Sternenscheinen und Erdenkräftewirken nur als das Gesamtwerk der göttlich-geistigen Wesen, mit denen er in seinem Innern verbunden ist, erscheinen.

Aber es gab eine kosmische Zeit-Epoche, da waren dieses Scheinen und diese Erdenkräfte noch unmittelbare geistige Offenbarung der göttlich-geistigen Wesen. Der Mensch in seinem dumpfen Bewusstsein fühlte die göttlich-geistigen Wesen wirksam in seiner Wesenheit.

Dann kam eine andere Zeit-Epoche. Der Sternenhimmel löste sich als körperliches Wesen aus dem göttlich-geistigen Wirken heraus. Es entstand das, was man Weltengeist und Weltenleib nennen kann. Der Weltengeist ist eine Vielheit göttlich-geistiger Wesenheiten. Sie wirken in der älteren Epoche aus den Sternen-Orten auf die Erde herein. Was da von den Weltenweiten erglänzte, was vom Erdenzentrum als Kräfte erstrahlte, das war in Wirklichkeit Intelligenz und Wille der göttlich-geistigen Wesenheiten, die an der Erde und ihrer Menschheit schufen.

In der späteren kosmischen Epoche ‒ nach der Saturn- und Sonnen-Entwicklung ‒ wurde das Wirken von Intelligenz und Wille der göttlich-geistigen Wesen immer geistig innerlicher. Worinnen sie ursprünglich wirksam-anwesend waren, das wurde »Weltenleib«, harmonische Anordnung der Sterne im Weltenraume. Man kann, wenn man in geistgemässer Weltanschauung auf diese Dinge zurückblickt, sagen: aus dem ursprünglichen Geist-Leib der weltschöpferischen Wesen ist Weltengeist und Weltenleib entstanden. Und der Weltenleib zeigt in Sternen-Anordnung und Sternenbewegung, wie einst das intelligente und willensgemässe Götterwirken war. Aber für die kosmische Gegenwart ist, was einst frei bewegliche Götterintelligenz und Götterwille in den Sternen war, in diesen gesetzmässig-fest geworden.

Was also heute aus den Sternenwelten zu dem Menschen auf der Erde hereinscheint, ist nicht unmittelbarer Ausdruck von Götterwillen und Götterintelligenz, sondern stehengebliebenes Zeichen für das, was diese in den Sternen einst waren. In der, Bewunderung aus der Menschenseele lösenden, Himmels-Stern-Gestaltung kann man daher eine vergangene, aber nicht die gegenwärtige Götteroffenbarung sehen.

Aber dasjenige, was so im Sternenschein »vergangen« ist, in der Geist-Welt ist es »gegenwärtig«. Und der Mensch lebt mit seinem Wesen in diesem »gegenwärtigen« Weltengeist.

Man muss in der Weltgestaltung zurückblicken auf eine alte kosmische Epoche, in der Weltengeist und Weltenleib als eine Einheit wirken. Man muss die mittlere Epoche ins Auge fassen, in der sie als Zweiheit sich entfalten. Und man muss in die Zukunft, die dritte Epoche, denken, in der der Weltengeist den Weltenleib wieder in seine Wirksamkeit übernehmen wird.

Für die alte Epoche wären Sternenkonstellation und Sternenlauf nicht zu »berechnen« gewesen, denn sie waren Ausdruck der freien Intelligenz und des freien Willens von göttlich-geistigen Wesen. In der Zukunft werden sie wieder nicht zu berechnen sein.

»Berechnung« hat nur eine Bedeutung für die mittlere kosmische Epoche.

Und wie für Sternenkonstellation und Sternenlauf, so gilt dieses auch für die Wirksamkeit der vom Erdenzentrum in die Weltenweite strahlenden Kräfte. Da wird das, was »aus der Tiefe« wirkt, »berechenbar«.

Aber alles strebt aus der älteren kosmischen Epoche der mittleren zu, in der das Räumliche und Zeitliche »berechenbar« wird und das Göttlich-Geistige als Intelligenz- und Willens-Offenbarung »hinter« dem »Berechenbaren« gesucht werden muss.

Nur in dieser mittleren Epoche sind die Bedingungen gegeben, in denen die Menschheit von einem dumpfen Bewusstsein zu einem hellen, freien Selbstbewusstsein, zu eigener freier Intelligenz und eigenem freien Willen fortschreiten kann.

Es musste einmal die Zeit kommen, in der Kopernikus und Keppler den Weltenleib »berechneten«. Denn aus den kosmischen Kräften, die mit der Herbeiführung dieses Augenblickes zusammenhängen, musste das menschliche Selbstbewusstsein sich gestalten. In älterer Zeit wurde dieses Selbstbewusstsein veranlagt; dann kam die Zeit, wo es so weit war, die Weltenweite zu »berechnen«.

Auf der Erde spielt sich die »Geschichte« ab. Die wäre nie gekommen, wenn die Weltenweite nicht zu »festen« Sternkonstellationen und Sternenlaufen geworden wäre. In dem »geschichtlichen Werden« auf Erden ist ein Abbild ‒ aber ein durchaus gewandeltes ‒ dessen vorhanden, was einst »Himmelsgeschichte« war.

AeltereVölker haben in ihrem Bewusstsein noch diese »Himmelsgeschichte«, und sie blicken viel mehr auf diese als auf die »Erdengeschichte«.

In der »Erdengeschichte« lebt Intelligenz und Wille der Menschen, erst im Zusammenhange mit dem kosmischen Götterwillen und der Götterintelligenz, dann selbständig.

In der »Himmelsgeschichte« lebten Intelligenz und Wille der mit der Menschheit zusammenhängenden göttlich-geistigen Wesen.

Blickt man zurück auf das geistige Leben der Völker, so ist in urferner Vergangenheit ein Bewusstsein des Zusammenseins und Zusammenwollens mit den göttlich-geistigen Wesenheiten so bei den Menschen vorhanden, dass deren Geschichte Himmelsgeschichte ist. Der Mensch erzählt, indem er über »Ursprünge« spricht, nicht irdische, sondern kosmische Vorgänge. Ja auch für seine Gegenwart erscheint ihm das, was in seiner Erden-Umgebung vorgeht, so unbedeutend gegenüber den kosmischen Vorgängen, dass er nur diese, nicht jenes beachtet.

Es gab eine Epoche, in der die Menschheit das Bewusstsein hatte, die Himmelsgeschichte in mächtigen Eindrücken zu schauen, in denen die göttlich-geistigen Wesen selbst vor der Seele des Menschen standen. Sie sprachen; und der Mensch vernahm die Sprache in Traum-Inspiration; sie offenbarten ihre Gestalten; und der Mensch schaute sie in Traum-Imagination.

Diese »Himmelsgeschichte«, die eine lange Zeit die Menschenseelen erfüllte, wurde gefolgt von der mythischen Geschichte, die man heute vielfach für alte Dichtung hält. Sie verbindet Himmelsgeschehen mit Erdgeschehen. Es treten zum Beispiel »Heroen« auf, übermenschliche Wesen. Es sind das Wesen, die in der Entwicklung höher stehen als die Menschen. Diese haben z. B. in einer gewissen Zeit die menschlichen Wesensglieder nur bis zur Empfindungsseele ausgestaltet. Der »Heros« aber hat bereits entwickelt, was im Menschen als Geistselbst einmal auftreten wird. Der »Heros« kann nicht innerhalb der Erdenverhältnisse unmittelbar sich verkörpern; aber er kann es dadurch, dass er in den Körper eines Menschen untertaucht und so sich fähig macht, als Mensch unter Menschen zu wirken. In »Eingeweihten« der älteren Zeit hat man solche Wesen zu sehen.

Die Tatsachen im Weltgeschehen liegen bei alle dem so, dass nicht etwa die Menschheit sich in den aufeinanderfolgenden Epochen die Geschehnisse so »vorstellte«; sondern, was sich zwischen der mehr geistigen »unberechenbaren« und der körperlichen »berechenbaren« Welt abspielte, das wandelte sich. Nur das liegt vor, dass lange, nachdem die Weltverhältnisse sich schon gewandelt hatten, das menschliche Bewusstsein dieses oder jenes Volkes noch an einer »Weltanschauung« festhielt, die einer viel früheren Wirklichkeit entsprach. Zuerst geschah das so, dass das menschliche Bewusstsein, das nicht gleichen Schritt hält mit dem kosmischen Geschehen, das Alte wirklich noch schaute. Dann kam eine Zeit, wo das Schauen verblasste und das Alte nur durch Tradition noch festgehalten wurde. So wird im Mittelalter traditionell ein Hereinspielen der Himmelswelt in die irdische noch vorgestellt, das nicht mehr geschaut wird, weil die Kraft des Bildschauens nicht mehr da ist.

Und im Erdbereich entwickeln sich die Völker so, dass sie in verschiedener Zeitenlänge den einen oder andern Weltanschauungsinhalt festhalten, so dass nebeneinander Weltanschauungen leben, die ihrem Wesen gemäss nacheinanderliegen. ‒ Nur rühren die verschiedenen Weltanschauungen der Völker nicht allein von dieser Tatsache her, sondern auch davon, dass, nach ihren Anlagen, die verschiedenen Völker verschiedenes schauten. So sahen die Aegypter die Welt, in der Wesen sind, welche auf dem Wege der Menschwerdung vorzeitig stehen geblieben und nicht Erdenmenschen geworden sind; und sie sahen den Menschen nach seinem Erdenleben in alle dem, was er mit solchen Wesen zu tun hat. Die chaldäischen Völker sahen mehr, wie ausserirdische geistige Wesen ‒ gute und böse ‒ in das Erdenleben eintraten, um da zu wirken.

Auf die alte, einer ganz langen Zeitepoche angehörige eigentliche »Himmelsgeschichte« folgt die »mythologische« Geschichte, die kürzer, aber im Verhältnis zur späteren eigentlichen »Geschichte« doch noch lange ist.

Die Menschen verlassen ‒ wie ich schon charakterisiert habe ‒ nur schwer in ihrem Bewusstsein die alten Anschauungen, in denen Götter und Menschen zusammenwirkend vorgestellt werden. ‒ So ist »eigentliche Erdgeschichte« längst ‒ seit Entfaltung der Verstandes- oder Gemütsseele ‒ vorhanden. Der Mensch »denkt« noch im Sinne dessen, was gewesen ist. Erst da, wo die ersten Keime der Bewusstseinsseele sich entwickeln, beginnt man damit auf die »eigentliche Geschichte« zu blicken.

Und in dem, was losgelöst vom Göttlich-Geistigenals Menschlich-Geistiges Geschichte wird, kann von den Menschen die freie Intelligenz und der freie Wille erlebt werden.

So verläuft das Weltgeschehen, in das der Mensch einverwoben ist, zwischen dem voll Berechenbaren und dem Wirken der freien Intelligenz und des freien Willens. In allen Zwischennuancen des Zusammenwirkens von beidem offenbart sich das Weltgeschehen.

Der Mensch vollbringt sein Leben zwischen Geburt und Tod so, dass ihm im Berechenbaren die leibliche Grundlage zur Entfaltung des innerlichen geistig-seelischen freien Unberechenbaren geschaffen wird. Sein Leben zwischen Tod und neuer Geburt durchläuft er im Unberechenbaren, doch so, dass ihm da als in dem »Inneren« des geistig-seelischen Seins das Berechenbare sich gedanklich entfaltet. Er wird dadurch ‒ aus diesem Berechenbaren heraus ‒ der Aufbauer seines kommenden Erdenlebens.

In der »Geschichte« lebt sich auf Erden das Unberechenbare aus, in das sich aber das Berechenbare, wenn auch im schwachen Masse eingliedert.

Gegen die Ordnung, die durch die mit dem Menschen seit Urbeginn verbundenen göttlich-geistigen Wesen zwischen Unberechenbarem und Berechenbarem festgelegt ist ‒ gegen deren Harmonisierung des Kosmos durch »Mass, Zahl und Gewicht« ‒ stellen sich die luziferischen und ahrimanischen Wesen. Luziferkann mit der Art, die er seinem Wesen gegeben hat, nichts Berechenbares vereinigen. Sein Ideal ist kosmische unbedingte Intelligenz- und Willenswirkung.

Diese luziferische Tendenz, sie ist angemessen der Weltenordnung in den Gebieten, in denen freies Geschehen herrschen soll. Und da ist Luziferder berechtigte geistige Helfer der Menschheits-Entfaltung. Ohne seine Hilfe könnte in das Geistig-Seelische des Menschen, das sich auf der Grundlage des berechenbaren Leiblichen aufbaut, Freiheit nicht einziehen. Aber Luzifer möchte diese Tendenz auf den ganzen Kosmos ausdehnen. Und da wird seine Tätigkeit zum Kampfe gegen die göttlich-geistige Ordnung, zu der der Mensch ursprünglich gehört.

Da tritt Michael ein. Er steht mit dem eigenen Wesen im Unberechenbaren; aber er bewirkt den Ausgleich zwischen dem Unberechenbaren und dem Berechenbaren, das er als Weltgedanke in sich trägt, den er von seinen Göttern empfangen hat.

Anders stehen die ahrimanischen Mächte in der Welt. Sie sind der völlige Gegensatz der göttlich-geistigen Wesen, mit denen der Mensch ursprünglich verbunden ist. Diese sind gegenwärtig rein geistige Mächte, die in sich vollkommene freie Intelligenz und vollkommen freien Willen tragen, die aber in dieser Intelligenz und diesem Willen die weise Einsicht von der Notwendigkeit des Berechenbaren, Unfreien als Weltgedanken schaffen, aus dessen Schosse der Mensch als freies Wesen sich entfalten soll. Und sie sind mit allem Berechenbaren, mit dem Weltgedanken, im Kosmos in Liebe verbunden. Diese Liebe strömt von ihnen durch das Weltall.

In vollem Gegensatz dazu lebt in dem gierigen Begehren der ahrimanischen Mächte der kalte Hass auf alles in Freiheit sich Entfaltende. Ahrimans Streben geht dahin, aus dem, was er von der Erde in den Weltenraum strömen lässt, eine kosmische Maschine zu machen. Sein Ideal ist »einzig und allein« »Mass, Zahl und Gewicht«. Er wurde in den der Menschenentwicklung dienenden Kosmos hereingerufen, weil »Mass, Zahl und Gewicht«, sein Gebiet, entfaltet werden musste.

Nur wer die Welt geistig-körperlich überall begreift, der begreift sie wirklich. Das muss bis in die Natur hinein mit Bezug auf solche Mächte wie die göttlich-geistigen in Liebe wirkenden und die in Hass wirkenden ahrimanischen beachtet werden. Man muss in der naturhaften Weltenwärme, die mit dem Frühling einsetzt und gegen den Sommer zu wirkt, die naturhafte Liebe der göttlich-geistigen Wesen wahrnehmen; man muss in dem wehenden Froste des Winters die Wirkung Ahrimans gewahr werden.

Im Hochsommer webt sich Luzifers Kraft in die naturhafte Liebe, die Wärme, hinein. In der Weihnachtszeit wendet sich die Kraft der göttlich-geistigen Wesen, denen der Mensch ursprünglich verbunden ist, gegen den Frost-Hass Ahrimans. Und gegen den Frühling zu mildert fortdauernd naturhafte göttliche Liebe naturhaften Ahriman-Hass.

Das Erscheinen dieser alljährlich auftretenden göttlichen Liebe ist die Zeit der Erinnerung, da das freie Gottes-Element in das berechenbare Erd-Element mit dem Christus eingetreten ist. Christus wirkt in völliger Freiheit in dem Berechenbaren; damit macht er unschädlich, was nur das Berechenbare begehrt, das Ahrimanische.

Das Ereignis von Golgatha ist die freie kosmische Tat der Liebe innerhalb der Erdengeschichte; sie ist auch nur erfassbar für die Liebe, die der Mensch zu diesem Erfassen aufbringt.

Leitsätze mit Bezug auf das Vorangehende über: Himmelsgeschichte, mythologische Geschichte, Erdgeschichte, Mysterium von Golgatha.

140. Das kosmische Geschehen, in das die Menschheitsentwicklungeinverwoben ist, und das sich im Menschenbewusstsein als »Geschichte« ‒ im umfassendsten Sinne ‒ spiegelt, gliedert sich: in die langdauernde Himmelsgeschichte, die kürzere mythologische Geschichte und in die verhältnismässig ganz kurze Erdgeschichte.

141. Dieses kosmische Geschehen zerfällt gegenwärtig in das »nicht zu berechnende« Wirken göttlich-geistiger Wesen, die in freier Intelligenz und freiem Willen schaffen, und in das »berechenbare« Geschehen des Weltenleibes.

142. Gegen das Berechenbare des Weltenleibes stellen sich die luziferischen, gegen das in freier Intelligenz und freiem Willen Schaffende die ahrimanischen Mächte.

143. Das Ereignis von Golgatha ist eine freie kosmische Tat, die der Welten-Liebe entstammt und nur durch Menschen-Liebe erfasst werden kann.

 

 

LII

Was sich offenbart, wenn man in die

wiederholten Erdenleben zurückschaut.

Wenn das geistgemässe Erkennen zurückschauen kann in frühere Erdenleben eines Menschen, so zeigt sich, dass es eine Anzahl solcher Erdenleben gibt, in denen der Mensch schon Person war. Sein Aeusseres glich dem gegenwärtigen, und er hatte ein Innenleben, das individuelles Gepräge trug. Es treten Erdenleben auf, die offenbaren, wie die Verstandes- oder Gemütsseele da war, noch nicht die Bewusstseinsseele, und solche, in denen erst die Empfindungsseele ausgebildet war usw.

In den erdgeschichtlichen Zeitaltern ist das so; es war auch schon lange vorher so.

Man kommt aber im Anschauen zurück zu Zeitaltern, in denen es noch nicht so war. Da findet man den Menschen noch nach Innenleben und nach der äusseren Bildung mit der Welt der göttlich-geistigen Wesen verwoben. Der Mensch ist als Erdenmensch da, aber nicht losgelöst vom göttlich-geistigen Wesen, Denken und Wollen.

In noch älteren Zeiten verschwindet der losgelöste Mensch ganz; es sind nur göttlich-geistige Wesen vorhanden, die den Menschen in ihrem Schoss tragen.

Diese drei Stadien seiner Entwicklung hat der Mensch während seiner Erdenzeit durchgemacht. Der Uebergang des ersten in das zweite liegt in der spätesten lemurischen, der vom zweiten in das dritte in der atlantischen Zeit.

Wie nun der Mensch im gegenwärtigen Erdenleben seine Erlebnisse als Erinnerung in sich trägt, so trägt er alles, was er in der geschilderten Art durchgemacht hat, als kosmische Erinnerung in sich. Was ist das irdische Seelenleben? Die Welt der Erinnerungen, die bereit ist, in jedem Augenblicke neue Wahrnehmungen zu machen. In diesem Wechselwirken von Erinnerung und neuer Erfahrung lebt der Mensch sein innerliches Erdendasein.

Aber dieses innerliche Erdendasein könnte nicht zur Entfaltung kommen, wenn nicht als kosmische Erinnerung im Menschen gegenwärtig noch vorhanden wäre, was man schaut, wenn man geistig zurückblickt in das erste Stadium seines Erden-Mensch-Werdens, in dem er von dem göttlich-geistigen Wesen noch nicht losgelöst war.

Von dem, was damals in der Welt geschah, ist heute auf Erden nur noch das lebendig vorhanden, was innerhalb der menschlichen Nerven-Sinnesorganisation entwickelt wird. In der äusseren Natur sind alle die Kräfte, die damals wirksam waren, erstorben und nur in toten Formen beobachtbar.

So lebt in der menschlichen Gedankenwelt als gegenwärtige Offenbarung, was, um Erdenexistenz zu haben, zur Grundlage das haben muss, was im Menschen schon entwickelt war, bevor er individuelles Erdendasein erlangte.

In dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt erlebt der Mensch jedesmal aufs neue dieses Stadium. Nur trägt er in die Welt der göttlich-geistigen Wesen, die ihn wieder aufnimmt, wie sie ihn einst in sich gehabt hat, sein volles in den Erdenleben gebildetes individuelles Dasein hinein. Er ist zwischen Tod und neuer Geburt zugleich in der Gegenwart, aber auch in aller Zeit, die er durch wiederholte Erdenleben und wiederholte Leben zwischen Tod und neuer Geburt durchgemacht hat.

Anders verhält es sich mit dem, was in der Gefühlswelt des Menschen lebt. Sie steht zu den Erlebnissen in Beziehung, die unmittelbar nach denen kamen, die den Menschen noch nicht als solchen offenbaren. Zu den Erlebnissen, die der Mensch schon als Mensch, aber noch nicht losgelöst von göttlich-geistigem Wesen, Denken und Wollen durchmacht. Der Mensch könnte gegenwärtig keine Gefühlswelt entfalten, wenn diese nicht auf der Grundlage seiner rhythmischen Organisation erstehen würde. In dieser ist die kosmische Erinnerung an das geschilderte zweite Stadium der Menschheitsentwicklung vorhanden.

So wirken in der Gefühlswelt zusammen die menschliche seelische Gegenwart und das, was in ihm nachwirkt aus einer alten Zeit.

In dem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt erlebt der Mensch den Inhalt der Zeit, von der hier die Rede ist, wie die Grenze seines Kosmos. Was dem Menschen im physischen Erdenleben der Sternenhimmel ist, das ist geistig in dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt sein Dasein, das zwischen seiner völligen Verbundenheit mit der göttlich-geistigen Welt und seinem Losgelöstsein liegt. Da erscheinen an der »Weltengrenze« nicht die physischen Himmelskörper, sondern an jedem Sternenort die Summe der göttlich-geistigen Wesen, die ja in Wirklichkeit der Stern sind.

Mit dem Willen allein, nicht mit Gefühl und Denken verbunden lebt im Menschen dasjenige, was die Erdenleben aufweisen, die sich beim Beobachten schon als persönlich-individuell offenbaren. Was dem Menschen aus dem Kosmos heraus seine äussere Gestalt gibt, das erhält sich in dieser äusseren Gestalt als kosmische Erinnerung. Diese lebt in der menschlichen Gestalt als Kräfte. Es sind das nicht unmittelbar die Kräfte des Willens, sondern das, was in der menschlichen Organisation die Grundlage der Willenskräfte ist.

In dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt liegt dieses Gebiet des menschlichen Wesens ausserhalb der »Weltengrenze«. Der Mensch stellt es da vor als dasjenige, das ihm beim neuen Erdenleben wieder eigen sein wird.

In seiner Nerven-Sinnes-Organisation ist der Mensch heute noch so mit dem Kosmos verbunden, wie er es war, als er noch innerhalb des Göttlich-Geistigen nur keimhaft sich offenbarte.

In seiner rhythmischen Organisation lebt der Mensch heute noch so im Kosmos, wie er lebte, als er als Mensch schon vorhanden, aber noch nicht losgelöst vom Göttlich-Geistigen war.

In seiner Stoffwechsel-Gliedmassen-Organisation, als der Grundlage der Willens-Entfaltung, lebt der Mensch so, dass in dieser Organisation alles nachwirkt, was er seit der Zeit der persönlich-individuellen Erdenleben in diesen und in den Leben zwischen Tod und neuer Geburt durchgemacht hat.

Aus den Kräften der Erde hat der Mensch nur dasjenige, was ihm das Selbstbewusstsein verleiht. Auch die physische Leibesgrundlage dieses Selbstbewusstseins stammt aus dem, was die Erde bewirkt. Alles übrige im Menschenwesen ist ausserirdischen-kosmischen Ursprungs. Der empfindende und gedankentragende Astralleib und seine ätherisch-physische Grundlage, alle Lebensregsamkeit im Aetherleib, ja sogar, was ‒ im physischen Leib ‒ physisch-chemisch wirkt, ist ausserirdischen Ursprungs. So befremdend dies auch sein mag: das innerhalb des Menschen wirksame Physisch-Chemische stammt nicht aus der Erde.

Dass der Mensch dieses ausserirdische Kosmische in sich entwickelt, ist Wirkung der Planeten und sonstiger Sterne. Was er so entwickelt, das trägt die Sonne mit ihren Kräften zur Erde. Das Menschlich-Kosmische wird durch die Sonne in den Bereich des Irdischen versetzt. Durch sie lebt der Mensch als Himmelswesen auf der Erde. Nur dasjenige, wodurch er über seine Menschenbildung hinausgeht, die Fähigkeit seinesgleichen hervorzubringen, ist eine Gabe des Mondes.

Selbstverständlich sind dies nicht die einzigen Wirkungen von Sonne und Mond. Von ihnen gehen auch hochgeistige Wirkungen aus.

Wenn die Sonne um die Weihnachtszeit immer mehr an Kräften für die Erde gewinnt, so ist dieses die im Physisch-Irdischen rhythmisch sich offenbarende Jahreswirkung, die ein Ausdruck des Geistes in der Natur ist. Die Menschheitsentwicklung ist ein einziges Glied in einem gewissermassen gigantischen Weltenjahr. Das geht aus den vorangehenden Ausführungen hervor. In diesem Weltenjahr ist Weltenweihenacht da,wo die Sonne nicht bloss aus dem Geiste der Natur heraus zur Erde wirkt, sondern wo die Seele der Sonne, der Christus-Geist,auf die Erde niedersteigt.

Wie im einzelnen Menschen das individuell Erlebte mit der kosmischen Erinnerung zusammenhängt, so wird die alljährliche Weihnacht von der Menschenseele richtig empfunden, wenn das himmlisch-kosmische Christus-Ereignis als fortwirkend gedacht und wie eine nicht bloss menschliche, sondern kosmische Erinnerung aufgefasst wird. Nicht bloss der Mensch gedenkt festlich zu Weihnachten des Christus-Niederstieges, sondern auch der Kosmos.

Leitsätze mit Bezug auf die vorangehende Betrachtung.

144. Schaut man in die wiederholten Erdenleben eines Menschen zurück, so gliedern sich diese in drei verschiedene Stadien: ein ältestes, in dem der Mensch noch nicht individuell-wesenhaft, sondern als Keim in göttlich-geistiger Wesenheit vorhanden ist. Man findet da beim Zurückschauen noch nicht einen Menschen, sondern göttlich-geistige Wesen (die Urkräfte, Archai).

145. Daran schliesst sich ein mittleres Stadium, in dem der Mensch zwar schon individuell-wesenhaft vorhanden ist, aber noch nicht losgelöst von Denken und Wollen und Wesen der göttlich-geistigen Welt. Er hat da noch nicht seine gegenwärtige Persönlichkeit, die damit zusammenhängt, dass er ein völlig eigenes Wesen in seiner Erderscheinung, losgelöst von der göttlich-geistigen Welt, ist.

146. Als drittes Stadium tritt erst das gegenwärtige auf. Der Mensch erlebt sich in seiner Menschengestalt, losgelöst von der göttlich-geistigen Welt; und er erlebt die Welt als Umgebung, der er individuell-persönlich gegenübersteht. Dieses Stadium beginnt in der atlantischen Zeit.

 

 

 

LIII

Was offenbart sich, wenn man in die vorigen Leben

zwischen Tod und neuer Geburt zurückschaut?

Erster Teil der Betrachtung.

In der vorigen Betrachtung wurde das Gesamt-Menschenleben so verfolgt, dass der Seelenblick auf die aufeinanderfolgenden Erdenleben gelenkt wurde. Der andere Gesichtspunkt, der in noch helleres Licht rücken kann, was der erste offenbart, ist der, die aufeinanderfolgenden Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt zu betrachten.

Auch da zeigt sich, dass der Inhalt dieser Leben, wie er in der Gegenwart ist, nur bis zu einem gewissen Zeitpunkte der Erdenentwicklung zurückgeht. Dieser Inhalt ist ja dadurch bestimmt, dass der Mensch durch die Todespforte die innerliche Kraft des Selbstbewusstseins hindurchträgt, die im Erdenleben erworben ist. Der Mensch steht dadurch auch den göttlich-geistigen Wesen, in deren Mitte er tritt, als volle Individualität gegenüber.

So war es in einer vorangehenden Periode nicht. Da war der Mensch in der Entfaltung seines Selbstbewusstseins noch nicht weit. Die auf Erden erlangte Kraft reichte nicht hin, die Loslösung von der göttlich-geistigen Welt bis zum individuellen Dasein zwischen Tod und neuer Geburt zu bewirken. Der Mensch befand sich da zwar nicht in den göttlich-geistigen Wesen, wohl aber innerhalb deren Wirkungskreis so, dass sein Wollen im wesentlichen ihr Wollen, nicht seines war.

Vor dieser Periode liegt eine andere, in der man beim Zurückschauen gar nicht auf den Menschen in seiner gegenwärtigen geistig-seelischen Verfassung trifft, sondern auf die Welt göttlich-geistiger Wesen, in denen der Mensch erst keimhaft ist. Es sind die Urkräfte (Archai).

Und zwar trifft man, wenn man Eines Menschen Leben zurückverfolgt, nicht auf Ein göttlich-geistiges Wesen, sondern auf alle, die zu dieser Hierarchie gehören.

In diesen göttlich-geistigen Wesen lebt der Wille, dass der Mensch werde. An dem Werden jedes einzelnen Menschen ist der Wille aller beteiligt. In ihrem chormässigen Zusammenwirken liegt als Weltenziel die Entstehung der menschlichen Gestalt. Denn noch ungestaltet lebt der Mensch in der göttlich-geistigen Welt.

Es erscheint vielleicht sonderbar, dass auch schon für Einen Menschen der ganze Chor göttlich-geistiger Wesen wirkt. Aber schon früher wirkten so die Hierarchien Exusiai, Dynameis, Kyriotetes, Throne, Cherubim, Seraphim durch die Monden-, Sonnen- und Saturnentwicklung, damit der Mensch werde.

Was früher entstand, eine Art Vormensch, auf Saturn, Sonne und Mond,hatte nicht einheitliche Gestalt. Es gab solche Vormenschen, die mehr nach dem Gliedmassensystem, andere, die mehr nach dem Brustsystem, wieder andere, die nach dem Kopfsystem organisiert waren. Es waren das doch wirkliche Menschen; sie werden hier nur Vormenschen genannt, um sie zu unterscheiden von dem späteren Stadium, wo der ausgeglichene Zusammenfluss aller Systeme in der menschlichen Gestalt erscheint. Die Differenzierung bei diesen Vormenschen geht noch viel weiter. Man kann von Herzmenschen, Lungenmenschen usw. sprechen.

Die Hierarchie der Urkräfte betrachtet es als ihre Aufgabe, alle diese Vormenschen, deren Seelenleben ja auch ihrer einseitigen Gestaltung entsprochen hat, in die allgemeine menschliche Gestalt hineinzuführen.

Aus der Hand der Exusiai übernehmen sie den Menschen. Diese hatten schon in Gedanken aus der menschlichen Vielheit eine Einheit geschaffen. Allein bei den Exusiai war diese Einheit noch eine Idealgestalt, eine Weltgedankengestalt. Die Archai formten die Aethergestalt daraus, aber so, dass diese Aethergestalt schon die Kräfte zur Entstehung der physischen Gestalt enthielt.

Es offenbart sich ein Gewaltiges beim Hinblicken auf diese Tatbestände. Der Mensch ist Götter-Ideal und Götter-Ziel. Aber dieses Hinblicken kann nicht der Quell von Ueberhebung und Hochmut beim Menschen sein. Denn Er darf sich ja nur, als von ihm kommend, zurechnen, was er in den Erdenleben mit Selbstbewusstsein aus sich gemacht hat. Und dies ist, in kosmischen Verhältnissen ausgedrückt,wenig gegenüber dem, was als die Grundlage seines Eigenwesens die Götter aus dem Makrokosmos, der sie selber sind, heraus als Mikrokosmos, der Er ist, geschaffen haben. Die göttlich-geistigen Wesen stehen im Kosmos einander gegenüber. Der sichtbare Ausdruck dieses Gegenüberstehens ist die Gestalt des gestirnten Himmels. Sie wollten, was sie so zusammen sind, in einer Einheit als Mensch schaffen.

Um recht zu verstehen, was die Hierarchie der Archai vollbrachte, als sie in ihrem Chor die menschliche Gestalt schuf, muss man bedenken, dass ein gewaltiger Unterschied ist zwischen dieser Gestalt und dem physischen Leib des Menschen. Physischer Leib ist, was sich physisch-chemisch im Menschenwesen abspielt. Das geschieht bei dem gegenwärtigen Menschen innerhalb der menschlichen Gestalt. Diese selbst aber ist ein durch und durch Geistiges. Feierlich sollte es stimmen, ein Geistiges mit physischen Sinnen in der physischen Welt als Menschengestalt wahrzunehmen. Für den, der geistig schauen kann, liegt dieses so, dass er in der Menschengestalt eine wirkliche Imagination sieht, die in die physische Welt heruntergestiegen ist. Will man Imaginationen schauen, muss man aus der physischen Welt in die nächste geistige übertreten. Dann aber wird man gewahr, wie die menschliche Gestalt diesen Imaginationen verwandt ist.

Das Entstehen dieser Menschengestalt findet der rückschauende Seelenblick des Menschen als erste Periode, wenn er die Leben zwischen Tod und neuer Geburt beobachtet. Es offenbart sich dabei zugleich, welches tiefere Verhältnis besteht zwischen dem Menschen und der Hierarchie der Archai.

Man kann in dieser Periode schon von einer Andeutung des Unterschiedes zwischen Erdenleben und Leben zwischen Tod und neuer Geburt sprechen. Die Hierarchie der Archai schafft nämlich in rhythmischen Epochen an dem Werden der Menschengestalt. Einmal richtet sie dabei die Gedanken, die den Willen der Einzelnen lenken, mehr nach dem ausserirdischen Kosmos. Das andere Mal schaut sie auf die Erde herab. Und aus dem Zusammenwirken dessen, was vom ausserirdischen Kosmos und von der Erde angeregt ist, wird die menschliche Gestalt gebildet, die so der Ausdruck dafür ist, dass der Mensch zugleich Erden- und ausserirdisches Kosmos-Wesen ist.

Die menschliche Gestalt, wie sie hier als Schöpfung der Hierarchie der Archai geschildert ist, umfasst aber nicht bloss die äusseren Umrisse des Menschen und die Flächengestaltung, wie sie in der Hautbegrenzung gegeben ist, sondern auch die Kräftegestaltung, die in seiner Haltung, in seiner den Erdenverhältnissen angepassten Bewegungsfähigkeit und in der Fähigkeit liegt, seinen Körper als Ausdrucksmittel für sein Inneres zu gebrauchen.

Dass sich der Mensch in die Schwereverhältnisse der Erde in aufrechter Stellung hineinfügen kann, dass er innerhalb dieser Schwereverhältnisse das Gleichgewicht in freier Bewegung bewahren kann, dass er Arme und Hände der Schwere entreissen und in Freiheit gebrauchen kann, das, und noch manches andere, das zwar im Innern liegt, aber doch Gestaltung ist: all das verdankt der Mensch dieser Schöpfung der Archai-Hierarchie. All das wird da vorbereitet in dem Leben, das man auch für diese Periode das zwischen Tod und neuer Geburt nennen kann. Es wird hier so vorbereitet, dass der Mensch dann in der dritten Periode, in unserer Gegenwart, während seines Lebens zwischen Tod und neuer Geburt die Fähigkeit hat, selbst an dieser Gestaltung für sein Erdendasein zu arbeiten.

Leitsätze mit Bezug auf die vorangebende Betrachtungen.

147. Auch die Leben zwischen Tod und neuer Geburt zeigen drei Perioden. In einer ersten lebt der Mensch ganz in der Hierarchie der Archai. Von ihnen wird seine spätere Menschengestalt für die physische Welt vorbereitet.

148. Die Archai bereiten damit das Menschenwesen dazu vor, später das freie Selbstbewusstsein zu entfalten; denn dieses kann nur in Wesen sich entwickeln, die es durch die Gestalt, die hier geschaffen wird, aus einem innern Impuls der Seele zur Darstellung bringen können.

149. Damit zeigt sich, wie die Keime der Menschheitseigenschaften und Menschheitskräfte, die in unserem Weltenalter zur Offenbarung kommen, in längstvergangenen Weltenaltern veranlagt werden und wie der Mikrokosmos aus dem Makrokosmos herauswächst.

 

 

LIV

Was offenbart sich, wenn man in die vorigen Leben

zwischen Tod und neuer Geburt zurückschaut?

Zweiter Teil der Betrachtung.

In einer zweiten Periode gelangt der Mensch aus dem Gebiet der Archai in das der Archangeloi. Mit diesen ist er aber nicht so körperlich-geistig verbunden, wie vorher mit den Archai. Seine Verbindung mit der Archangeloi-Hierarchie ist eine mehr geistige. Aber sie ist doch so innig, dass man für diese Zeit von einem Losgelöstsein des Menschen von der göttlich-geistigen Welt noch nicht sprechen kann.

Die Erzengel-Hierarchie gibt dem Menschen das für seinen Aetherleib, was in diesem entsprechend ist der Gestalt im physischen Leib, die er den Archai verdankt. Wie der physische Leib durch die Gestalt der Erde angepasst ist, um auf dieser Träger des Selbstbewusstseins zu sein, so der Aetherleib den ausserirdischen kosmischen Kräfteverhältnissen. Im physischen Leib lebt die Erde, und im Aetherleib lebt die Sternenwelt. Was der Mensch an inneren Kräften in sich trägt, um auf der Erde so zu sein, dass er sich zugleich mit Haltung, Bewegung, Gebärde der Erde entreisst, das verdankt er der Schöpfung der Erzengel in seinem Aetherleib. Wie im physischen Leib die Erdenkräfte durch die Gestaltung leben können, so leben im Aetherleib die Kräfte, die aus dem Umkreis des Kosmos von allen Seiten auf die Erde zuströmen. Es sind die in der physisch erscheinenden Gestaltung lebenden Erdkräfte solche, die die Gestalt zu einer verhältnismässig abgeschlossen-festen machen. Die Umrisse des Menschen bleiben mit untergeordneter Metamorphose für das Erdenleben fest; die Bewegungsfähigkeiten verfestigen sich in Gewohnheiten usw. ‒ Im Aetherleib herrscht fortwährende Beweglichkeit, die ein Spiegelbild ist der sich während des menschlichen Erdenlebens ändernden Sternenkonstellationen. Schon den Veränderungen des Himmels von Tag und Nacht entsprechend, gestaltet sich der Aetherleib; aber auch den Veränderungen, die zwischen der Geburt und dem Tode des Menschen vor sich gehen.

Diese Anpassung des Aetherleib an die Himmelskräfte widerspricht nicht der allmählichen Loslösung des Sternenhimmels von den göttlich-geistigen Mächten, von der in andern Betrachtungen gesprochen worden ist. Es ist richtig, in ganz alten Zeiten lebte in den Sternen Götterwille und Götterintelligenz. In den späteren Zeiten sind diese in das »Berechenbare« übergegangen. Die Götter wirken nicht mehr durch das, was ihr Werk geworden ist, auf den Menschen. Aber der Mensch gerät allmählich durch seinen Aetherleib in ein eigenes Verhältnis zu den Sternen, wie er durch seinen physischen Leib in ein solches zur Erdenschwere gelangt.

Was der Mensch sich einfügt, wenn er zur Geburt auf Erden aus der Geistwelt herabsteigt, seinen Aetherleib, der in sich die ausserirdischen kosmischen Kräfte aufnimmt, das wird in dieser zweiten Periode durch die Hierarchie der Archangeloi geschaffen.

Ein Wesentliches, das da der Mensch durch diese Hierarchie bekommt, ist die Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Menschen auf Erden. Die Menschen sind über die Erde hin differenziert. Man hat, indem man in diese zweite Periode zurückschaut, nicht die heutige Rassen- und Völkerdifferenzierung vor sich, sondern eine etwas andere, eine mehr geistige. Eine solche, die davon herrührt, dass auf die verschiedenen Orte der Erde die Sternenkräfte in verschiedenen Konstellationen auftreffen. Auf der Erde, in Land- und Wasserverteilung, in Klima, in Pflanzenwuchs usw. lebt ja der Sternenhimmel. Insoferne sich der Mensch an diese Verhältnisse, die auf der Erde als Himmelsverhältnisse sind, anpassen muss, gehört diese Anpassung in den Aetherleib, und dessen Gestaltung ist eine Schöpfung des Chores der Archangeloi.

Nun aber treten gerade während dieser zweiten Periode die luziferischen und ahrimanischen Mächte in einer besonderen Art in das Menschenleben herein. Dieses Hereintreten ist notwendig, trotzdem es zunächst so erscheint, als ob es den Menschen unter seine Wesenheit herabdrücken würde.

Der Mensch muss, wenn er im Erdenleben Selbstbewusstsein entwickeln soll, von der göttlich-geistigen Welt, aus der er ursprünglich hervorgegangen ist, in einem stärkeren Masse loskommen, als dies durch diese Welt selbst geschehen kann. Es geschieht in der Zeit, da die Erzengel an ihm wirken, weil da die Verbindung mit der Geistwelt nicht mehr eine so feste ist, wie sie während des Wirkens der Archai an ihm war. Den mehr geistigen Kräften, die von den Erzengeln ausgehen, sind Luzifer und Ahriman mehr gewachsen als den stärkeren der Archai.

Es wird von den luziferischen Mächten die Aethergestaltung mit einer stärkeren Neigung für die Sternenwelt durchsetzt, als sie haben würde, wenn nur die ursprünglich mit dem Menschen verbundenen göttlich-geistigen Mächte wirken würden. Und es wird durch die ahrimanischen Mächte die physische Gestaltung stärker in die Erdenschwere verstrickt, als es geschehen würde, wenn diese Mächte nicht wirken könnten.

Dadurch wird in den Menschen der Keim des vollen Selbstbewusstseins und des freien Willens gelegt. Wenn auch die ahrimanischen Mächte den freien Willen hassen ‒ im Menschen bewirken sie, da sie ihn losreissen von seiner göttlich-geistigen Welt, die Keimanlage dieses freien Willens.

Zunächst aber, in dieser zweiten Periode, wird, was die verschiedenen Hierarchien von den Seraphim bis zu den Erzengeln in dem Menschen bewirkt haben, mehr in den physischen und Aetherleib hineingedrückt, als es ohne luziferischen und ahrimanischen Einfluss geschehen könnte. Ohne diesen Einfluss bliebe die Wirkung der Hierarchien mehr im Astralleib und im Ich.

Dadurch entsteht nicht jene mehr geistige, von den Erzengeln angestrebte Gruppierung der Menschheit über die Erde hin.

In seinem Eingedrücktsein in den physischen und Aetherleib werden die geistigen Kräfte in ihr Gegenteil gewandelt. Es entsteht statt der mehr geistigen Differenzierung die nach Rassen und Völkern.

Ohne den luziferischen und ahrimanischen Einfluss sähen sich die Menschen auf Erden vom Himmel herunter differenziert. Die Gruppen verhielten sich zueinander in ihrem Leben wie Wesen, die Geistiges willig in Liebe einander geben und voneinander nehmen. In Rassen und Völkern erscheint die Erdenschwere durch den Leib des Menschen; in der geistigen Gruppierung wäre ein Spiegelbild der göttlich-geistigen Welt erschienen.

Mit alle dem musste die spätere volle Selbstbewusstheit in der menschlichen Entwicklung schon vorher veranlagt werden. Das bedingte wieder, dass zwar gemildert, aber doch in einer gewissen Form die uralte Menschendifferenzierung erhalten blieb, die bestand, als der Mensch einst überging von der Hierarchie der Exusiai an diejenige der Archai.

Der Mensch hat wie in einer kosmischen Schule dieses Entwicklungsstadium empfindend-anschauend erlebt. Er hat zwar noch nicht ein Wissen davon entwickelt, dass dies eine wesentliche Vorbereitung für seine spätere Selbstbewusstheit sei. Aber das empfindende Anschauen seiner Entwicklungskräfte damals war doch wichtig für die Eingliederung der Selbstbewusstheit in Astralleib und Ich.

In bezug auf das Denken ist damals dies geschehen, dass der Mensch durch die luziferischen Mächte mit der Neigung ausgestattet wurde, sich in die alten Formen des Geistigen auch weiter zu versenken, und sich den neuen Formen nicht anzupassen. Denn Luzifer hat ja stets das Bestreben, für den Menschen die früheren Formen des Lebens zu bewahren.

Und dadurch bildete sich das Denken des Menschen so aus, dass er allmählich in den Leben zwischen Tod und neuer Geburt diejenige Fähigkeit ausgestaltete, die in uralten Zeiten Gedanken in ihm bildete. Damals konnte diese Fähigkeit das Geistige schauen, trotzdem sie so war wie gegenwärtig die blosse Sinnesauffassung. Denn das Physische trug damals das Geistige an seiner Oberfläche. Jetzt aber kann die von damals bewahrte Denkfähigkeit nurmehr als Sinneswahrnehmung wirken. Allmählich nahm die Fähigkeit, denkend sich zum Geistigen zu erheben, ab. Und voll trat dies erst zutage, als im Zeitalter der Bewusstseinsseele die geistige Welt für den Menschen in gänzliche Dunkelheit gehüllt wurde. Da kam es, dass im neunzehnten Jahrhundert die besten Naturforscher, die nicht Materialisten werden konnten, sagten: uns bleibt nichts übrig, als bloss die Welt zu erforschen, die sich nach Mass, Zahl und Gewicht und durch die Sinne erforschen lässt; aber wir haben kein Recht, eine geistige Welt zu leugnen, die sich hinter dieser sinnlichen verbirgt. Also der Hinweis darauf, dass eine dem Menschen unbekannte helle Welt sein könne, wo er nur in die Finsternis starrt.

Wie durch Luzifer das Denken im Menschen verschoben wurde, so durch Ahriman der Wille. Der wurde mit einer Tendenz zu einer Art von Freiheit begabt, in die er erst später hätte eintreten sollen. Diese Freiheit ist keine wirkliche, sondern die Illusion der Freiheit. In dieser Freiheits-Illusion lebte die Menschheit lange. Das gab ihr keine Möglichkeit, geistgemäss die Idee der Freiheit zu entwickeln. Man pendelte hin und her zwischen den Meinungen, der Mensch sei frei, oder auch, er sei in eine starre Notwendigkeit eingesponnen. Und als dann mit dem heraufziehenden Bewusstseinszeitalter die wirkliche Freiheit kam, da konnte man sie nicht erkennen, weil man das Erkennen allzu lange in die Illusion der Freiheit eingesponnen hatte.

Alles, was sich in diesem zweiten Stadium der Entwicklung der Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt in das Wesen des Menschen eingesenkt hat, das trug er als kosmische Erinnerung in das dritte Stadium hinein, in dem er noch gegenwärtig lebt. Er steht in diesem Stadium zu der Hierarchie der Angeloi in einem ähnlichen Verhältnis, wie er während des zweiten zu derjenigen der Archangeloi gestanden hat. Nur ist das Verhältnis zu den Angeloi so, dass durch sie die volle selbständige Individualität zustande kommt. Denn die Angeloi ‒ jetzt nicht der Chor, sondern Einer für Einen Menschen ‒ beschränken sich darauf, das rechte Verhältnis der Leben zwischen Tod und neuer Geburt und der Erdenleben zu bewirken.

Eine zunächst merkwürdige Tatsache ist diese, dass für den einzelnen Menschen im zweiten Stadium seiner Entwicklung der Leben zwischen Tod und neuer Geburt die ganze Hierarchie der Archangeloi wirkt. Später fällt dieser Hierarchie die Lenkung der Volksstämme zu. Und da ist für ein Volk Ein Erzengel als Volksgeist. In den Rassen bleiben die Urkräfte tätig. Und wieder wirkt für Eine Rasse ein Wesen aus der Hierarchie der Urkräfte als Rassengeist.

So enthält der gegenwärtige Mensch auch in dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt die kosmische Erinnerung an vorangehende Stadien dieses Erlebens. Und auch da, wo in der physischen Welt Geistgeleitetes in der Art auftritt, wie in Rassen und Völkern, ist diese kosmische Erinnerung deutlich da.

Leitsätze mit Bezug auf die vorangehende Betrachtung. (Zweiter Teil).

150. In einer zweiten Periode der Entwicklung der Leben zwischen Tod und neuer Geburt tritt der Mensch in den Bereich der Archangeloi. Während derselben wird der Keim zur späteren Selbstbewusstheit in das Seelische gelegt, nachdem er in der Formung der Menschengestalt in der ersten Periode veranlagt worden ist.

151. Der Mensch wird während dieser zweiten Periode durch die luziferischen und ahrimanischen Einflüsse tiefer in das Physische gedrängt, als es ohne diese Einflüsse geschehen würde.

152. In der dritten Periode gelangt der Mensch in den Bereich der Angeloi, die aber nur in Astralleib und Ich ihren Einfluss geltend machen. Diese Periode ist die gegenwärtige. Was in den beiden ersten Perioden geschehen ist, lebt in der Menschenentwicklung fort und erklärt die Tatsache, dass innerhalb des Zeitalters der Bewusstseinsseele (im neunzehnten Jahrhundert) der Mensch in die geistige Welt wie in eine völlige Finsternis hineinstarrt.

   

bottom of page